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Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka

Kommentar | Bündnis Sahra Wagenknecht

Parteigründung ohne Ost-Personal: Schönheits- oder Geburtsfehler?

Die Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit" will 2024 bei der Europawahl und den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland antreten. Was das Bündnis dem Osten allerdings bieten kann, bleibt offen. Ein Kommentar von Thomas Bittner

Der Vorstand ihrer neu gegründeten Partei, den Sahra Wagenknecht am Montag vorgestellt hat, besteht aus Persönlichkeiten, die im Westen sozialisiert wurden. Parteivize aus Düsseldorf, Generalsekretär aus Bochum, Europa-Spitzenkandidat aus Hamburg. Sahra Wagenknecht sagt selbst, es sei "ein Schönheitsfehler", diese "Westlastigkeit".

Nun muss sie aufpassen, dass es kein Geburtsfehler wird. Denn der Neustart muss vor allem im Osten glücken.

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Ein paar Minuten vor dem Eingeständnis des Schönheitsfehlers sagte Wagenknecht noch, sie sei zuversichtlich, auch bei allen drei Landtagswahlen im Osten anzutreten. Sie selbst steht mit ihrer eigenen Biografie für einen gewissen Ostblick, auch wenn sie inzwischen im Saarland lebt und in Nordrhein-Westfalen zur Wahl stand.

Doch genauso wenig, wie sie gleichzeitig für die Europawahl antreten kann, während sie im Bundestag als Abgeordnete eine Gruppe führt, kann sie selbst bei allen drei Landtagswahlen kandidieren. Zumal es dafür rechtliche Hürden geben würde.

In Brandenburg wagt sich bisher keiner aus der Deckung

Wenn es erklärtes Ziel der neuen Partei sein soll, gleich im Herbst im Osten Flagge zu zeigen, hätte man schon bei der Parteigründung personelle und inhaltliche Zeichen setzen müssen. In zwei Stunden Pressekonferenz wurde über den Osten nur dann ein Wort verloren, wenn es um die Partei selbst ging.

Wagenknecht weiß, dass sie für die Landesparlamente eine Liste solider und kompetenter Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren müsste. Sie gehe davon aus, jeweils 30 bis 40 solcher Menschen auf den Landeslisten in Sachsen, Thüringen und Brandenburg präsentieren zu können, sagte sie. Man sei im Gespräch mit "respektablen, renommierten Persönlichkeiten", raunte Wagenknecht.

Denn sie geht wohl auch davon aus, dass ihr Bündnis es sogar in Regierungsverantwortung schaffen könnte. Man brauche also Menschen, die ihr Handwerk verstehen. Aber zum Auftakt präsentierte sie für die Ostwahlen: niemanden. Wo man auch fragt: In Brandenburg wagt sich bisher keiner aus der Deckung - im Gegensatz zu Berlin.

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Alle anderen arrogant oder unfähig

In der Politik-Analyse kann Sahra Wagenknecht sehr treffend die Defizite der politischen Mitbewerber benennen. Der Bundesregierung wirft sie vor, dass sich durch deren Politik die Menschen im Stich gelassen fühlen. Der Bundeskanzler wirke sprachlos, selbst wenn er lange Reden halte.

Der Opposition bescheinigt Wagenknecht, dass sie die Politik der Regierung großenteils mittrage. Bei der AfD lehnt sie Hetze und das Bedienen von Ressentiments ab. Und von den Linken habe man sich wegen der Konzentration auf "Gender- oder Lifestyle-Themen" abgewandt.

Wie will man mit der Haltung, alle anderen seien arrogant oder unfähig, in ein mögliches Regierungsbündnis gehen, um "Vernunft und Gerechtigkeit" durchzusetzen? Schon in der zweistündigen Pressekonferenz wurden Widersprüche offensichtlich. Die Schwächsten in der Gesellschaft sollen mehr Gerechtigkeit erfahren. Gleichzeitig kritisiert man, dass sich "ein Milieu von Kostgängern und Almosenempfängern entwickelt" habe. Die unkontrollierte Migration solle eingedämmt werden, aber Menschen mit Asylgrund sollen auch zukünftig Aufnahme finden.

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Alles richtig, aber nicht wirklich neu

"Vernunft und Gerechtigkeit" sind im politischen Diskurs sehr dehnbare Begriffe. Sahra Wagenknecht sagt, die Politik solle sich "am Machbaren orientieren". Um wenige Sekunden später Dinge zu fordern, an deren Machbarkeit schon viele Politiker vor ihr gescheitert sind. Man hätte doch die deutsche Autoindustrie dazu bringen können, verbrauchsärmere Autos zu produzieren, statt Verbrenner zu verbieten. Man müsse die Konflikte in der Welt friedlich lösen, damit sich nicht so viele Menschen auf den Weg machen müssen.

Alles richtig, aber nicht wirklich neue Ideen.

Das Bündnis um Sahra Wagenknecht wolle in 30 oder 40 Jahren eine Volkspartei sein, sagen die Gründerinnen und -gründer. Vielleicht könnte eine pragmatische neue Kraft, die sich nicht in das alte Links-Rechts-Schema einsortieren lässt, bei der Auflösung von Blockaden helfen.

Doch welche konkreten, vernünftigen, gerechten und umsetzbaren Lösungen ihr Bündnis anbietet? Und wer? Diese Antworten bleibt uns Sahra Wagenknecht noch schuldig.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 08.01.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Thomas Bittner

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