"Kein Platz für Antisemitismus"
Der Angriff der Hamas auf Israel hat Folgen auch in Deutschland: Bundesinnenministerin Nancy Faeser verbietet die Palästinenserorganisation und das Netzwerk Samidoun. Wer sich künftig dort engagiert, muss mit Konsequenzen rechnen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die islamistische Palästinenserorganisation Hamas und das pro-palästinensische Netzwerk Samidoun verboten. Das teilte sie am Donnerstag in Berlin mit.
"Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz, wir werden ihn mit aller Kraft bekämpfen", sagte die SPD-Politikerin. Die Bundesregierung habe "mit Hochdruck und sehr intensiv an den Verboten gearbeitet".
Das Innenministerium begründete das Betätigungsverbot für die Hamas damit, dass diese sich "gegen den Gedanken der Völkerverständigung" richte und "erhebliche Interessen" der Bundesrepublik beeinträchtige. Die Hamas habe als Terrororganisation zum Ziel, den Staat Israel zu vernichten, erklärte Faeser.
Der Verein Samidoun befürwortet nach Angaben des Innenministeriums "Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange" und "unterstützt Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten und androhen".
Samidoun verbreitete israel- und judenfeindliche Propaganda - als internationales Netzwerk unter dem Deckmantel einer "Solidaritätsorganisation" für Gefangene in verschiedenen Ländern, konkretisierte Faeser.
Deutschland werde den Antisemitismus "in all seinen Formen mit der ganzen Härte des Rechtsstaats auch weiterhin bekämpfen", sagte die Bundesinnenministerin weiter. Sie fügte hinzu: "Das Abhalten spontaner 'Jubelfeiern' hier in Deutschland in Reaktion auf die furchtbaren Terroranschläge der Hamas gegen Israel zeigt das antisemitische, menschenverachtende Weltbild von Samidoun auf besonders widerwärtige Weise."
"Das Verbot dieser extremistischen Organisationen ist richtig und war längst überfällig", sagte der Berliner Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Stephan Weh am Donnerstagmittag. Die Entscheidung werde in den nächsten Nächten auf den Straßen zu spüren sein, fügte Weh hinzu.
Auf seinem Telegram-Kanal warf das Samidoun-Netzwerk der Bundesinnenministerin vor, mit dem Verbot abweichende Meinungen unterdrücken zu wollen. Zugleich kritisierte das Netzwerk das Verbot von Demonstrationen sowie das Vorgehen der Polizei gegen Menschen, die die Palästinenserflagge oder ein Palästinensertuch tragen.
Im Fall von Hamas und den ausländischen Strukturen von Samidoun geht es um ein sogenanntes Betätigungsverbot, für die deutschen Strukturen von Samidoun zudem um ein Vereinsverbot. Die Folgen sind ähnlich: Eventuelles Vermögen wird eingezogen, Internetauftritte und Aktivitäten in sozialen Medien werden verboten. Wer weiter für die Organisationen aktiv ist, macht sich strafbar.
Die Hamas ist von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft. Hinter ihr stehen nach Schätzungen des Verfassungsschutzes in Deutschland rund 450 Menschen, von denen viele deutsche Staatsbürger sind. Einen offiziellen Ableger der islamistischen Gruppierung gibt es hierzulande aber nicht. Vereine, die der Bewegung nahestanden, wurden vor einigen Jahren bereits verboten. Als zusätzliche Maßnahme bleibt damit das nun ausgesprochene Betätigungsverbot.
Der Hamas werden in Berlin rund 100 Personen zugerechnet. Diese würden vorrangig in Vereinsstrukturen agieren, die keinen Rückschluss auf die Hamas zulassen und verschiedene Moscheen und islamische Zentren nutzen, hieß es im Bericht des Verfassungsschutzes.
Samidoun ist eine Gruppe, die sich selbst als "palästinensisches Gefangenensolidaritätsnetzwerk" bezeichnet. Nach Einschätzung von Verfassungsschützern gehört Samidoun zur radikalen Palästinenserorganisation PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) und ist israelfeindlich. Die PFLP selbst propagiert den bewaffneten Kampf gegen Israel, ist aber im Gegensatz zur Hamas nicht religiös geprägt.
Die Aktivitäten von Samidoun hätten in den vergangenen zwei Jahren in Berlin deutlich zugenommen, sagte der Leiter vom Berliner Verfassungsschutz Michael Fischer. Derzeit gehe der Verfassungsschutz in Berlin von einem "Personenpotenzial im unteren zweistelligen Bereich" aus, fügte er hinzu.
Samidoun hatte beispielsweise schon wenige Stunden nach dem Blutbad in Israel am 7. Oktober für Entrüstung gesorgt, weil Mitglieder des Netzwerks zu Ehren der Hamas Süßigkeiten auf der Sonnenallee im Berliner Bezirk Neukölln verteilten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits kurz nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel Anfang Oktober ein Betätigungsverbot für die beiden Organisationen in Aussicht gestellt. Eine solche Ankündigung im Vorfeld eines Verbots ist sehr ungewöhnlich.
Sendung: rbb24 Abendschau, 02.11.23, 19:30 Uhr
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