Taser und Bodycams: Experten kritisieren Pläne für breiteren Einsatz
Taser könnten potenziell tödlich sein und als "ungefährlicher Ersatz für Schusswaffen" verharmlost werden: Experten haben im Innenausschuss erhebliche Vorbehalte gegenüber den Plänen der schwarz-roten Berliner Koalition geäußert.
Bei einer Anhörung im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses haben am Montag mehrere Experten massive Zweifel an den Plänen der schwarz-roten Koalition angemeldet und sich gegen die geplanten Gesetzesänderungen ausgesprochen. Mit der Novelle soll der Einsatz von Elektroschockern und Bodycams durch die Polizei geregelt sowie der Präventivgewahrsam - Polizeigewahrsam zur Verhütung von Straftaten - ausgeweitet werden.
Thomas Feltes, emeritierter Professor für Kriminologie und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, warnte davor, den Einsatz von Elektro-Schockern auszuweiten. "Der Taser kann töten", sagte Veltes. Es sei gefährlich, den Elektroschocker als "ungefährlichen Ersatz für die Schusswaffe" zu verharmlosen. Gerade bei Einsätzen mit psychisch kranken Menschen sei der Einsatz von Elektroschockern "total kontraproduktiv", so der Jurist. Er verwies darauf, dass es bei Einsätzen mit Tasern sieben Todesfälle gegeben habe.
"Weitreichende Risiken und Nebenwirkungen" befürchtet auch Hartmut Aden, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, wenn die schwarz-rote Koalition das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) wie angestrebt ändere.
Aden nannte den Einsatz von Tasern zwar "grundsätzlich sinnvoll". Es brauche aber sehr präzise Regeln für den Gebrauch. Aden verwies auch auf die praktische Dimension. In der Dynamik eines Einsatzes sei es für die Beamten oft schwer zu erkennen, wann sie tasern dürfen und wann nicht. Skeptisch zeigte sich der Jurist bezüglich der gesetzlichen Verlängerung des Präventivgewahrsams. Derzeit ist das für 48 Stunden möglich.
Die Koalition will erreichen, dass dieses Instrument bis zu fünf Tage angewendet werden kann. Aden verwies auf "weitreichende soziale, auch berufliche Folgen" eines solchen Freiheitsentzugs. Auch Kriminologe Feltes bewertete die Verlängerung des Präventivgewahrsams kritisch und einseitig von aktuellen Debatten getrieben. "Für mich ist das ein Gesetz, das auf Klimakleber abzielt."
Problem: keine "verfassungsrechtliche Absicherung"
Fundamentale Bedenken äußerte in der Anhörung auch die Datenschutzbeauftragte des Landes, Meike Kamp. Sie machte mehrfach deutlich, dass die Ausweitung des Einsatzes von Bodycams für Beamte nach ihrer Auffassung gegen das Grundgesetz verstoße. So soll künftig das sogenannte Pre-Recording ausgeweitet werden. Damit könnten bis zu 60 Sekunden Videomaterial gespeichert werden, noch bevor die Bodycam ausgelöst wird. Das sei nicht verfassungsgemäß und deshalb habe sogar Bayern mit seinen weitreichenden Polizeigesetzen darauf verzichtet.
Kamp bemängelt zudem, dass es an der "verfassungsrechtlichen Absicherung" fehle, wenn Bodycam-Aufnahmen für die Ermittlung von Straftaten verwendet würden. Dafür brauche es eine richterliche Anordnung. Aktuell werden Bodycams zur sogenannten Eigen- und Drittsicherung verwendet, das heißt, Einsätze zu dokumentieren, etwa bei Übergriffen von oder Übergriffen gegen Einsatzkräfte.
In der Novelle geht es um die Frage, ob von diesem Material auch etwas für die Beweissicherung abfallen kann oder ob das nicht der richterlichen Zustimmung bedarf, zum Beispiel, wenn in Wohnungen gefilmt würde: Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist grundgesetzlich geschützt. Das ASOG regelt diesen Fall nicht.
Ehemaliger Polizeibeamter begrüßt Ausweitung
Einzig der ehemalige Polizei-Justitiar und Rechtsanwalt Oliver Tölle lobte die Gesetzesnovelle der schwarz-roten Koalition. Sie sei dem "Grunde nach richtig, aber nicht zureichend, aber ein ganz beachtlicher Schritt".
Der Einsatz von Bodycams und sogenannten Dashcams an Dienstfahrzeugen sei richtig. Nach seiner Einschätzung reiche auch der bisherige Präventivgewahrsam nicht aus. Tölle sprach mit Blick auf das Demonstrationsgeschehen in Berlin von "andauernden Krisenlagen länger als 48 Stunden", weshalb die Verlängerung auf fünf Tage erforderlich sei. Der ehemalige Polizeibeamte begrüßte auch die Ausweitung von Taser-Einsätzen. Dieser sei in vielen Lagen "besser als die Schusswaffe".