Verkehrsstreit in Berlin
Seit es an der Nordseite des Berliner Hauptbahnhofs keinen Taxistand mehr gibt, blockieren wartende Taxis oftmals die Busspur und behindern Linienbusse. Im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses streiten die Interessengruppen offen. Von Sabine Müller
Mittwochmittag, eine typische Szene an der Invalidenstraße nördlich des Hauptbahnhofs. Ein Linienbus, unterwegs Richtung Osten, versucht lautstark, sich den Weg zu seiner Haltestelle freizuhupen. Auf der Busspur stehen mehrere Taxis. Seitdem der frühere Wartebereich auf dem Bahnhofsvorplatz, dem südlichen Teil des Europaplatzes, im vergangenen Herbst ersatzlos gestrichen wurde, kommt es hier regelmäßig zu Konflikten.
Die Stimmung bei den Taxifahrern ist aufgeladen. "Hier ist überall gesperrt, überall Schikane", schimpft einer. "Wir brauchen diesen Platz unbedingt", sagt ein anderer und blickt auf den Bahnhofsvorplatz, wo bis zum vergangenen Herbst mehrere Taxihalteplätze ausgewiesen waren.
Jetzt ist der Bereich mit Pollern abgesperrt. Weil der Europaplatz umgestaltet werden soll – unter anderem mit Bäumen, Sitzgelegenheiten und einer Jelbi-Station – dürfen Taxis eigentlich nur noch den südlichen Bahnhofsvorplatz oder die Tiefgarage anfahren. Doch viele Fahrer ignorieren das, fühlen sich zu Unrecht verdrängt und verteidigen das Warten auf der Busspur. "Immer ist der Taxifahrer der Böse", heißt es.
Viel Unverständnis über die aktuelle Situation gibt es aber auch im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses, sowohl bei den Abgeordneten selbst als auch bei den Gästen, die am Mittwochnachmittag zur Anhörung eingeladen sind.
"Angefressen und erschüttert" sei er, sagt Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD. "Hier handelt es sich um eine Fehlplanung." Kristian Ronneburg (Linke) beklagt "Chaos für Fahrgäste, Taxifahrer, BVG und den Berliner Hauptbahnhof" und fordert, die Abschaffung des Taxihalteplatzes müsse rückgängig gemacht werden.
Unterstützung dafür kommt unter anderem von Lutz Kaden, der für die Industrie- und Handelskammer spricht. Kaden nennt die Möglichkeit, auch an der Nordseite in ein Taxi zu steigen, ein "entscheidendes Element" für eine gute Verkehrsanbindung des Hauptbahnhofs und damit für den Wirtschaftsstandort. Michael Klewer von der AG Hauptbahnhof, einem Zusammenschluss von Taxiunternehmen und Taxifahrern, sekundiert: "Taxifahrer stellen sich dorthin, wo der Bedarf ist, und der ist am Europaplatz." Dort müsse es wieder Taxiplätze geben.
Unzufrieden mit der jetzigen Lage ist auch die BVG. Ihr Vertreter Ralf Geisler spricht über die Gefahrenlage an der Haltestelle für insgesamt drei Buslinien. Er zeigt Bilder von zugeparkten Busspuren, berichtet von Beinahe-Unfällen und tatsächlichen Zusammenstößen und Busfahrern, die angepöbelt werden. "Wir können zurzeit nicht gewährleisten, was uns am wichtigsten ist", sagt Geisler, "nämlich die Sicherheit von Fahrgästen, Fahrpersonal und Fahrzeugen." Außerdem verursache die "unbefriedigende" Verkehrssituation längere Haltezeiten.
Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) zeigt Verständnis für die Kritik, diagnostiziert einen "unhaltbaren Zustand" am Hauptbahnhof. Deshalb sei in der vergangenen Woche eine Task Force eingerichtet worden, um die Situation kurzfristig aufzulösen.
Geplant ist nun, dass die Verkehrsverwaltung, die für Berlins Hauptstraßen wie die Invalidenstraße zuständig ist, zeitnah anordnet, dass auf der Busspur hinter der Haltestelle vier bis fünf Taxikurzhalteplätze eingerichtet werden. Die Polizei soll überwachen, dass die Fahrzeuge dann tatsächlich auch nur noch dort halten. Eine Dauerlösung solle das nicht sein, betont die Verkehrssenatorin, nur ein "Luftverschnaufer".
In der Task Force sitzen neben Verkehrs- und Stadtentwicklungsverwaltung auch der Bezirk Mitte und die BVG, aber beide zeigen sich nicht zufrieden mit der angedachten Lösung. BVG-Vertreter Ralf Geisler beklagt, Busse hätten dann kaum noch Platz, sich wieder in den fließenden Verkehr einzufädeln. Die BVG habe in der Task Force eigene Vorschläge gemacht und "Zweifel am Erfolg" des Lösungsvorschlags des Senats geäußert, trotzdem solle dieser umgesetzt werden, bemerkt Geisler hörbar angesäuert.
Daniel Kyek vom Straßen- und Grünflächenamt Mitte erwartet von der Kurzfristlösung der Verkehrssenatorin "kein durchschlagendes Ergebnis". Außerdem geht ihm die Entschärfung des Gefahrenschwerpunkts nicht schnell genug. "Auch Kurzfrist-Maßnahmen werden Wochen brauchen, wir haben aber keine Wochen Zeit", so Kyek. Deshalb setze der Bezirk als Sofortlösung darauf, dass Polizei und Ordnungsamt die Einhaltung der neuen Regeln schärfer überwachen.
Dies ist nicht das einzige Mal, dass Bezirk und Verkehrsverwaltung in dieser Ausschusssitzung verbal aneinandergeraten, wenn es um Fragen von Zuständigkeit und Entscheidungsverantwortung geht. Angesichts der heftigen Kritik an der Abschaffung des Taxistands an der Nordseite des Bahnhofs verweist Kyek darauf, diese Entscheidung sei von den zuständigen Behörden gemeinsam getroffen worden und auch von der Taxi-Innung habe es Zustimmung gegeben. Dies hatte ein Vertreter der SPD-geführten Stadtentwicklungsverwaltung ebenfalls demonstrativ betont.
Auf Forderungen nicht nur der Linken, sondern auch aus CDU und AfD, am besten erstmal zur vorherigen Lösung mit einem Taxistand auf dem Europaplatz zurückzukehren, geht Verkehrssenatorin Manja Schreiner nicht ein. Sie will die angedachte Kurzfristlösung vorantreiben. Bis Freitag gebe es noch Gespräche mit dem Bezirk Mitte und der Polizei, sagt Schreiner, dann könne es schnell eine Anordnung ihrer Verwaltung für vier bis fünf Taxiwarteplätze hinter der Bushaltestelle geben.
Während ausgewertet wird, wie gut diese Variante funktioniert, soll parallel nach einer langfristigen Lösung gesucht werden. Für sie gebe es dabei "keine Denkverbote", betont Schreiner. Konkreter wird sie selbst nicht, ihre Staatssekretärin Claudia Elif Stutz spricht aber von einem Prüfauftrag für einen dauerhaften Taxi-Halt an der Nordseite des Bahnhofs und nennt als Ziel eine "ausgewogene, für alle zufriedenstellende Situation".
Einen Zeithorizont für die langfristige Lösung nennt Schreiner nicht. Geplant war aber, die Neugestaltung des Europaplatzes bis Ende kommenden Jahres abzuschließen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 31.1.2024, 19.30 Uhr
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