Fragen und Antworten
Trotz der Zugeständnisse der Ampel machen die Bauern ernst: In Brandenburg und Berlin wollen Tausende mit ihren Traktoren den Verkehr massiv beeinträchtigen. Warum die Wut groß ist und wo mit Staus gerechnet werden muss, fasst Efthymis Angeloudis zusammen.
Seit Wochen schon protestieren Bauern gegen die Pläne der Bundesregierung, Subventionen in der Landwirtschaft zu streichen. Das ursprüngliche Vorhaben der Regierung: Die Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft sollte gestrichen werden, ebenso die Steuerbegünstigung bei Agrardiesel.
Am Montag wollen die Landwirte nun den Druck erhöhen: Ab dem 8. Januar hat der Deutsche Bauernverband eine ganze Aktionswoche angekündigt. In Brandenburg sollen vielerorts Straßen und Autobahnen blockiert werden – auch nachdem die Bundesregierung ihren Forderungen teilweise nachgegeben hat.
Auf die Abschaffung der Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft werde verzichtet, um den "zum Teil erheblichen bürokratischen Aufwand" für die betroffenen Unternehmen zu vermeiden, teilte die Bundesregierung am Donnerstag mit. Bei der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll eine schrittweise Reduzierung erfolgen, um den betroffenen Unternehmen mehr Zeit zur Anpassung zu geben.
Der Brandenburger Bauernpräsident Henrik Wendorff lehnte den Vorstoß der Bundesregierung ab. "Beides muss weg", sagte Wendorff dem rbb. Allein die Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft sei nicht ausreichend. Auch die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel müsse rückgängig gemacht werden. "Da werden wir nicht kompromissbereit sein." Wendorff bezeichnete den jetzigen Schritt der Bundesregierung als "faules Ei".
Noch immer seien Subventionskürzungen nicht vom Tisch. Er vermute, dass bei kleineren Betrieben mehr gekürzt werde als bei größeren, sagte Wendorff. "Das werden wir so nicht akzeptieren und da bleiben wir auch hart."
Auch der Vorsitzende des Bauernverbandes Havelland, Dirk Peters, möchte keine Kompromisse eingehen, wie er rbb|24 sagte. "Ich habe die Befürchtung, dass man versucht uns gegeneinander auszuspielen, groß gegen klein." Für Havelländer Agrarwirte bedeuteten die Kürzungen, dass sie rund 5 Millionen Euro zusätzlich erwirtschaften müssten. "Bei mir im Betrieb sind das zwei Monatslöhne, die wegfallen, die aber bereits einkalkuliert sind", so Peters.
Mit Traktoren wollen Landwirte etwa im Nordwesten Brandenburgs Auffahrten zur Autobahn 24, die Hamburg mit Berlin verbindet, ab Montagmorgen blockieren. Beispielsweise bei Suckow und Pritzwalk im Kreis Prignitz und bei Wittstock, Herzsprung und Neuruppin im Kreis Ostprignitz-Neuruppin kündigten die Kreisbauernverbände Blockaden an. Auch die Auffahrt zur A14 bei Karstädt (Prignitz) soll demnach blockiert werden.
In der Uckermark sollen sieben Autobahn-Auffahrten blockiert werden. Betroffen sind unter anderem Prenzlau-Ost und -Süd an der A20 sowie die Anschlussstellen Schmölln, Gramzow und Pfingstberg. Außerdem wollen die Bauern die B166 bei Zichow als Zubringer zum Kreuz Uckermark versperren. Auch ein Mahnfeuer soll an der B5 zwischen Perleberg und Quitzow (Kreis Prignitz) brennen. Protestaktionen sind laut Landesbauernverband auch an Supermärkten und Tankstellen vorgesehen.
In Ostbrandenburg werden die Auffahrten zur A11 und A12 sowie mehrere Bundesstraßen zumindest vorübergehend dicht sein. Außerdem sind Traktorenkorsos durch mehrere Orte geplant. Rettungskräfte und Schulbusse würden aber durchgelassen, so der Landesbauernverband. Und auf der Bundesstraße 87 von Beeskow und rund um die Kreisstadt sind Blockaden angekündigt.
Erste Schulen haben sich an die Eltern gewandt und vor Problemen im Schülerverkehr gewarnt. Von einer Dorfschule heißt es: "Lassen Sie sie [Ihr Kind Anmerk. d. Red.] vorsichtshalber NICHT in einen Bus steigen (falls diese fahren)! Auch müssen Sie Sorge tragen, dass Ihr Kind dann wieder aus der Schule abgeholt werden kann." Die Schule rät den Eltern deshalb, kleine Dorfstraßen zu nutzen. Alternativ dürfen Kinder auch zu Hause bleiben und werden mit Aufgaben für das Home-Schooling versorgt.
Das Ziel der Protestwoche sei es, mit Korsos und Mahnwachen auf die Abhängigkeit von Fahrzeugen aufmerksam zu machen, teilte der Landesbauernverband Brandenburg am Donnerstag mit. Denn Alternativen zum Verbrenner gebe es derzeit nicht. "Für unseren Protest werden wir den rechtlichen Rahmen jedoch nicht verlassen. Auch ungeschriebene rote Linien dürfen nicht überschritten werden." Der Landesverband vertraue auf die Besonnenheit und Verantwortung der Landwirte und fordere zu einem zivilisierten Protest auf.
So hat sich auch der Deutsche Bauernverband von der Blockade-Aktion norddeutscher Landwirte gegen Bundeswirtschaftsminister Habeck [tagesschau.de] distanziert. Der Präsident des Bauernverbands, Ruckwied, sagte, Blockaden dieser Art seien ein "No-Go". Man wahre die demokratischen Gepflogenheiten, hieß es in einer Pressemitteilung. Ähnlich äußerte sich Bauernverband-Generalsekretär Krüsken. Er sprach im WDR von einer Grenzüberschreitung und von einer Verletzung der Privatsphäre. Krüsken wandte er sich gegen Gewalt und Nötigung.
Die Aufrufe anderer landwirtschaftlicher Gruppen und Verbände sind zum Teil radikaler als jene des Bauernverbandes. So schreiben die "Freien Bauern" auf ihrer Website: "Wir lassen uns von niemandem vorschreiben, wie wir protestieren und mit wem." Rufen aber auch zu "nachdrücklichen Protestaktionen unter Beachtung der Gesetze und im friedlichen Umgang miteinander“ auf: "Wir sehen niemanden, auch nicht Politiker, Polizisten oder Ordnungsbehörden, als unsere Gegner an."
Die Stimmung unter den Landwirten sei unheimlich aufgeheizt, sagte Landwirt Dirk Peters im Gespräch mit rbb|24. "Die Ankündigung der Streichung der KFZ-Befreiung und der Begünstigung von Agrar-Diesel ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt." Bauern kämpften schon seit Jahren mit zunehmenden Problemen, ob hohe Produktionskosten oder das Verbot von Düngermitteln. "Diese Streichung gibt uns jetzt den Rest."
Und das spüre man auch unter den Landwirten. "Das habe ich so noch nie erlebt. So aufgeheizt, mit Aggression oder Resignation, das ist alles dabei", sagte Peters.
Die AfD und verschiedene rechtsextreme Kreise rufen zur Teilnahme an den Bauernprotesten auf. Teilweise ist dabei von einem "Generalstreik" die Rede, der am Montag stattfinden solle. Der Deutsche Bauernverband distanziert sich bei seiner Mobilisierung "aufs Schärfste von Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen und Spinnern, die unseren Protest für ihre Anliegen vereinnahmen wollen".
Dirk Peters vom Bauernverband Havelland spricht von einer großen Gefahr, dass radikale Gruppen auf den Protest mit aufspringen könnten. "Da müssen wir wirklich aufpassen, und mit Gesprächen aufklären. Vor allem unsere Jungspunde sin anfällig für so etwas. Dagegen können wir nur reden, reden, reden." Der Bauernverband im Havelland starte seine Protestwoche deswegen mit Informationsveranstaltungen, um "den normalen Leuten unsere Forderungen zu erklären."
Neben den Landwirten will sich auch das Speditionsgewerbe an den Protesten beteiligen. Hier ärgert man sich über die von der Ampelregierung beschlossene Erhöhung der Lkw-Maut. Außerdem werden Entlastungen beim Diesel-Kraftstoff und mehr Geld für Straßen, Brücken und Parkplätze gefordert.
Aber auch die Handwerker wollen zum Beispiel in Frankfurt (Oder) Straßen blockieren und Corsos fahren. Zeiten sind dort aber zum Teil noch nicht bekannt.
Sendung: rbb24 Abendschau, 05.01.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Efthymis Angeloudis
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