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Fußfesseln, Alkoholverbote, Gewaltprävention
Brandenburg will härter gegen häusliche Gewalt vorgehen. Am Mittwoch hat das Landesparlament deshalb eine Reihe an Gesetzesänderungen verabschiedet. Ein Punkt, der Expertinnen wichtig war, fehlt aber. Von Stephanie Teistler
Mehr als 6.300 Fälle häuslicher Gewalt registrierte die Polizei in Brandenburg im vergangenen Jahr. Die Zahlen steigen seit Jahren. Wie hoch die Dunkelziffer ist, kann niemand sagen. Mit einem neuen Gesetzespaket reagiert das Land nun auf diesen Trend. Dabei geht es vor allem darum, den Druck auf die Täter - und seltener Täterinnen - zu erhöhen.
Gemäß dem Grundsatz "wer schlägt, geht" können Täter zukünftig länger der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden. Statt bisher zehn Tagen, kann diese Maßnahme nun auf bis zu 14 Tage verlängert werden. Das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser (NBF) begrüßt das. Die Betroffenen bräuchten diese Zeit auch, um weitere Schritte zu gehen, so Sprecherin Laura Kapp.
Das Gesetz stärkt nun die Entscheidung der Polizei, einem Täter Auflagen zu erteilen. Kapp: "Wir haben oft erlebt, dass die Polizei mit einer Mutter und drei Kindern nachts durch das halbe Land gefahren ist, auf der Suche nach einem freien Platz im Frauenhaus. Und wir fragen dann immer: Warum schickt ihr nicht den Täter weg?"
Täter können auch dann der Wohnung verwiesen werden, wenn die Wohnung ihnen gehört oder sie im Mietvertrag stehen. Kontrolliert wird das Rückkehrverbot durch die Polizei – "mindestens zweimal", heißt es im Gesetz.
Zukünftig kann die Polizei einem Täter auch untersagen, sich dem Opfer zu nähern oder Kontakt mit ihm aufzunehmen. In besonders schwerwiegenden Fällen soll es außerdem möglich sein, eine elektronische Fußfessel anzuordnen. Diese übermittelt den Aufenthaltsort des Täters - nähert er sich etwa der Wohnung, wird die Polizei alarmiert.
Der Einsatz elektronischer Fußfesseln ist umstritten. Kriminologe Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum kritisierte die Maßnahme bei einer Anhörung im Innenausschuss vergangenes Jahr [parlamentsdokumentation.brandenburg.de]. Die Fußfessel komme in Deutschland nur wenig zum Einsatz, auch weil sie nicht wirksam sei. Empirische Studien hätten das belegt, so Feltes.
Die elektronische Fußfessel kam Brandenburg in den vergangenen Jahren auch nur selten zum Einsatz. Im Moment wird hier genau eine Person auf diese Weise überwacht. Dass die Zahl der verordneten Fußfesseln durch die neue Regelung stark steigern wird, davon ist kaum auszugehen. Denn die Hürden für ihren Einsatz sind hoch, Täter müssen etwa bereits mehrfach straffällig geworden sein.
Neu ist, dass die Polizei Täter auf bestehende, freiwillige Programme zur Gewaltprävention hinweisen soll. Ein Gericht kann außerdem auf Antrag der Polizei die Teilnahme an einem solchen Programm für bis zu zwölf Stunden anordnen.
Innenminister Michael Stübgen (CDU) sieht darin eine Chance. "Jede verhinderte Straftat ist besser als jede aufgeklärte Straftat", so Stübgen. Täter ins Gewaltpräventionstraining zu schicken, sei in Deutschland bisher einmalig.
Die Linken-Abgeordnete Marlen Block kritisierte am Mittwoch im Plenum, dass die Befugnisse der Polizei durch die elektronische Fußfessel, aber auch andere Maßnahmen, ausgeweitet würden. So kann die Polizei Tätern künftig verbieten, in der eigenen Wohnung alkoholisiert zu sein. Begründet wird das damit, dass Alkohol in etwa einem Viertel der Fälle häuslicher Gewalt eine Rolle spielt. Block hingegen hat verfassungsrechtliche Bedenken. Demnach könne die Polizei das Trinken von Alkohol in der Wohnung gar nicht verbieten.
Problematisch sei auch die Aufweichung der Schweigepflicht, so Block. Notärzte und Rettungssanitäter können laut dem neuen Gesetz die Polizei informieren, sollte eine betroffene Person in Gefahr sein. Bisher, so Innenminister Stübgen, konnten die Notärzte entweder wegschauen oder sich durch Informationsweitergabe strafbar machen. Dieses Dilemma sei mit der neuen Regelung ausgeräumt.
Die vertrauliche Spurensicherung ist von der neuen Regelung ausgenommen. Dennoch befürchtet Block, dass durch die gelockerte Schweigepflicht weniger Betroffene ärztlichen Rat suchen könnten. Außerdem könne der Staat den Willen erwachsener Menschen nicht einfach missachten – auch wenn sie Opfer von häuslicher Gewalt geworden seien.
Eine weitere Maßnahme, bei der Kritiker eine Entmündigung der Opfer befürchtet hatten, kommt hingegen nicht: Eine proaktive Beratung findet sich nicht mehr im Gesetz wieder. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Polizei Daten von Opfern an Beratungsstellen weitergeben müsse.
In anderen Bundesländern wird das bereits praktiziert. Die Beratungsstellen melden sich zeitnah telefonisch bei den Betroffenen und bieten bei Bedarf Hilfe an. Mecklenburg-Vorpommern hat damit etwa gute Erfahrungen gemacht. Dort gibt es fünf Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt. Michaela Kohnert leitet eine von ihnen und sagt, es sei eher die Ausnahme, dass Hilfe abgelehnt würde. Etwas mehr als 67 Prozent der Betroffenen habe man im Jahr 2022 erfolgreich telefonisch erreichen können. Nur 0,5 Prozent lehnten Hilfe komplett ab.
In Brandenburg wird die proaktive Beratung nun vorerst nicht kommen. Und das, obwohl etwa das NBF die Maßnahme für wesentlich im Kampf gegen häusliche Gewalt hält. Zwar gibt es für die Polizei bereits die Möglichkeit, Daten von Opfern zur "Gefahrenabwehr" weiterzugeben. In der Praxis funktioniere das aber oft nicht, so Laura Kapp vom NBF. Betroffene müssten der Datenweitergabe per Unterschrift zustimmen.
Doch zur Zeit des Polizeieinsatzes befänden sich die Opfer meistens in einer Ausnahmesituation und seien damit oft überfordert. "Viele sagen in dieser Situation: 'Ich unterschreibe hier erstmal gar nichts'", so Kapps Erfahrung. Gerade einmal vier Meldungen pro Woche seien deshalb über den bisherigen Weg eingegangen – und dass bei Tausenden Fällen landesweit.
Sendung: rbb24 Antenne Brandenburg, 21.02.2024, 20.00 Uhr
Beitrag von Stephanie Teistler
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