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Video: rbb24 Abendschau | 01.02.2024 | Quelle: imago images/Schoening

Neue Parkzonen

Von "Wunderbar" bis "Macke" - Neukölln will Geld für Parkplätze

In zwei Zonen wird Parken in Berlin-Neukölln kostenpflichtig. Anwohner brauchen künftig eine Vignette. Wie finden das die Betroffenen? Und was sagen Berliner in den Ecken der Stadt, die schon länger fürs Parken zahlen? Von Anna Corves und Christina Rubarth

Am Reuterplatz im Norden Neuköllns ist zur Mittagszeit jeder Parkplatz belegt. Autos parken in zweiter Reihe oder komplett wild direkt an Kreuzungen. Yüksel Ay wundert das nicht. Er wohnt hier. "Wenn ich abends hierherkomme, brauche ich bis zu 30, 40 Minuten, bis ich einen Parkplatz finde", erzählt Ay.

Yüksel Ay | | Quelle: rbb

Er hofft, dass das künftig besser wird - zumindest tagsüber. Denn ab jetzt gilt von Montag bis Freitag zwischen 9 und 20 Uhr: Wer im Reuterkiez zwischen Sonnenallee, Maybachufer, Pannierstraße und Kottbusser Damm sowie im Flughafen- und Donaukiez östlich vom Tempelhofer Feld parken will, muss zahlen. Für Besucher sind es 75 Cent pro Viertelstunde, also drei Euro pro volle Stunde. Anwohner, die beim Bezirk eine Parkvignette beantragt haben, parken für insgesamt 20,40 Euro - für zwei Jahre. Das ist nicht viel.

Berlin

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Bezirk übt Selbstkritik

Trotzdem ist Ralf Heinemann, der direkt am Reuterplatz wohnt, sauer. Erstens seien seine Frau und er vom Bezirk nicht informiert worden. Zweitens findet er Parkgebühren grundsätzlich eine "Unverschämtheit", sagt er. "Wenn wir jetzt auf einmal etwas dafür zahlen müssen, dass wir hier leben und Autos haben, dann müsste uns was von Wert zurückgegeben werden." Das sieht er aber nicht. Denn er glaubt nicht, dass wegen der Parkgebühren weniger Autos kommen.

Der Bezirk sagt selbstkritisch, die Bürger seien "nicht hinreichend informiert" worden. Woran das liegt, verstehen sie selbst nicht, erklärt Pressesprecher Christian Berg dem rbb. Sie hatten im Reuterkiez Infoflyer über die Deutsche Post verteilen lassen, in der anderen Parkzone händisch über Zusteller. Aus beiden Bereichen gab es aber Beschwerden, dass Leute die Informationen nicht erhalten hatten.

Gleichzeitig sind nach der Verteilung der Flyer aber auch die Antragszahlen online hoch gegangen, so Berg weiter. Nach welchen Kriterien also Flyer im Briefkasten gelandet sind oder nicht, könne der Bezirk nicht nachvollziehen. "Das ist für die Bürger, aber auch für uns wirklich ärgerlich."

Ralf Heinemann | Bild: rbb | Quelle: rbb

Parkzone trifft auf Kiezblock

Melanie Marquardt hofft, dass der Autoverkehr im Kiez künftig abnimmt. Sie schiebt ihr Fahrrad die Weserstraße entlang, beißt dabei in ihre Mittagsstulle. "Vielleicht machen sich die Leute dann mehr Gedanken darüber, ob sie ihr Auto in der Stadt wirklich noch nutzen und das Sinn macht", sagt sie. Weniger Autos, das würde mehr Platz bedeuten für Außensitze für Restaurants, Plätze, um sich zu treffen und für "andere schöne Dinge".

David Regehr, der am Reuterplatz ein italienisches Restaurant betreibt, denkt ähnlich: "Die jungen Leute hier fahren eh Fahrrad. Klar braucht es Autos: Lieferwagen, Krankenwagen, Busse. Aber ob man private Autos in der Stadt noch lange braucht?" Er glaubt nicht daran.

Um den Autoverkehr, den Lärm sowie die Abgase zu reduzieren, hat der Bezirk Neukölln nicht nur die Parkraumbewirtschaftung eingeführt, sondern kürzlich auch Kiezblocks. Poller und Barrieren erschweren die Durchfahrt, es gibt jetzt mehr Einbahnstraßen. Eine Autofahrerin, die gerade an einer Absperrung gestrandet ist, fährt sich mit flacher Hand wie ein Scheibenwischer vor dem wütenden Gesicht hin und her: "Die haben doch ne Macke! Die wollen alle auf die Hauptstraßen führen, und da ist das große Chaos. Da kriegt man so ne Krawatte!" Auch das mit den Parkzonen werde nicht funktionieren. Die Leute fahren Auto, Punkt - so ihre Haltung.

Melanie Marquardt | Quelle: rbb

Zunächst Info-Postkarten statt Bußgelder

Sei es wegen der Informationslücken oder schlicht später Antragsstellung: Noch haben nicht alle Anwohner ihre Parkvignette erhalten. Das ist aber in den nächsten Tagen noch kein Grund zur Sorge: Wer noch keine Anwohnervignette erhalten hat, könne auch erstmal den Nachweis, den Antrag gestellt zu haben, hinter die Windschutzscheibe legen, sagt Bezirkssprecher Christian Berg. Auch generell wird das Ordnungsamt noch nicht gleich ahnden: "Zwar wird es Kontrollen geben, wir werden aber noch keine Bußgelder verhängen, wenn ein Auto ohne Parkschein ist, sondern stattdessen Info-Postkarten an die Autos stecken, die auf die neue Parkzone hinweisen", beruhigt Berg.

Gerade jetzt erhalte der Bezirk massenhaft neue Anträge für Vignetten. Laut Berg liegt die Bearbeitungszeit aktuell bei vier bis fünf Tagen. Die Anträge würden "mit Hochdruck bearbeitet". Es wurde Personal aus anderen Bereichen extra zusätzlich dafür abgestellt.

Im Mai soll die nächste Parkzone eingerichtet werden, dann im Weserkiez. Berg zufolge werden sie dann auf persönlich adressierte Info-Post zurückgreifen, damit die Information verlässlicher ankomme.

Charlottenburg-Wilmersdorf könnte Vorbild sein

In Charlottenburg-Wilmersdorf kostet Parken vielerorts schon länger Geld. Im letzten Sommer wurden die Preise sogar noch angezogen - auf bis zu vier Euro pro Stunde. Gleichzeitig wurde die Parkraumbewirtschaftung unter anderem auf die Gegend um den Prager Platz ausgeweitet. Obwohl eine Bürgerinitiative noch versucht hatte, das mit einem Bürgerbegehren zu verhindern.

Achim Ruppel ist die Stimme der Bürgerinitiative Gervinusstraße. Er sagt: "Wir alle haben die Straßen mitbezahlt. Und die Autofahrer zahlen eh schon Steuern und Benzin." Das stehe in keinem Verhältnis, beklagt er. Gemeinsam mit FDP-Politikern hatte Ruppel Stimmen für ein Bürgerbegehren gesammelt, das einem Bürgerentscheid den Weg bereiten sollte. Das Wahlamt hatte viele Stimmen nicht anerkannt und mitgeteilt, das nötige Quorum sei nicht erreicht worden. Bürgerinitiative und FDP beanstanden die Auszählung und haben Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Eine Entscheidung steht noch aus.

Beschwerden beim Bezirk nehmen dank Parkzone ab

Sollten die Kläger recht bekommen und das Bürgerbegehren ausreichend Stimmen erzielt haben, dann dürften bis zur endgültigen Entscheidung über die Parkraumbewirtschaftung im Bezirk keine neuen Zonen eingerichtet werden, teilte Bezirksstadtrat Oliver Schruoffenegger auf rbb-Anfrage mit. Die nächste Ausweitung ist eigentlich für den 1. Dezember geplant.

Schruoffeneggers erste Zwischenbilanz zur neuen Parkzone am Prager Platz fällt positiv aus: Vor der Einführung habe es gelegentlich Beschwerden von Anwohnenden über dauerparkende Fahrzeuge oder über Schwierigkeiten, Parkplätze zu finden, gegeben. "Derartige Beschwerden hat das Ordnungsamt seitdem nicht mehr erhalten", sagt der Bezirksstadtrat.

Mehtap Yigit | Quelle: rbb

Einige sind verärgert, andere freuen sich

Und was sagen die Betroffenen? Zwei Euro pro Stunde kostet Parken am Prager Platz für Nicht-Anwohnende derzeit. Das tue finanziell schon weh, findet Angelina Ferrera, die hier mehrfach pro Woche ihre Schwiegereltern besucht. Sie nimmt jetzt öfter den Bus und die Bahn, was dem gewünschten politischen Effekt entspricht. "Die Idee dahinter ist ja verständlich, dass man den CO2-Ausstoß verringern will und so. Aber ärgerlich ist es dann schon, wenn die Busse Verspätung haben oder überfüllt sind. Ich muss aber auch ehrlicherweise gestehen, dass ich immer Autofahrerin war, seit ich den Führerschein habe", so Ferrera.

Wenig begeistert von den Parkgebühren ist auch Mehtap Yigit, die hier in einem Café arbeitet. "Es kommen weniger Leute und die Gäste bleiben nicht mehr so lange bei uns sitzen wie früher", sagt sie. Ganz anders sind dagegen die Erfahrungen von Leni Varela, die um die Ecke ein Waxing Studio betreibt. Ihre Terminkunden seien nun zufriedener: "Die sagen, dass es jetzt wesentlich einfacher sei, einen Parkplatz bei mir zu bekommen. Und tatsächlich kommen sie seitdem pünktlich", sagt sie. "Ich finde das toll."

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.02.2024, 9 Uhr

Beitrag von Anna Corves und Christina Rubarth

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