Wenig fertiggestellte Radwege
Nur ein Drittel der geplanten Radwege fertiggestellt, Einbußen bei der Sicherheit: Der Verein Changing Cities sieht die Verkehrswende "geschreinert". Senatorin Schreiner wiederum gibt zu: Die Ausbauziele bis 2030 werden nicht erreicht. Von Sebastian Schöbel
Dass die Mobilitätsaktivisten der Organisation "Changing Cities" und Verkehrssenatorin Manja Schreiner nochmal Freunde werden, kann als unwahrscheinlich gelten: Zu unversöhnlich stehen sich die Verkehrswende-Lobbyisten und die CDU-Politikerin gegenüber. Denn während Schreiner nie einen Hehl daraus gemacht hat, die Verkehrswende nicht einseitig zu Lasten der Autofahrer umsetzen zu wollen, hat "Changing Cities" immer wieder auf den Ausbau der Radwege gepocht, so wie es das Mobilitätsgesetz vorsieht.
Nun hat die Organisation erstmals Zahlen zum Radwegeausbau im ersten Amtsjahr der neuen Senatorin vorgelegt, inklusive einer detaillierten, interaktiven Karte im Netz. "Mit Maßband und GPS-Daten" habe man Berlins Radwege überprüft und den Fortschritt des gesetzlich vorgeschriebenen Ausbaus dokumentiert [changing-cities.org]. Das Fazit: "Das Mobilitätsgesetz wird geschreinert", sagt Ragnhild Sørensen von Changing Cities.
Von den 60 Kilometern Radweg, die 2023 laut geltender Verkehrsplanung hätten gebaut werden müssen, seien gerade einmal 22,3 Kilometer fertiggestellt worden – weniger als im Jahr davor. Dabei hatte die schwarz-rote Koalition genau das Gegenteil versprochen. "Die Verkehrswende in Berlin wurde abgewürgt", so Sørensen.
Schuld an dieser Bilanz sei vor allem Schreiners Entscheidung im Juni des vergangenen Jahres, 19 baufertige Radwege zunächst auf Eis zu legen. Drei Radwegeprojekte sind noch immer "in der Prüfung", so die Verwaltung, die restlichen 16 wurden schon kurz nach dem Stopp wieder freigegeben. Fertiggestellt wurde bislang aber trotzdem keiner.
Eine aktuelle Anfrage der Grünen im Abgeordnetenhaus zeigt, warum: Die Verkehrsverwaltung hatte im Nachhinein die notwendigen verkehrsrechtlichen Anordnungen nochmals geändert, was mehrere Monate Verzögerung zur Folge hatte und bei drei der freigegeben Radwegen noch immer nicht abgeschlossen ist. So sei zum Beispiel in der Grunewaldstraße der Radweg zwar wieder zum Bau freigegeben, aber schmaler und ungeschützter als zunächst geplant, dafür sind mehr Autoparkplätze vorgesehen. "Das Versprechen von Frau Schreiner, mehr Radwege zu bauen, erweist sich als eine glatte Lüge", so Sørensen.
Wie schleppend es beim Radwegeausbau in Berlin vorangeht, zeige laut Changing Cities auch der Blick auf die langfristigen Pläne. Bis 2030 sollen laut Radverkehrsplanung insgesamt 2.698 km Radwege neu gebaut oder umgestaltet werden. Geschafft wurden seit 2018, als das Mobilitätsgesetz final beschlossen wurde, lediglich 135,7 Kilometer. Wie der rbb berichtet hatte, gab der Senat 2023 deutlich weniger für Radwege aus als geplant. So flossen laut einem Bericht an den Hauptausschuss im Bereich "Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs" nur 4,24 Millionen Euro ab. Im Etat vorgesehen waren allerdings rund 10,75 Millionen Euro, mehr als doppelt so viel.
"Wir wissen, was wir geschafft haben", weist die Senatorin die Kritik auf rbb-Nachfrage zurück. "Wir haben ordentlich Radwege gebaut." Die Ziele des Radverkehrsplans hätten auch ihre grünen Vorgängerinnen nicht erfüllt, so die CDU-Politikerin. Neben den gebauten 23 Kilometern Radwege seien aktuell 31 weitere Kilometer im Bau. Dass bei neuen Radwegen weniger auf die Standards geachtet werde, weist Schreiner ebenfalls zurück: Man habe vor allem Unfallschwerpunkte wie Kreuzungen bei neuen Radwegen im Blick. "Die Debatte muss sich von der Quantität verabschieden, sondern auch den Qualitätsaspekt aufgreifen."
Besorgt zeigt sich der Changing Cities auch hinsichtlich Standards und Sicherheitsvorgaben beim Radwegebau. "Wir erkennen nach weiteren Umplanungen zunehmend, dass die Radverkehrsanlagen schmal, ungeschützt und unsicher geplant werden", so Steckel.
Er sieht auch die Gefahr, dass künftig vermehrt alte und nicht mehr bedarfsgerechte Radwege nur ausgebessert werden, statt breite Radstreifen neu zu bauen. Der Verein kritisiert, dass dadurch die gesetzlichen Vorgaben nicht mehr eingehalten werden.
Sendung: rbb24, 30.01.2024, 13:00 Uhr
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