Brandenburg
Die AfD-Fraktion hat in der ersten Landtagssitzung des Jahres eine härtere Abschiebepraxis gefordert. Die andere Parteien sahen darin den Versuch, das Rechtsextremisten-Treffen in Potsdam zu Deportationen zu verharmlosen. Von Nico Hecht
Als die AfD-Abgeordnete Lena Kotré am Mittwoch im Potsdamer Landtag ans Rednerpult tritt, stehen alle Abgeordneten der Fraktion der Linkspartei auf und drehen ihr den Rücken zu. Sie streifen sich eine rote Warnweste über. Darauf der Aufruf "Nie wieder ist jetzt!"
So protestiert die Linke-Fraktion gegen die AfD auf der ersten Landtagssitzung in 2024 und nach den Enthüllungen der Rechercheplattform Correctiv über das Treffen von Rechtsextremen in Potsdam. Dabei soll es um einen "Masterplan" gegangen sein, von der Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland war die Rede. Auch AfD-Parteimitglieder haben daran teilgenommen.
Seitdem sind deutschlandweit Hunderttausende auf die Straße gegangen, um für Demokratie, gegen Rechtsextreme und die AfD zu demonstrieren. Für Kotré ist das ein Ergebnis einer Schmutzkampagne gegen ihre Partei, angeführt vom "linksradikalen Rechercheteam Correctiv".
Kotré machte sich lustig darüber, dass das Treffen in Potsdam und sein Thema geheim gewesen sein sollen. Es sei eher offensichtlich, dass es eine "Remigrations-Offensive" brauche. So war auch der Antrag der Rechtsaußen-Fraktion überschrieben: "Remigrationsoffensive jetzt!" Kotré forderte von der Landesregierung, Ausreisepflichtige abzuschieben und Einbürgerungen teilweise zurückzunehmen.
Anders als im Berliner Abgeordnetenhaus haben die Fraktionen in Potsdam auf der ersten Sitzung nach den Enthüllungen nicht den Saal verlassen. Und das sei gut, sagte Matthias Stefke von BVB/Freie Wähler. Die AfD könne sich so nicht wieder als missachtetes Opfer präsentieren. Stattdessen sei der Partei "Widerspruch aus allen Rohren" entgegengeschlagen.
Kurz nach den Enthüllungen des Correctiv – Rechercheteams hatte die AfD eine Debatte im Landtag beantragt, um eine härtere Gangart in der Migrationspolitik zu fordern. Sie forderte in ihrem Antrag eine konsequente Abschiebung aller ausreisepflichtigen Ausländer. Darin hieß es, "der deutschen Bevölkerung" sei nicht vermittelbar, warum solche Menschen trotz finaler Ablehnung in Deutschland bleiben könnten.
Die Abgeordneten der anderen Fraktionen aber kritisierten parteiübergreifend, es gehe der AfD nur vordergründig darum, dass Rückführungen von abgelehnten Asylantragstellern besser funktionieren. Der Antrag sei deutlich eher der Versuch, den zum "Unwort des Jahres" gewählten Begriff "Remigration" salonfähig zu machen. Ludwig Scheetz von der SPD erklärte, dass diese provokative Strategie aber auch offenbare, wie nervös die AfD-Mitglieder nach den Debatten und Demonstrationen der letzten Tage seien.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte, die AfD meine mit dem Begriff "Remigration", dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen solle, zur Not auch unter Zwang. Dem Vorwurf, die Demonstrationen der letzten Tage seien Ergebnis einer Kampagne, hielt Woidke entgegen, dass die Menschen offenbar vielmehr "die Nase voll hätten, von Rechtsextremisten und Rassisten, die immer offener und immer dreister agieren." Die Menschen hätten für die Demokratie demonstriert. Es sei nun wichtig, dass aus dieser bisher leisen Mehrheit eine laute werde.
Innenminister Michael Stübgen (CDU) war noch schärfer in seiner Kritik. Er nannte das "Remigrations"-Konzept rassistisch und faschistoid. Es bedeute nichts anderes als Deportation. "Sie wollen den totalen Unrechtsstaat, der willkürlich millionenfach deportiert und ausbürgert", sagte Stübgen.
Die Debatte war so hitzig wie selten, mit vielen gegenseitigen Attacken. Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) ermahnte oft und verteilte mehrere Ordnungsrufe. Vorhersehbar, so das Fazit der CDU-Abgeordneten Barbara Richstein. Die AfD hätte die Entrüstung der anderen Fraktionen absichtlich provoziert. Das sei Strategie. Denn Lösungen habe die Partei auch bei ihrem Kernthema Migration nicht zu bieten. Vielmehr verhindere die AfD mit ihrer Politik sogar, dass weniger Menschen nach Europa und Deutschland flüchten.
Wer das verhindern wolle, müsse Fluchtursachen anerkennen und bekämpfen. Das fange bei Entwicklungspolitik an, die etwa für Bildung von Frauen in Entwicklungsländern sorgen soll. Wer das wie die AfD ablehne, dürfe sich nicht wundern, dass Menschen aus ökonomischen Gründen nach Europa und Deutschland flüchteten. Die AfD "rede am meisten um den heißen Brei", wenn es um Krieg als Fluchtursache gehe. Richstein verwies dabei besonders auf das Verhältnis der Partei zu Russland.
Putin habe die Ukraine überfallen, habe das Assad-Regime in Syrien mit Waffen unterstützt. Russlands Verbündete im Iran unterstützten die Hamas und befeuerten damit den Gaza-Konflikt, sagte Richstein weiter. Trotzdem hätte sich der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla 2020 noch vom russischen Außenminister "hofieren" lassen. "Wer aber weniger Flüchtlinge in Brandenburg haben will, muss erstmal die Reisebüros in Moskau mit ihren Filialen in Minsk und Teheran endlich dichtmachen!", sagte Richstein.
Übernimmt die AfD also wirklich Verantwortung fürs eigene Land, wenn sie Migration zum Problemthema macht und konsequentere Abschiebungen fordert? Das Fazit der CDU-Abgeordneten: Fehlanzeige.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 24.01.2024, 19:30 Uhr
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