Erdogan-Besuch beendet
Der türkische Präsident Erdogan hat seinen Berlin-Besuch beendet. Die Polizei hat deshalb die Sicherheitsvorkerhungen in der Stadt aufgehoben. Bei Erdogans Treffen mit Bundeskanzler Scholz haben beide die aktuelle Lage im Nahen Osten unterschiedlich bewertet.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Berlin am Freitagabend wieder verlassen. Die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen insbesondere in den Bereichen rund um das Regierungsviertel und das Schloss Bellevue in Mitte sind damit aufgehoben, wie die Polizei am Freitagabend mitteilte. Auch die in Verbindung mit dem Besuch stehenden Verkehrssperrungen wurden demnach aufgehoben.
Während des Präsidentenbesuchs ist es in Berlin der Polizei zufolge ruhig geblieben. Es sei zu keinen Zwischenfällen im Zusammenhang mit dem Staatsbesuch Erdogans gekommen. Für Samstag ist die Polizei eigenen Angaben zufolge erneut in Alarmbereitschaft. Kurden hatten den Besuch Erdogans stark kritisiert und für Samstag zu einer großen Demonstration gegen das Verbot der kurdischen Arbeiterpartei PKK aufgerufen. Die Demonstranten wollen von Kreuzberg zum Brandenburger Tor laufen, Aufrufe dazu kamen auch von linksradikalen Gruppen.
Erdogan und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben bei ihrem gemeinsamen Treffen in Berlin am Freitagabend ihre unterschiedlichen Positionen zur aktuellen Lage im Nahen Osten deutlich gemacht. Scholz betonte das Selbstverteidigungsrecht Israels. Zugleich sei Deutschland einer der größten Geldgeber für humanitäre Unterstützung der Palästinenser.
Erdogan prangerte hingegen das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen an. Die israelischen Geiseln im Gazastreifen seien nichts anderes als die Palästinenser in israelischen Gefängnissen. Erdogan forderte Bundeskanzler Scholz auf, sich gemeinsam für eine humanitäre Waffenpause in Gaza einzusetzen.
Ihre Positionen vertraten sie auf einer gemeinsamen Pressekonferenz im Berliner Kanzleramt.
Erdogan und Scholz teilten aber die "Sorge vor einem Flächenbrand im Nahen Osten", sagte Scholz bei der Pressekonferenz, die vor einem Gespräch und einem Abendessen der beiden Politiker stattfand. "Jedes Leben ist gleich viel Wert", fügte er an. Auch das "Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung" bedrücke die Bundesregierung. In dem Gespräch mit Erdogan solle es darum gehen, wie eine "weitere Eskalation in der Region" verhindert werden könne.
Der türkische Präsident hat trotz seiner scharfen Kritik an Israel das Existenzrecht des jüdischen Staates indirekt anerkannt. Nötig sei eine Zweistaaten-Lösung in den Grenzen von 1967, sagt er. Das Ziel müsse sein, dass Israelis und Palästinenser "Seite an Seite in Frieden leben können".
Gleichzeitig warb Scholz für gute Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland. "Die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands und der Türkei sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden."
Erdogan war am Freitagnachmittag zu seinem ersten Deutschlandbesuch seit drei Jahren in Berlin eingetroffen.
Er landete auf dem militärischen Teil des Hauptstadt-Flughafens in Schönefeld bei Berlin, wie dpa-Reporter berichteten. Auf gesperrten Straßen fuhr sein Konvoi mit Polizeibegleitung über die Autobahn bis Schöneberg und dann auf der Dominicusstraße und Martin-Luther-Straße Richtung Großer Stern. An manchen Stellen standen Menschen und winkten der Autokolonne zu oder klatschten, Autofahrer hupten. Auf einem Balkon in der Dominicusstraße warteten mehrere Frauen in Decke gehüllt, bis der Konvoi vorbeifuhr.
Ziel war das Schloss Bellevue, wo er zunächst von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen wurde.
Während des Besuchs hatte es nur vereinzelt Proteste gegeben. Mitglieder der Gesellschaft für bedrohte Völker standen am Freitagmittag nahe des Schlosses Bellevue, dem Amtssitz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, und zeigten ein Transparent mit der Aufschrift: "Kein roter Teppich für den Islamisten Erdogan". Einige von ihnen trugen Masken mit den Gesichtern von Steinmeier, Kanzler Olaf Scholz und Erdogan.
Die Polizei hat das Transparent eingezogen. Einem Polizeisprecher zufolge vermuteten die Beamten, dass das Transparent den Tatbestand der Beleidigung erfüllen könne. Nach einer kurzen Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft sei das Plakat am Abend wieder ausgehändigt worden, führte der Sprecher aus. Es erfülle auf den ersten Blick keinen strafbaren Tatbestand.
Der Besuch ist vor allem wegen der scharfen Verbalattacken Erdogans gegen Israel seit Beginn des Gaza-Kriegs umstritten gewesen. Erdogan warf dem Land einen "Genozid" (Völkermord) im Gazastreifen und "Faschismus" vor, stellte das Existenzrecht Israels in Frage und bezeichnete die Terrororganisation Hamas als "Befreiungsorganisation". Scholz hat die Vorwürfe Erdogans gegen Israel als "absurd" zurückgewiesen. Auch viele Kurden haben den Besuch kritisiert.
Am Abend steht dann das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen die Türkei im Berliner Olympiastadion an. Dazu werden bis zu 70.000 Besucher erwartet.
Der Besuch Erdogans wurde von umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen begleitet. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit 2.800 Kräften aus elf Bundesländern, der Bundespolizei und dem Zoll im Einsatz. Zu den Maßnahmen gehörte die zeitweise Überwachung des Luftraums mit Hubschraubern, auch Boote auf der Spree wurden eingesetzt.
Insgesamt gab es am Freitag in Berlin-Mitte drei Sperrbereiche: im Regierungsviertel, rund ums Schloss Bellevue und im nördlichen Teil des Potsdamer Platzes. In diesen galten Park- und Versammlungsverbote, Zutritt war nicht jedem gestattet. Die Sicherheitsstufe 1 und die damit einhergehenden Maßnahmen sollen Mitternacht aufgelöst werden.
Wenige Stunden vor dem Erdogan-Empfang bei Bundespräsident Steinmeier wurde am Schloss Bellevue eine Weltkriegsgranate entdeckt. Die Panzergranate war bei Bauarbeiten in einer Grünanlage in der Nähe des Schlosses gefunden worden.
Da der Bereich aus Sicherheitsgründen gesperrt ist, konnte die Granate schnell kontrolliert gesprengt werden. Laut Polizei gab es keine größeren, zusätzlichen Beeinträchtigungen durch den Granatenfund.
Sendung: Fritz, 18.11.2023, 08:31 Uhr
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