Landtagswahlkampf
Die CDU in Brandenburg hat auf einer Klausurtagung ein Strategiepapier für den kommenden Wahlkampf formuliert. Darin geht es viel um Fleiß und Anerkennung – und um die Angst vor dem sozialen Abstieg. Von Markus Woller
Die CDU in Brandenburg sucht ihren Weg ins Rampenlicht. Schwer wird sie es im kommenden Landtagswahlkampf in jedem Fall haben. Schon jetzt zeichnet sich ein Lagerwahlkampf ab: Auf der einen Seite die starke rechtspopulistische AfD – auf der anderen Seite die SPD um Ministerpräsident Dietmar Woidke, der sich als vielversprechendster Anker der demokratischen Mitte inszenieren wird. Wie viel Platz bleibt da für eine Profilierung der CDU?
Die Partei hat nun erstmals durchblicken lassen, womit sie im Schatten des Ministerpräsidenten im kommenden Jahr zu strahlen versuchen wird. Dazu haben Mitglieder aus Fraktion, Bundestag, Europaparlament und Landesvorstand am Wochenende auf einer Klausurtagung ein Strategiepapier entworfen. Es greift vor allem die momentan steigenden Ängste vor dem sozialen Abstieg auf. Und liest sich, wie ein konservatives Loblied auf die Leistungsgesellschaft. Überschrieben ist es mit "Brandenburg – Heimat der Fleißigen".
Die Autoren bemängeln darin die vermeintliche Abkehr vom Leistungsprinzip, etwa beim von den Grünen durchgesetzten Bürgergeld, das sie als "Light-Variante" eines bedingungslosen Grundeinkommens bezeichnen. Seitenhiebe gibt es zudem für die SPD, in deren Jugendorganisation gerade ein Grunderbe für alle 18-Jährigen diskutiert wird, sowie für die Linken, die sich für die Abkehr von bestimmten Noten in der Grundschule einsetzen sowie die ganze vermeintlich inaktive Generation Z.
"Viele Brandenburger haben den Eindruck, dass ihr Fleiß nicht mehr honoriert wird", sagte CDU-Chef Jan Redmann bei der Vorstellung des Papiers am Dienstag im Landtag. Im Gegenteil glaubten mittlerweile viele, die arbeiten gingen und Steuern zahlten, sie seien am Ende die Dummen. Erfolg und Wohlstand seien untrennbar mit Leistungsbereitschaft und Fleiß verbunden, so Redmann.
Das Mittel der Wahl, damit Arbeit sich wieder mehr lohne, ist für die CDU Brandenburg die Entlastung von Steuern und Abgaben für Gering- und Normalverdiener. Außerdem müsse das Aufstiegsversprechen durch Arbeit eingehalten werden, etwa durch Senkung oder Freibeträge bei der Grunderwerbssteuer. Normalverdiener müssten sich einen Grundstücks-, Wohnungs- oder Hauskauf auch wieder leisten können. "Diese Ziele sind für viele so in die Ferne gerückt, dass sie sich die Frage stellen, warum sie sich so anstrengen", so CDU-Parteichef Redmann.
Das Bürgergeld ist der CDU ein besonderer Dorn im Auge. Der Abstand zu Niedriglöhnen sei zu gering, heißt es. Das Bürgergeld gehöre abgeschafft, "Fehlanreize" müssten korrigiert werden. Das Grundprinzip des Förderns und Forderns solle "wieder gelten". Zu einer möglichen Neuregelung gehöre auch, dass es nach einer Übergangszeit die Verpflichtung geben müsse, jede Arbeit anzunehmen. "Anstrengungsloser Wohlstand ist unmöglich", so Redmann. Sollte alles so weiterlaufen, wie bisher, führe das irgendwann zum Kollaps der Sozialsysteme.
Einen gewissen Wohlstand erreichen viele Brandenburger heute vor allem durch das Erben. Von der neuen Forderung, keine Erbschaftssteuer mehr auf Elternhäuser zu erheben, erhofft sich die CDU nun ebenfalls mehr Aufmerksamkeit.
Ganz neue Wege will man bei den Rahmenbedingungen für Pendler im Land gehen. Zwei Drittel der Brandenburgerinnen und Brandenburger arbeiteten auswärtig, darauf verweist die Union. Neben bereits beschlossenen Verbesserungen im Nahverkehr steht im Papier auch eine wirklich neue Idee: Man wolle "Modelle prüfen", um die Anreise zum Büro als Arbeitszeit anzurechnen. Was Unternehmen von diesem neuen Ansatz zum Thema Leistungsgesellschaft halten, ist allerdings absehbar.
Auch in der Schule soll nach dem Willen der CDU das Leistungsprinzip wieder stärker verankert werden: mit mehr Hausaufgaben und einer verbindlichen Notenvergabe ab der dritten Klasse. Schon in der Kita sollen Kinder gefördert und ihre Leistungen festgestellt werden. Lehrkräfte sollen durch Leistungsprämien und Zulagen für Mehrarbeit und mehr Engagement gewonnen werden.
Letzteres will die CDU in der Gesellschaft generell besser würdigen. Häusliche Pflege zum Beispiel soll mit einem sogenannten Landes-Pflegegeld und einem Rechtsanspruch auf Homeoffice unterstützt werden. Ehrenamtler sollen zum Beispiel bei der Kinderbetreuung unterstützt werden. Mit Bonusprogrammen und Tickets für den Nahverkehr solle außerdem die besondere Leistungsbereitschaft für die Gesellschaft belohnt werden.
In einer ersten Reaktion wirft Linkenchef Sebastian Walter der CDU vor, sich mit dem Papier zu einer populistischen Kraft im Land zu entwickeln. Man trete nach unten, um selbst in den Umfragen aufzusteigen, so Walter. Am schlechten Einkommen der Menschen sei nicht das Bürgergeld schuld, sondern der große Niedriglohnsektor im Land. Viele der Forderungen hätte die CDU als Regierungspartei bereits in der jetzigen Legislatur angehen können, so Walter weiter.
In den jüngsten Umfragen liegen die Christdemokraten bei 18 Prozentpunkten auf Platz drei hinter AfD (32 Prozent) und SPD (20 Prozent). In den vergangenen Monaten versuchte die Partei vor allem in der Migrationsdebatte zu punkten. Mit dem neuen Strategiepapier will man nun offenbar die Probleme des verunsicherten Mittelstandes in den Blick nehmen – Ziel ist der Sprung aus dem Schatten, bevor der Lagerwahlkampf richtig losgeht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.11.2023, 19 Uhr
Beitrag von Markus Woller
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