Extremismus an Brandenburger Schulen
Im Modellprojekt "Starke Lehrer – starke Schüler" geht es um den Umgang mit Extremismus an Brandenburger Schulen. Aus dem Modellprojekt soll ein Landesprogramm werden – der Bedarf ist da. Von Amelie Ernst
Was tun, wenn ein Schüler im Unterricht NS-Verbrechen relativiert? Wie erkenne ich rechte Symbolen auf dem Schulrucksack? Und wie politisch ist ein Palästinensertuch? Diese und andere Fragen beschäftigen viele Lehrkräfte in Brandenburg. Auch Julia Maaß. Sie unterrichtet Politische Bildung am Oberstufenzentrum Ludwigsfelde (Teltow-Fläming) und war früher in bestimmten Situationen oft unsicher.
Beispielsweise, als eine Schülerin in ihrem Vortrag schlussfolgerte, dass die AfD nur wolle, dass Ausländer nach Hause zurückkehren sollten. Denn das wollten die Ausländer ja selbst. "Neben ihr saß aber eine Schülerin, die einen Flüchtlingshintergrund hat. Da habe ich damals kurz nach dem Referendariat gar nicht gewusst, wie ich damit umgehen soll." Heute würde sie das viel energischer thematisieren, so Maaß, und mit den Schüler:innen darüber sprechen.
Julia Maaß ist eine von 20 Lehrkräften, die in den vergangenen drei Jahren am Modellprojekt "Starke Lehrer – starke Schüler" teilgenommen haben. Vor allem der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen der fünf anderen Oberstufenzentren im Projekt habe ihr weitergeholfen, sagt sie. Einfach zu sehen, mit welchen Schwierigkeiten andere OSZ zu tun hätten – und welche Lösungsideen es gebe.
Ein Ergebnis des Projekts: Am Oberstufenzentrum Ludwigsfelde ist jetzt klar, an wen sich Lehrer und Schüler bei entsprechenden Vorfällen wenden können. Auch Fortbildungen für das Kollegium sind geplant.
Die gebe es am Oberstufenzentrum Cottbus schon jetzt etwa alle zwei Monate, berichtet Schulleiter Michael Seifert. Und sie zeigten Wirkung. "Das sind oft 'kleine' Dinge: Schmierereien auf der Toilette werden jetzt wieder gemeldet. Oder auch Vorfälle aus dem Unterricht. Dass man nicht sagt: 'Eigentlich muss ich ja mit meinem Stoff vorankommen.'" Tendenziell hätten viele Lehrkräfte eher den Unterricht selbst im Fokus gehabt und extremistische Sprüche meist übergangen.
In anderen Fällen sei aber auch bisher schon gehandelt worden: "Das Extremste war die Verabschiedung mit dem Hitlergruß aus dem Unterricht." Auf den Hitlergruß des Schülers folgten ein Verweis und eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Den Kolleg.nnen sei nun auch dank des Modellprojekts klar, was wann zu tun sei, so Seifert. Allerdings gibt es bei dem einen oder anderen auch Zweifel, wie nachhaltig ein solches Projekt ist – und ob es wirklich alle Lehrkräfte gleichermaßen erreicht.
Dass künftig noch mehr Schulen – nicht nur die sechs Oberstufenzentren im Modellprojekt – auf extremistische Vorfälle vorbereitet sind, ist das Ziel von Projektleiter Udo Dannemann von der Universität Potsdam und seinem Team. Aus dem Modellprojekt soll ein Landesprogramm werden, das nach und nach alle Schulformen und Schulen erreicht.Und auch die Lehrkräfte, die bisher wenig sensibel waren für extremistische Vorfälle an ihrer Schule. Es werde auch Lehrkräfte geben, die sich die Empfehlungen nur schwer annehmen könnten – oft aus Unsicherheit, so Dannemann. Doch auch da könne eine Schule gegenhalten: "Wo man dann gemeinsam verhandeln kann: Wie gehen wir damit um."
Jedes Kollegium soll bei Interesse am Programm zunächst einen Tag lang eine Haltung zum Umgang mit Extremismus finden. Eine neue Fachstelle soll das Landesprogramm ab dem kommenden Jahr koordinieren und Ansprechpartner für die Schulen sein.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19:15 Uhr, 20.11.2023
Beitrag von Amelie Ernst
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