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Audio: rbb24 Inforadio | 04.01.2024 | Karsten Zummack | Quelle: imago images/D.Lakomski

"Probleme, die sich andere wünschen"

Oranienburg will 50.000er-Marke knacken

Neue Kitas, neue Schulen, ganz neue Wohngebiete: Der Berliner Speckgürtel wächst und wächst. Davon profitiert auch Oranienburg in Oberhavel. Brandenburgs fünftgrößte Stadt will in diesem Jahr die 50.000-Einwohner-Marke knacken. Von Karsten Zummack

Als Rentnerin hat Kornelia Hartdorf tatsächlich noch mal Koffer und Umzugskartons gepackt. Ende 2022 hat die 70-Jährige ihrer Wahlheimat Dresden den Rücken gekehrt und ist in die Kreisstadt von Oberhavel gezogen. Jetzt sind die Kinder aus dem Haus, die Schwester lebt ganz in der Nähe. Das sprach für Oranienburg.

Zwei Zimmer, Küche, Bad, Balkon

Von den Besuchen her kannte Kornelia Hartdorf die Region schon ganz gut. "Wir sind gelaufen und Rad gefahren. Gerade die Gewässer hier ringsherum finde ich schön", erklärt die Rentnerin. Sie hat in einer Neubausiedlung zwei Zimmer mit Küche, Bad und Balkon angemietet. Das neue Zuhause liegt in der sogenannten "Weißen Stadt".

In den 1930er-Jahren hatten die Heinkel-Werke Oranienburg, eines der damals größten deutschen Flugzeugbauunternehmen, hier eine Werkssiedlung für ihre Mitarbeiter gebaut. Später wurden die Gebäude Teil einer Kaserne der Roten Armee. Aufgrund der weißen Häuserfassaden wurde der Ortsteil "Weiße Stadt" genannt. Das hat sich bis heute gehalten. Zu den alten sanierten Gebäuden kommen nach und nach Neubauten hinzu.

Nachfrage aus Berlin

So baut die städtische Wohnungsbaugesellschaft Woba für etwa 70 Millionen Euro in mehreren Schritten insgesamt fast 200 Wohnungen. Ein Teil davon ist mit sozialer Bindung, hier kostet der Quadratmeter 6 Euro beziehungsweise 7,50 Euro. Für die frei finanzierten Wohnungen geht es bei 10,50 Euro los. Die Nachfrage ist immens. "Wir haben mehr als 1.000 Interessenten auf den Wartelisten", rechnet Woba-Geschäftsführer Christian Urban hoch.

Die Gesellschaft hat insgesamt 3.800 Wohnungen im Bestand. Auch bei anderen Anbietern in Oranienburg wird Wohnraum allmählich knapp. Viele Zuzügler und Interessenten kommen aus der Hauptstadt. "Die große Wohnungsproblematik, die es in Berlin gibt, schwappt natürlich einfach in die Umlandgemeinden", beobachtet Urban. Viele flüchten vor hohen Mieten, vollen Straßen und maroden Schulen hierher. In einem bundesweiten Wohnungsbau-Ranking landete die Stadt im vergangenen Jahr auf Platz 4. Doch das alles reicht noch nicht aus, um der Nachfrage Herr zu werden.

Quelle: dpa/Soeren Stache

Mit der S-Bahn nach Berlin

"Oranienburg hat eine sehr gute Verkehrsanbindung", nennt der Woba-Geschäftsführer einen weiteren Grund für die Beliebtheit der Kreisstadt. Über Schnellstraße und Autobahn sind Pendler recht schnell in Berlin. Außerdem hat Oranienburg gleich zwei S-Bahnhöfe. Von einem rollt der Regionalexpress Richtung Hauptstadt und Ostsee. Ein wichtiges Argument für viele potenzielle Zuzügler.

Zählte die Stadt 2011 noch gut 41.000 Einwohner, stieg die Zahl bis zum August vergangenen Jahres auf mehr als 48.000. In den kommenden Monaten wird laut Bürgermeister Alexander Laesicke (parteilos) die 50.000-Einwohner-Marke geknackt. Und ein Ende des Booms ist längst noch nicht absehbar. In einem städtebaulichen Konzept ist sogar von 60.000 Menschen die Rede. "Das heißt für uns auch ganz klar, dass wir was machen müssen", räumt der Kommunalpolitiker ein.

Oranienburger Gaststätte vor dem Aus

Zwischen Krautwickel und Crowdfunding

Die Gastronomie steckt in der Dauerkrise. In den Pandemiejahren wurden bundesweit etwa 36.000 Betriebe geschlossen, 15.000 weitere gelten als akut gefährdet. Zum Jahresende droht auch der ältesten Gaststätte Oranienburgs das Aus. Von Karsten Zummack

Investitionen verdoppelt

Doch in Oranienburg sind durchaus auch skeptische Stimmen zur rasanten Entwicklung zu vernehmen. Wachstum bringt eben auch Wachstumsaschmerzen mit sich. "Ganz schön gewaltig. Ich weiß nicht, wie man das alles bewältigen soll", sagt beispielsweise Einwohnerin Christina Drawer. Sie fragt sich, wo die ganzen Schulen, Ärzte, Kindergärten für die neuen Bewohner herkommen sollen.

Mit dem massiven Zuzug steigen zwar Steuereinnahmen und Landeszuweisungen. Gleichzeitig aber will Oranienburg in diesem Jahr doppelt so viel Geld investieren wie 2023, sieht der Entwurf des neuen Haushaltsplans vor. Dafür werden beispielsweise Schulen erweitert, Straßen erneuert, Parks gebaut. Trotzdem freut sich der Bürgermeister über den Boom. "Das sind Probleme, die sich andere wünschen: die Probleme einer gefragten Stadt", so Laesicke.

Angekommen in Oranienburg

Kornelia Hartdorf jedenfalls hat den Umzug hierher nie bereut, "auch wenn bei einer Konzertübertragung aus der Dresdner Frauenkirche kürzlich ein paar Tränchen liefen". Da kamen dann doch ein paar wehmütige Heimatgefühle auf. Ansonsten fühlt sie sich in Oranienburg sehr wohl, sagt die Rentnerin beim Blick vom Balkon auf die nächste Baustelle gleich gegenüber.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.01.2024, 13:30 Uhr

Beitrag von Karsten Zummack

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