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Video: rbb24 Abendschau | 18.12.2023 | L. Schwarzer | Quelle: dpa/Uli Deck

Bundestagswahl 2021

So könnte Karlsruhe über eine Wahlwiederholung in Berlin entscheiden

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verkündet am Dienstag, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Bundestagswahl 2021 in Berlin wiederholt werden muss. Ein Überblick über die möglichen Folgen. Von Thorsten Gabriel

Ein bisschen sei es wie vor Weihnachten, sagt Landeswahlleiter Stephan Bröchler. "Wir wissen, dass es Geschenke geben wird, aber nicht welche." So kann man es natürlich auch sehen: die Entscheidung des obersten deutschen Gerichts als gute Gabe ans Land Berlin. Vielleicht aber passt das überkommene Bild des gefürchteten Weihnachtsmannes, der statt Geschenken die Rute hervorholen könnte, noch ein bisschen besser.

Fest steht: Berlin hat die Wahlen 2021 vergeigt. Das hatte das Berliner Landesverfassungsgericht bereits vor einem Jahr machtvoll für die Abgeordnetenhauswahl festgestellt – mit der bekannten Folge, dass Berlin seit Ende April eine neue Landesregierung hat. Eine solche drastische Konsequenz lässt sich mit Blick auf die am gleichen Tag stattgefundene Bundestagswahl zwar nahezu ausschließen, trotzdem dürfte das erwartete "Geschenk" des Bundesverfassungsgerichts zumindest logistisch für Berlin ein harter Brocken werden.

Folgen die Karlsruher Richterinnen und Richter der Linie des Berliner Verfassungsgerichts?

Was die Abgeordnetenhauswahl angeht, hatten die Berliner Richterinnen und Richter festgestellt, dass die Zahl der Pannen am Wahltag, dem 26. September 2021, so hoch war, dass ein bloßes Nachwählen in einzelnen Stimmbezirken nicht ausgereicht hätte, um den entstandenen Schaden zu heilen. In zu vielen Wahllokalen wurde noch bis weit nach 18 Uhr gewählt, in zu vielen Wahllokalen gab es fehlende oder falsche Stimmzettel.

All diese Fragen spielen auch in Karlsruhe eine Rolle – aber weil Berlin im Bundestag nur ein Bundesland unter vielen ist, stellt sich die Frage nach den Konsequenzen anders. Unterm Strich aber gibt es drei mögliche Szenarien, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden könnte, wobei ein Szenario am unwahrscheinlichsten ist, nämlich dass nicht neu gewählt werden muss in Berlin.

Szenario 1: Eine Teilwiederholung der Bundestagswahl

Eine Wiederholung der Bundestagswahl in allen zwölf Berliner Wahlkreisen, aber dort jeweils nur in einzelnen Wahlbezirken – so sieht es der Beschluss des Bundestags auf Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses vom 7. November vergangenen Jahres vor.

Die Entscheidung war nach langem Ringen zustande gekommen. Die oppositionelle CDU/CSU-Fraktion hatte gegen den Beschluss gestimmt. Sie kritisierte, der Vorschlag der Ampel-Koalition sei weder juristisch noch politisch überzeugend und zog vor das Bundesverfassungsgericht.

Die Frage ist nun, ob das Gericht den Bundestagsbeschluss, wie von der Unionsfraktion gefordert, für rechtswidrig erklärt. Denkbar wäre, dass dieses Begehren zurückwiesen wird. Dann käme es zu einer Wahlwiederholung, wie vom Bundestag beschlossen. Genauso möglich wäre es aber auch, dass das Gericht im Detail Veränderungen vornimmt und beispielsweise die Zahl der Wahlbezirke, in denen erneut gewählt werden muss, verringert oder erhöht.

Bei der mündlichen Verhandlung im Juli habe das Gericht sich nicht in die Karten blicken lassen, wohin es tendiert, sagt der Berliner Landeswahlleiter. "Die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats haben in alle Richtungen gefragt“, erinnert er sich. Käme es zu einer teilweisen Wiederholungswahl, entstünde zwar so etwas wie ein Wahlflickenteppich über die Stadt, trotzdem sagt Bröchler: Dies sei organisatorisch weniger aufwendig als eine Komplettwiederholung.

Bundestagswahl in Berlin

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Seit vielen Monaten herrscht Unklarheit darüber, ob und wenn ja in welchem Umfang die Bundestagswahl von vor zwei Jahren in Berlin wiederholt werden muss. Am Dienstag soll damit Schluss sein. Auch ein möglicher Wahltermin steht schon bereit.

Drastische Folgen für Linke im Bundestag möglich

Dass sich bei einer Teilwiederholung der Wahl an den grundsätzlichen Machtverhältnissen im Bundestag etwas ändert, gilt rechnerisch als quasi ausgeschlossen. Einzelne Direktkandidatinnen oder -kandidaten, die 2021 gewählt wurden und sich nun erneut der Wahl stellen müssten, könnten aber ihr Mandat verlieren. Verlierer von 2021 könnten dagegen doch noch einen Sitz im Bundestag ergattern. Weil aber die Sitzverteilung nach einer Wahlwiederholung für den gesamten Bundestag neu berechnet werden muss, kann es auch passieren, dass für ausscheidende Berliner Abgeordnete Kandidaten aus anderen Bundesländern nachrücken.

Drastische Folgen könnte eine Wahlwiederholung aber vor allem für die Linke im Bundestag haben. Sie hat nach dem Austritt von Sahra Wagenknecht und ihrer Sympathisanten bereits ihren Fraktionsstatus aufgeben müssen. Sollte sie jetzt auch nur eines ihrer zwei Direktmandate in Berlin verlieren, hieße das in der gesetzlich geregelten Konsequenz, dass sämtliche über Listen gewählte Linken-Abgeordneten ihre Sitze im Bundestag räumen müssten. Auch Wagenknecht und ihre Anhängerinnen und Anhänger wären dann ihre Mandate los. Aus Berlin sind derzeit Gesine Lötzsch und Gregor Gysi direkt gewählt. Ein drittes Direktmandat errang 2021 Sören Pellmann aus Leipzig.

Szenario 2: Die Komplettwiederholung der Bundestagswahl in Berlin

Folgt das Gericht der Ansicht der Unionsfraktion, würde es – zumindest bei den Zweitstimmen – zu einer vollständigen Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin kommen. Aber auch hier sagt Bröchler: "An den politischen Machtverhältnissen in Berlin, der Ampelregierung, wird sich höchstwahrscheinlich nichts ändern, davon können wir ausgehen." Deutlich wird das auch, wenn man sich die Zahl der Berliner Mandate insgesamt anschaut: Derzeit kommen nur 29 der 736 Abgeordneten aus Berlin.

Bei einer Komplettwiederholung könnte es allerdings auch dazu kommen, dass Berlin insgesamt Sitze verliert. Das hängt maßgeblich mit der Höhe der Wahlbeteiligung zusammen. Man könne zwar keine Schwellenwerte benennen, bei deren Unterschreitung Berlin Sitze an andere Bundesländer abgeben müsste, sagt Bröchler, aber "das Gesamtergebnis der Bundestagswahl von 2021 muss durch die Wiederholungswahl für das gesamte Bundesgebiet neu festgestellt werden." Anders gesagt: Die komplette Sitzverteilung wird neu berechnet.

Dass die Wahlbeteiligung bei einer Wiederholungswahl – ob nun teilweise oder komplett – eher gering ausfallen könnte, ist nicht unwahrscheinlich. Denn nach der Entscheidungsverkündung am Dienstag hat Berlin genau 60 Tage Zeit, die Wahl zu wiederholen. Der spätestmögliche und damit auch wahrscheinliche Termin wäre der 11. Februar 2024 – der letzte Tag der Berliner Winterferien. "Wir müssen aufpassen, dass genug Berlinerinnen und Berliner tatsächlich zur Wahl gehen", zeigt sich Bröchler besorgt.

Vor Urteil des Bundesverfassungsgerichtes

Landeswahlleiter: Berlin kann Bundestagswahl auch teilweise wiederholen

Mit Spannung wird in Berlin auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur möglichen Wiederholung der Bundestagswahl gewartet. Nun hat die Landeswahlleitung gegenüber dem Gericht grundsätzlich bejaht, eine Wahlwiederholung durchführen zu können.

Szenario 3: Alles bleibt, wie es ist – keine Wahlwiederholung

In den Zentralen der Berliner Parteien hält sich die Lust auf eine Wahlwiederholung deutlich in Grenzen. Jeder Wahlkampf kostet nicht nur Geld, sondern auch Kraft. Schon die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im Februar dieses Jahres hat viele Ehrenamtliche in den Parteien an ihre Belastungsgrenzen gebracht.

Vor allem kommt hier dazu: Der Wahlkampf müsste binnen kürzester Zeit vorbereitet werden, über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel, damit im Januar eilig Plakate geklebt werden können. Die Verwaltung von Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) schrieb bereits Mitte Oktober einen Bittbrief an alle bezirklichen Straßen- und Grünflächenämter.

In dem Schreiben, das dem rbb vorliegt, bittet die Senatsverwaltung, die Aufstellung und Aufhängung von Wahlplakaten unbürokratisch zu genehmigen, auf der Basis eingereichter Unterlagen von 2021. Normalerweise nämlich, sagen erfahrene Wahlkämpfer in den Parteien, dauerten solche Genehmigungen gerne mal ein Vierteljahr – dann kämen sie für diesen Wahlkampf zu spät.

Auch deshalb hoffen manche darauf, dass das Gericht es nicht zu einer kompletten oder teilweisen Wahlwiederholung kommen lässt. Denkbar wäre ja auch, dass das Gericht den Beschluss für rechtswidrig erklärt und ihn zur Nachbesserung an den Bundestag zurückverweist. Doch das wird im Umfeld des Bundesverfassungsgerichts eher für unwahrscheinlich gehalten.

Auch Landeswahlleiter Stephan Bröchler macht sich da keine Hoffnungen. "Wenn das Ganze zur Entscheidung an den Deutschen Bundestag zurückgespielt würde, würde das bedeuten, dass sich der Entscheidungszeitraum, ob es doch noch zu einer Wiederholung kommt, noch mal weiter nach hinten verschiebt. Wir haben 2025 die nächsten regulären Bundestagswahlen, das heißt, wir kämen immer näher an den regulären Wahltermin heran. Deshalb halte ich persönlich das für eine unwahrscheinliche Variante."

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.12.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Thorsten Gabriel

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