Berlin
Das geplatzte Klima-Sondervermögen sorgt für Unruhe in Berlin. Die Grünen sehen die Klimaschutzpläne der Stadt in Gefahr, die Gewerkschaft der Polizei klagt über den Sanierungsstau bei den Wachen.
Nach dem Scheitern des geplanten Klima-Sondervermögens in Berlin fordern die Opposition und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Alternativen. Während die GdP ein milliardenschweres Sondervermögen nur für die Innere Sicherheit vorschlägt, fordern die Grünen den Senat auf, andere Möglichkeiten kreditfinanzierter Klimaschutzmaßnahmen zu prüfen.
Am Freitag waren erste Erkenntnisse eines Gutachtens der Finanzverwaltung bekannt geworden. SPD-Finanzpolitiker Torsten Schneider räumte gegenüber dem rbb ein, dass sich die Zweifel am im Koalitionsvertrag vereinbarten Klimaschutz-Sondervermögen bestätigt hätten. "Ohne das Gutachten zu kennen, gehen wir davon aus, dass wir nicht mit zehn Milliarden Sondervermögen planen können".
Man werde aber "zeitnah" andere Wege aufzeigen, um die Klimaschutzziele zu erfüllen. Gerade bei Sanierungen von Objekten gebe es Möglichkeiten, sagte Schneider dem rbb. Auch die am Donnerstag beschlossene Kreditaufnahme zum Kauf des Fernwärmenetzes sei vom Rechtsrahmen gedeckt. Die Überlegungen seien aber noch nicht ausgereift.
Für die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Bettina Jarasch, ist mit dem Klimasondervermögen ein "zentrales Projekt der schwarz-roten Koalition" gescheitert. Vor dem Hintergrund der ungelösten pauschalen Sparvorgaben des Finanzsenators drohe der Klimaschutz auf der Strecke zu bleiben, sagte sie dem rbb.
Zu viel Schwarzmalerei ist das für den CDU-Finanzpolitiker Heiko Melzer. Er sieht keinen Grund zur Unruhe und sagte: "Am Ziel der CDU-geführten Landesregierung mit der SPD hat sich gar nichts geändert." Es bleibe bei Investitionen für die Stadt, in den Klimaschutz und in die Modernisierung. Der Grüne Co-Vorsitzende Werner Graf forderte dennoch den Regierenden Bürgermeister auf, sich auf Bundesebene für eine Änderung der Schuldenregeln einzusetzen. Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form sei eine "Zukunftsbremse", die nötige Investitionen in den sozial-ökologischen Umbau verhindere.
Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Carsten Schatz, nannte gegenüber dem rbb die rechtlichen Vorgaben absurd und weltfremd: "Die Schuldenbremse muss weg." Solange die Sondermittel nur innerhalb eines Jahres verwendet werden dürften, könne man den Kampf gegen den Klimawandel nicht führen. Der Senat müsse sich jetzt mit anderen Bundesländern zusammentun und eine entsprechende Bundesratsinitiative starten.
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker dagegen warnte im rbb davor, die Schuldenbremse zu umgehen, etwa indem landeseigene Unternehmen Kredite aufnehmen für Zwecke, die eigentlich mit Haushaltsmitteln finanziert werden müssten: "Das sind letztlich Schattenhaushalte, die finanziert und verzinst werden müssen". Der Haushalt müsse Prioritäten setzen und entscheiden, was wichtiger sei: "Klimaschutzmaßnahmen in exorbitanter Höhe oder eine funktionierende Stadt?"
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der GdP, Stephan Weh, forderte dagegen die Schaffung eines milliardenschweren "Sondervermögens Innere Sicherheit". Angesichts der angespannten Berliner Sicherheitslage lasse sich eine akute Notlage deutlich besser begründen als beim breiten Thema Klimaschutz. Damit ließen sich nicht nur die energetische Sanierung von Polizei- und Feuerwachen finanzieren, sondern auch die Erneuerung von Fahrzeugen und Ausrüstung. "Wir merken, dass bei den Kollegen gerade eine Art Traum zerplatzt", sagte Weh dem rbb.
Der Senat hatte vorgesehen, den Großteil des auf 2,1 Milliarden Euro veranschlagten Sanierungsstaus bei Polizei- und Feuerwehrliegenschaften aus dem Sondervermögen zu finanzieren und hatte nur wenig Haushaltsmittel eingeplant. Dies hatte die GdP wiederholt kritisiert. Weil das Sondervermögen Klimaschutz so rechtlich nicht geht, steht nun fast kein Geld für die Sanierungen der maroden Polizei- und Feuerwehrliegenschaften zur Verfügung. Weh betonte, dass die schwarz-rote Regierung wegen innerer Sicherheit gewählt worden sei - sie müsse auch der Schwerpunkt der Zukunftsinvestitionen sein.
In einer ersten Reaktion betonte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) schriftlich gegenüber dem rbb, dass sich an ihrer Aussage, so viele wie möglich der Wachen und Wehren energetisch sanieren zu "möchten", nichts geändert habe. In ihrem Statement wird aber auch klar, dass es aktuell keine Antwort auf die Frage gibt, wie dieser grundsätzliche Wunsch finanziert und damit auch umgesetzt werden kann. Die Verantwortung, dafür einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten, sieht Spranger vor allem bei der Finanzverwaltung. Jedenfalls für den Fall, dass das geplante Sondervermögen "in seiner geplanten Form nicht zu halten" ist.
Und auch bezüglich der Gebäude von Polizei und Feuerwehr schiebt die Innenverwaltung die Verantwortung anderen zu: "Die Immobilien des Landes Berlin werden von der BIM [Berliner Immobilienmanagement GmbH] verwaltet, so auch die Liegenschaften der Polizei Berlin und der Berliner Feuerwehr." Immerhin erklärt die Senatorin, dass die Folgen aus dem Rechtsgutachten zum Sondervermögen im Senat und Abgeordnetenhaus beraten werden müssen. Ob der Vorschlag der GdP nach einem "Sondervermögen Innere Sicherheit" dabei in die Diskussion aufgenommen wird, ist offen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 24.02.2024, 11:09
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