Energieträger der Zukunft
Brandenburg gilt als Vorreiter bei der angestrebten Wasserstoff-Wende. Das Land hat bereits eine eigene Wasserstoff-Strategie, die ersten sichtbaren Erfolge soll es bald geben. Beim ersten Brandenburger Wasserstofftag war dennoch nicht alles eitel Sonnenschein. Von Markus Woller
Eigentlich könnte die Stimmung auf dem ersten Brandenburger Wasserstofftag in Potsdam ja richtig gut sein. Beim Thema Energie-Wende bewegt sich gerade sehr viel in die richtige Richtung. Erst in dieser Woche hatte die Bundesregierung ihre Pläne für ein Wasserstoff-Verteilnetz vorgestellt - Pipelines, die zukünftig Wasserstoff quer durch Deutschland verteilen sollen.
Bei diesem sogenannten Kernnetz hat Brandenburg fast alle Wünsche erfüllt bekommen. Die wichtigsten zukünftigen Wasserstoff-Produzenten, wie die Raffinerie in Schwedt, die gerade mit Milliardenunterstützung umgebaut wird, werden darin berücksichtigt. Genauso wie die Standorte der potenziell größten Abnehmer, zum Beispiel die Stahlwerke in Eisenhüttenstadt oder Brandenburg an der Havel. In Brandenburg wird dafür eine der Gaspipelines umgebaut, mit der bislang russisches Erdgas durchs Land transportiert wurde.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) zeigt sich dann auch sehr zufrieden: "Das, was wir in der landeseigenen Planung eigentlich bis 2035 geplant hatten, ist jetzt schon für 2032 im Kernnetz festgeschrieben", so Steinbach. Das Geld für das 9700 Kilometer lange Netz will der Bund vorstrecken - 19,8 Milliarden Euro.
Doch wie viele weitere solcher zukunftweisenden Wasserstoffprojekte wirklich kommen, das ist nach dem Urteil des Verfassungsgerichts in dieser Woche ungewiss. Darin hatte das Gericht der Bundesregierung das Umschichten von 60 Milliarden Euro nicht genutzter Corona-Hilfen in einen Klimaschutzfonds untersagt, mit dem viele Vorhaben finanziert werden sollten. Die Verunsicherung darüber ist auch auf dem Wasserstofftag in Potsdam deutlich zu spüren. Alexandra Decker vom Zementhersteller Cemex in Rüdersdorf zum Beispiel erzählt, dass viele ihrer aktuellen Projekte zum Thema CO2-Vermeidung und -Nachnutzung auf eine Förderung aus dem nun leeren Klima-Transformations-Fonds (KTF) setzen. So geht es vielen innovativen Projekten im Wasserstoff-Segment.
Steinbach sieht durch das Urteil dann auch das Erreichen der Klimaziele in Gefahr. Er mache sich Sorgen, dass geplante Projekte jetzt nicht rechtzeitig umzusetzen seien. Es müsse nun darum gehen, Gelder zu finden, um den Bau von Wasserstoff-Pipelines, Geothermie-Projekten oder die Fördermaßnahmen rund ums Heizungsgesetz zu finanzieren. "Das sind keine Nice-to-have-Projekte, sondern sie werden dringend gebraucht, um im Fahrplan zur Klima-Neutralität zu bleiben", so der Wirtschaftsminister. Keines der mit dem Fonds finanzierten Projekte sei verzichtbar oder dürfe verzögert werden, so Steinbach.
Den ersten Wasserstofftag hat das Brandenburger Wirtschaftsministerium zusammen mit der Wirtschaftsförderung des Landes und dem Geo-Forschungs-Zentrum Potsdam (GFZ) veranstaltet. Auch bei letzterem bereitet man aktuell ein großes Wasserstoff-Projekt vor, wie das Institut heute bekannt gab. Schon in zwei Jahren möchten die Wissenschaftler eine Pilotanlage für die unterirdische Speicherung von Wasserstoff an den Start bringen. Brandenburgs Untergrund eigne sich für ein solches Vorhaben hervorragend, sagt Susanne Buiter, wissenschaftliche Vorständin des Geo-Forschungs-Zentrums.
Poren-Speicher in 600 bis 800 Metern-Tiefe könnten zukünftig große Mengen Wasserstoff aufnehmen, um ihn dann bei Bedarf zur Verfügung zu stellen. "Wir sind bereits im engen Dialog mit verschiedenen Industriepartnern", so Buiter. Ziel sei es, Risiken und Chancen zu evaluieren und die Speicher schnell zur Marktreife zu entwickeln.
Erfahrungen mit einem ähnlichen Projekt hat man beim GFZ bereits gesammelt. In Ketzin hatten die Forscher von 2008 bis 2013 bereits CO2 unterirdisch gespeichert. Damals gelang es, anders als in anderen Orten im Land, die Anwohner von der Forschung im Untergrund zu überzeugen. Für das aktuelle Wasserstoff-Projekt könne man in Sachen Akzeptanz hier auf Erfahrungen zurückgreifen, sagt Buiter. Ketzin sei auch jetzt wieder als Standort im Gespräch. Erste Kontakte mit Politik und Bürgern habe es schon gegeben.
Ab 2025, so hieß es auf der Konferenz, würden die ersten größeren Projekte auch im normalen Alltag Einzug halten. Wasserstoff-Züge und Busse in größerem Umfang, die ersten Mauern für zukünftige Wasserstoff-Kraftwerke. Für das Jahr ist auch die erste Produktion des Gases in der Raffinerie in Schwedt avisiert. Dann, so hofft Brandenburgs Wirtschaftsminister, werde auch in der breiten Bevölkerung die Zuversicht wachsen, dass die Transformation zur klimafreundlichen Wirtschaft mit Hilfe von Wasserstoff gelingen könne.
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.11.2023, 18:30
Beitrag von Markus Woller
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