Berlin droht Verlust von tausenden Unterkunftsplätzen für Geflüchtete
Plätze in Unterkünften für Geflüchtete in Berlin sind rar, die Kapazitäten in den Masseneinrichtungen fast ausgelastet. Auch für die kurzfristig in Hotels oder Hostels untergebrachten Menschen könnte es bald wieder ein Platzproblem geben.
Dem Berliner Senat fehlen im Frühjahr voraussichtlich rund 3.000 Unterbringungsplätze für Geflüchtete, weil angemietete Hotel- und Hostelzimmer nicht mehr zur Verfügung stehen. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage des Grünen-Abgeordneten Jian Omar hervor, die dem rbb exklusiv vorliegt. Demnach müssen die angemieteten Plätze zwischen Februar und April 2024 aufgelöst werden.
Die meisten Hotelkontingente, rund 1.000 Plätze, hat der Senat bislang im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf angemietet. Weitere 900 Plätze sollten im November in Pankow dazukommen. Besonders für die Unterbringung von Familien und älteren Personen gelten sie als besser geeignet als die Mehrbett-Unterkünfte in Tegel oder Tempelhof, allerdings ist ihre Nutzung zeitlich begrenzt. Zuletzt hatte die Sozialverwaltung von insgesamt 2.912 Plätzen gesprochen, die Mitte November zur Verfügung standen und zu drei Vierteln belegt waren.
Fast alle Unterkünfte belegt - Aufenthaltsdauer von mehreren Monaten
Damit dürfte sich spätestens im kommenden Frühjahr die Unterbringungssituation für Geflüchtete in Berlin weiter verschärfen. Denn schon jetzt sind die insgesamt 34.266 Plätze mit 97 Prozent fast vollständig belegt. Schon jetzt beträgt die Aufenthaltsdauer in den Massenunterkünften Tegel und Tempelhof bis zu mehreren Monaten, einige Bewohner sind seit Eröffnung der Einrichtungen dort untergebracht.
Die Senatsverwaltung für Soziales hatte zuletzt beschlossen, die Massenunterkünfte in Tegel und Tempelhof zu erweitern: In Tegel werden die Kapazitäten auf bis zu 7.100 Plätze ausgebaut, in Tempelhof stehen rund 1.300 Plätze zur Verfügung. Auch hier sollen weitere Flächen erschlossen werden, um zusätzliche Unterkünfte zu schaffen. Dafür hat der Senat am Dienstag das Gesetz zum Tempelhofer Feld nach 2016 erneut geändert. Konkret sollen Flächen im Norden des Feldes am Columbiadamm für zusätzliche Container-Unterkünfte zur Verfügung stehen.
Krieg, Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen - weltweit sehen sich Millionen Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Statistiken zeigen, wer kommt, wer bleibt und wer Geflüchtete aufnimmt. Von Efthymis Angeloudis und Götz Gringmuth-Dallmer
Bau von MUFs geht nur langsam voran
Nur schleppend voran geht der Bau von Modularen Unterkünften des Typs 2.0, die für die langfristige Unterbringung - neben regulären Wohnungen - am geeignetsten sind. 2018 hatte der Senat beschlossen, insgesamt 12.000 Plätze solcher MUFs zu errichten, 1.000 pro Bezirk. Bislang sind davon lediglich 2.273 Unterbringungsplätze entstanden, in nur sechs Bezirken. Die nächsten Bauten werden nicht vor Ende April 2024 in Betrieb gehen.
Der Grünen-Abgeordnete Omar fordert, die dezentrale Unterbringung voranzutreiben, statt Tegel und Tempelhof zu erweitern. Das sei "menschenwürdiger, integrationsfördernder und kostengünstiger als Notunterkünfte", so Omar. "Dafür müsste die Errichtung von MUFs wesentlich beschleunigt werden."
Broemme soll dezentrale Unterkünfte finden
Abhilfe schaffen soll derweil ein Mann, der sich in Berlin schon in der Vergangenheit als Krisenmanager bewährt hat: Der frühere Landesbranddirektor Albrecht Broemme hat am Dienstag seinen Posten als Berliner Koordinator für Flüchtlingsangelegenheiten aufgenommen.
In dieser Funktion solle er insbesondere dezentale Unterkünfte für Geflüchtete finden, wie der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ankündigte. Zudem soll Broemme eine "Clearingstelle" finden. Dort sollen die Geflüchteten sich sowohl registrieren als auch gesundheitlich untersuchen lassen können. Der 70-jährige Broemme war während der Corona-Zeit maßgeblich an der Planung und Verwirklichung von Krisen-Infrastruktur beteiligt. Auch an der Koordinierung der vielen ankommenden Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wirkte der gebürtige Hesse tatkräftig mit.