Regierender Bürgermeister und Bildungssenatorin
Erst haben sie geschwiegen. Dann haben sich Kai Wegner und Katharina Günther-Wünsch erklärt. Der Regierende Bürgermeister und die Bildungssenatorin sind ein Paar. Der Beziehungsstatus ist damit geklärt, doch die Probleme fangen nun erst richtig an. Von Jan Menzel
Dass Totschweigen und Aussitzen keine Option ist, dürfte dem Regierenden Bürgermeister klar geworden sein, wenn er morgens die Zeitung aufgeschlagen oder das Radio angeschaltet hat. Natürlich haben auch Politiker ein Recht auf Privatsphäre. Angehörige, gerade Kinder, dürfen nicht ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Das Private wird aber umgehend politisch, wenn es zwei Mitglieder ein- und derselben Regierung betrifft.
Dass Kai Wegner und Katharina Günther-Wünsch ein Paar sind, hatte sich zum Jahresanfang als Politikum aufgebaut, nachdem die Zeitung B.Z. als erste darüber berichtet hatte. Aus den Gerüchten wurde in kürzester Zeit ein offenes Geheimnis und die beiden CDU-Politiker immer mehr zu Getriebenen. Mit ihrer Erklärung, verbreitet über einen Rechtsanwalt, haben sie mit Verspätung lediglich offiziell gemacht, was das politische Berlin bereits wusste.
Ein echter Befreiungsschlag ist das späte Eingeständnis für Wegner und Günther-Wünsch daher nicht. Denn nach wie vor bleiben zentrale Fragen unbeantwortet. Beide Politiker stehen jetzt erst recht unter verschärfter Beobachtung. Und viel wird davon abhängen, ob ihre Angaben Bestand haben. Laut Anwalt Christian Schertz haben Wegner und Günther-Wünsch "entschieden", im Herbst 2023 eine Beziehung einzugehen.
Diese ungewöhnliche Formulierung lässt durchaus die Vermutung zu, dass da vorher schon etwas war, zwischen dem Regierenden Bürgermeister und CDU-Landeschef und der Bildungssenatorin und CDU-Abgeordneten. Wofür im Übrigen auch die Lebenserfahrung sprechen würde. In Oppositions- und Koalitionskreisen wird dabei immer wieder auf den 27. April 2023 verwiesen. An diesem Tag hat Kai Wegner seine Senatorinnen und Senatoren ernannt.
Hätte die Liaison zu diesem Zeitpunkt schon bestanden, wäre aus der Geliebten eine Senatorin geworden. Unabhängig von der unbestrittenen fachlichen Kompetenz der langjährigen Lehrerin Günther-Wünsch, hätte das mehr als nur ein Geschmäckle. Für die gemeinsame politische Zukunft des Paares ist das die Achillesferse: Sollten sich Widersprüche auftun, wären Konsequenzen unausweichlich.
Belege dafür, dass Wegner und Günther-Wünsch schon länger zusammen sind, gibt es keine. Überhaupt dürfte die "Beweisführung", wann zwei Menschen sich näher gekommen sind, schwierig werden. Zumindest in der CDU wollen einige aber schon deutlich früher als im Herbst 2023 etwas bemerkt haben. Und wie in anderen Parteien auch, hat Parteichef Wegner in den eigenen Reihen nicht nur beste Freunde, die mit Wohlwollen auf das Paar blicken.
Ein "Stresstest" mit noch nicht absehbaren Folgen steht der ungewöhnlichen Beziehung auch in der täglichen Arbeit im Senat bevor. Die Grünen haben als erste öffentlich darauf hingewiesen, welche Interessenkonflikte drohen, wenn Senatsmitglieder unterschiedliche Positionen haben. Schlägt sich der Regierende Bürgermeister dann womöglich auf die Seite der Bildungssenatorin? Oder muss er sie umgekehrt im Regen stehen lassen, um nicht einmal den Anschein zu erwecken, hier könnten Entscheidungen durch persönliche Nähe beeinflusst sein.
Auch beim Koalitionspartner SPD sind das längst keine theoretischen Gedankenspiele mehr. Dort fragt man sich etwa, wie die anstehenden Sparrunden in allen Senatsverwaltungen professionell über die Bühne gebracht werden können. Immerhin geht es um fast vier Milliarden im laufenden Doppelhaushalt, die quer über alle Ressorts zusammengekürzt werden müssen. Vor diesem Hintergrund hilft es hilft es wenig, wenn Anwalt Schertz und CDU-Fraktionschef Dirk Stettner unisono Optimismus verbreiten, dass die Trennung von Politischem und Privaten im Senat schon klappen werde.
Wegner und Günther-Wünsch können sich zwar darauf berufen, dass sie rein rechtlich auf der sicheren Seite sind. Es gibt weder in der Landesverfassung noch in der Geschäftsordnung des Senats einen Passus, der ihrer Beziehung entgegensteht. In großen Unternehmen, auch Berliner Landesbetrieben, und Behörden liegen die Dinge aber anders. Hier greifen Regelungen, die Beziehungen zwischen Vorgesetzen und Mitarbeitern unterbinden.
Als Regierender Bürgermeister ist Wegner zwar nicht im klassischen Sinne Vorgesetzter seiner Senatorinnen und Senatoren. Er ernennt diese aber und kann sie auch entlassen. Ein Abhängigkeitsverhältnis ist also gegeben. Darüber hinaus bleibt die Frage, warum im Senat andere Maßstäbe gelten sollten als in Wirtschaft und Verwaltung. Wegner und Günther-Wunsch werden begründen müssen, warum der Vorwurf eines doppelten Standards in ihrem Fall nicht zutrifft.
Diese Schwierigkeiten vor Augen haben Politiker und Politikerinnen in der Vergangenheit anders entschieden – mit beruflichen Folgen für einen der Partner. So war es bei den Berliner Grünen unstrittig, dass während der Amtszeit von Dirk Behrendt als Justizsenator sein Partner Daniel Wesener nicht in die erste Reihe aufrücken kann. Als Wesener danach Finanzsenator wurde, musste Behrendt einen Karriereschritt zurück.
Das prominenteste Bespiel für eine klare Trennung von Politischem und Privatem sind Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Frau Britta Ernst. Als er noch Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg war, ging die profilierte Bildungspolitikerin nach Schleswig-Holstein und wurde dort Ministerin. Später übernahm sie für mehrere Jahre das Bildungsressort in Brandenburg.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.01.2024, 21:00 Uhr
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Beitrag von Jan Menzel
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