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Quelle: imago images/M. Gambarini

Kontraste-Recherche

Kosten für neue Schulplätze in Berlin laufen aus dem Ruder

Berlin will Zehntausende neue Schulplätze schaffen. Doch die Kosten dafür wachsen in astronomische Höhen: Ein Schulplatz in der Hauptstadt ist derzeit mehr als doppelt so teuer wie im Rest der Republik. Von Gabriela Keller, Ursel Sieber und Lisa Wandt

Die Berliner Schulbau-Initiative soll eines der drängendsten Probleme lösen: den Schulmangel in der Hauptstadt. Es ist eines der zentralen öffentlichen Investitionsprogramme des Senats, bei dem die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge 25 Schulen mit 16.000 Schulplätzen schaffen soll. Hinzu kommen 10.000 weitere Plätze, die durch Sanierunge geschaffen werden sollen.

Um diese Mammutaufgabe zu stemmen, setzte das Land auf eine Art "Öffentlich-Private Partnerschaft" (ÖPP), um effizienter zu werden. Doch die Kosten sind explodiert, ohne dass eine einzige neue Schule fertiggestellt worden ist.

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Kosten-Explosion von 1,5 auf fast 12 Milliarden Euro

Zu Beginn der Initiative Ende 2017 hieß es vom rot-rot-grünen Senat noch, für den von der Howoge verantworteten Teil bedürfe es etwa 1,5 Milliarden Euro. Nun kalkuliert der Senat mit 11,7 Milliarden Euro. Die Howoge schreibt dazu auf Anfrage, der ursprüngliche Rahmen aus 2017 sei ein "Finanzrahmen ohne weitere Konkretisierung" gewesen. "Die 11,7 Milliarden Euro hingegen stellen ein Szenario dar, welches auf konkreten Projekten, Zeitplänen, sowie Finanzierungskonditionen ermittelt wurde", so eine Sprecherin der Howoge.

Wenn man die zuletzt ermittelten Baukosten der Howoge ansetzt, kommt man umgerechnet auf etwa 135.000 Euro pro Schulplatz. Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2023 wurde im Bundesdurchschnitt ein Schulplatz mit rund 39.000 Euro errichtet. Das zeigt der Baukostenindex der Deutschen Architektenkammer. Rechnet man die Kosten für Sporthallen hinzu, kommt man auf rund 59 000 Euro, erklärt Carl Waßmuth vom Verein "Gemeingut in BürgerInnenhand". Somit wäre in Berlin ein Schulplatz mehr als doppelt so teuer wie im Rest der Republik.

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Modell erweist sich als Kostenfalle

Im September 2018 hat die Landesregierung die Howoge beauftragt. Auch, weil diese im Gegensatz zum Land ab 2020 weiterhin Kredite aufnehmen kann; ein Modell also, mit dem sich die Schuldenbremse umgehen lässt. Die Idee: Die Howoge, im Eigentum des Landes Berlin und somit ein öffentlicher Investor, nimmt den Kredit auf. So werden diese Schulden nicht dem Landeshaushalt zugerechnet; der Bau der Schulen wird quasi vorfinanziert.

Bei diesem ÖPP-ähnlichen Projekt mieten die Bezirke die fertigen Schulen Jahre später von der Howoge und zahlen darüber die Baukosten zurück. Erst dann müssen die Haushälter für die Howoge-Schulden Jahr für Jahr Millionen an "Mietkosten" in den Haushalt einstellen - und das über 25 Jahre. Ein Modell, das sich nun als teure Kostenfalle erweist.

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Kritiker: "Komplettversagen in der Verwaltung"

ARD-Kontraste hat bei Politikern von CDU, Grünen und Linken nachgefragt. Niemand wollte sich zur Kosten-Steigerung äußern. Fachleute aus der Baubranche hingegen sprechen von einem Skandal. "Offenbar herrscht inzwischen das Motto: Geld spielt keine Rolle, auch wenn das niemand ausspricht", sagt Michael Mackenrodt aus dem Vorstand der Architektenkammer und dort zuständig für Wettbewerb und Vergabe.

"Letztendlich ist es ein Komplettversagen, vor allem in der Verwaltung", meint er. Dass die Kosten bei derartigen Konstrukten leicht ausufern können, sei längst bekannt. Dennoch: "Niemand ist bereit, diesen Irrweg wieder zu korrigieren", sagt Architekt Mackenrodt. Offenbar könne niemand das, was man anfangs als große neue Methode versprochen habe, im Nachhinein als großen Irrtum eingestehen.

"Diese Howoge-Finanzierung ist eine Katastrophe", sagt auch Christian Müller, Vorstandsmitglied bei der Baukammer. "Es ist ein Schattenhaushalt, der über mehr als 20 Jahre lang abgestottert wird." Das nehme in den Bezirken den Handlungsspielraum in den kommenden Jahrzehnten, so Müller.

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Steigende Baukosten und Inflation treiben Kosten in die Höhe

Über die Jahre hatte der Senat seine Prognosen deutlich korrigiert: Aus ursprünglich 1,5 Milliarden Euro waren 2021 schon 2,6 Milliarden geworden, im September dieses Jahres hob der Senat das Budget auf 5,6 Milliarden Euro an. Grund hierfür seien u.a. die steigenden Kosten für Material und Arbeit sowie und die rekordhohe Inflation, was die gesamte Baubranche treffe, so der Senat auf Anfrage von ARD-Kontraste. Ähnlich äußert sich die Howoge. Aufgrund dessen habe man auf Veranlassung des Landes Berlin die Kalkulationen angepasst und aktualisiert.

Doch die nun kalkulierten 5,6 Milliarden sind längst nicht die Endsumme. Aus der schriftlichen Antwort der Finanzverwaltung auf Anfragen der Linken und Grünen von September 2023 geht hervor, dass diese Summe nur die Bau- und Projektkosten deckt. Hinzu kommen noch die Grunderwerbssteuer, Notar- und Versicherungskosten sowie eine Management-Gebühr für die Howoge.

Außerdem fehlen in den 5,6 Milliarden noch die Kosten für Zins und Tilgung der Kredite. Es handelt sich dabei um Kredite, die die Howoge in einer Hochzinsphase aufnehmen muss. Rechnet man alles zusammen, ergeben sich prognostizierte Kosten von 11,7 Milliarden Euro, schreibt der Senat in seiner Antwort. Ein erheblicher Teil der Kosten sind also so genannte Finanzierungskosten, auch diese muss das Land über die Mieten mit abbezahlen.

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Keine konkreten Zeitvorgaben

Geschwindigkeit war ein zentrales Argument, als die Howoge 2018 beauftragt wurde. Doch bislang ist keine einzige Schule fertig gebaut. Im Frühjahr 2024 will die Howoge das erste neu gebaute Gymnasium an den Bezirk Lichtenberg übergeben, drei weitere sollen 2025 folgen. Der Rest soll erst 2028 bis 2031 fertig werden.

Das Problem: Es gibt keine konkreten Zeitvorgaben. "Eine verbindliche Vereinbarung der Zeitpläne" sei nicht möglich, da die Howoge insbesondere bei der Sanierung von Schulen auf die Mitwirkung der zuständigen Bezirke angewiesen sei, so eine Senatssprecherin auf Anfrage von ARD-Kontraste. Auch eine Sanktionierung der Howoge für verspätete Fertigstellungen werde nicht vorgenommen, da diese auf die Mieten umgelegt und damit indirekt das Land Berlin selbst treffen würde, so die Finanzverwaltung.

Kritik kam bereits 2020 vom Landesrechnungshof. In ihrem Jahresbericht bemängelten die Rechnungsprüfer, dass vor der Beauftragung der Howoge keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt worden sei. Die Howoge sei eine Wohnungsbaugesellschaft und habe keine Erfahrung im Schulbau.

Beitrag von Gabriela Keller (Correctiv), Ursel Sieber und Lisa Wandt

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