Geschlagen und schwer verletzt
Am Freitagabend wurde ein jüdischer Student der FU in Berlin-Mitte krankenhausreif geschlagen. Der mutmaßliche Täter soll ein Kommilitone sein. Der Zentralrat der Juden fordert die Exmatrikulation als Konsequenz. Doch das Berliner Hochschulgesetz ließe dies nicht zu.
Nach dem gewalttätigen Angriff auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin (FU) hat der Zentralrat der Juden in Deutschland die Exmatrikulation des mutmaßlichen Täters gefordert, der ebenfalls an der Uni eingeschrieben sein soll. Damit wäre dieser kein Student mehr an der FU. "Wer einen jüdischen Kommilitonen krankenhausreif schlägt, weil er Jude ist, der hat an einer deutschen Universität nichts zu suchen", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Dienstag. Aus Sicht von Schuster sei eine Exmatrikulation alternativlos, berichtet die Nachrichtenagentur EPD.
Laut Staatsanwaltschaft soll es sich um einen 23 Jahre alten Mann deutscher Staatsangehörigkeit handeln, der an einer pro-palästinensischen Hörsaalbesetzung im Dezember an der FU beteiligt gewesen sein soll.
Ebenfalls am Dienstag teilte die FU über ihren Kanal auf der Plattform X (früher Twitter) mit: "Eine Exmatrikulation ist im Rahmen der Berliner Hochschulgesetz schon formal nicht möglich."
Am Vortag hatte die FU erklärt, dass sie prüfe, ob sich ein Hausverbot durchsetzen lasse, sollte sich herausstellen, dass der Täter an der Universität eingeschrieben sei.
Ein dreimonatiges Hausverbot reiche möglicherweise nicht aus "für die Situationen, die wir haben", sagte FU-Präsident Günter Ziegler am Dienstag der rbb24 Abenschau. "Ich habe den Eindruck, dass wir nachschärfen müssen - zumindest mit den Hilfsmitteln, die wir haben."
Die FU Berlin erklärte gegenüber dem Evangelischen Pressedienst, das sogenannte Ordnungsrecht der Hochschulen, das als weitreichendste Maßnahme auch die Exmatrikulation ermöglichte, sei durch die Änderung des Berliner Hochschulgesetzes im Jahr 2021 abgeschafft worden. "Somit ist eine Exmatrikulation von Studierenden aus Ordnungsgründen nicht möglich." Möglich sei "zur Sicherstellung eines geordneten Hochschulbetriebs" indes etwa ein Hausverbot von längstens drei Monaten. Die Polizei sei von der Hochschule um Informationen zur Identität des mutmaßlichen Täters gebeten worden.
Auch die Senatsverwaltung für Wissenschaft glaubt nicht, dass in dem Fall eine Exmatrikulation durchsetzbar ist. "Allein der Umstand, dass an dem Vorfall zwei Studierende einer Berliner Hochschule beteiligt waren, ist nicht ausreichend für hochschulrechtliche Maßnahmen gegenüber dem mutmaßlichen Täter, wenn nicht weitere Umstände hinzukommen", hieß es auf rbb-Anfrage.
Die freie Berufs- und Studienwahl seien grundgesetzlich geschützt, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) am Dienstag der rbb24 Abendschau. "Es ist also ein hohes Grundrecht, das hier betroffen wäre von einer Exmatrikulation." Jüdische Studierende sollten aber vor möglichen Gewalttätern geschützt werden, so Czyborra weiter. "Deswegen finde ich, um diesen sicheren Raum zu schaffen, tatsächlich die Anwendung von Hausrecht durchaus geboten."
Maßnahmen der Hochschule gegen Studierende müssen sich "gegen Störungen des geordneten Hochschulbetriebs richten", hieß es von der Senatsverwaltung. "Insofern kommt es darauf an, ob der Hochschule Umstände bekannt sind, die darauf schließen lassen, dass der betreffende Studierende den geordneten Hochschulbetrieb stört." So müsse die FU prüfen, ob konkrete Anhaltspunkte vorlägen, "dass der betreffende Studierende mit seinem Verhalten an der Hochschule andere Studierende oder Hochschulmitglieder beeinträchtigt". Auch Äußerungen in sozialen Medien seien dabei zu berücksichtigen, wenn diese auf eine Gefährdung des Hochschulbetriebs schließen ließen.
Der Angriff auf einen 30-jährigen jüdischen Studenten hatte sich am Freitagabend in Berlin-Mitte außerhalb des Campus ereignet. Der Täter soll vor einer Bar seinem Opfer ins Gesicht geschlagen und anschließend gegen den Kopf des 30-Jährigen getreten haben, als dieser am Boden lag. In einer Polizeimeldung zu dem Fall hatte es geheißen, der Attacke sei ein Streit über den Nahost-Konflikt vorausgegangen.
Der Satiriker Shahak Shapira hatte am Sonntag öffentlich gemacht, dass es sich bei dem Opfer um seinen Bruder handelt. Er widersprach dabei der Darstellung der Polizei. Seinem Bruder sei unvermittelt ins Gesicht geschlagen worden, so Shapira. Er wies zudem darauf hin, dass sein Bruder in sozialen Medien "markiert" wurde. So tauchten etwa nach der Besetzung eines Hörsaals an der FU unter anderem auf x.com Bilder von Lahav Shapira auf, versehen mit Hinweisen, sich sein Gesicht zu merken. Lahav Shapira war während der Hörsaalbesetzung durch pro-palästinenische Gruppe der Zugang verwehrt worden, was bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Aktuell ermittelt der Staatsschutz, ob der Angriff antisemitisch motiviert war und damit ein Hassverbrechen darstellt.
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Berlin spricht von einem heftigen Fall. "Für uns ist auch aufgrund der Folgen, der Betroffene musste mehrfach operiert werden, die Einordnung als extremer Fall von antisemitischer Gewalt begründet", sagte Benjamin Steinitz von Rias Berlin auf rbb|24-Anfrage.
Bei der Hörsaalbesetzung an der FU durch pro-palästinensische Gruppen im Dezember habe das spätere Opfer sich gegen antisemitische Äußerungen gestellt und sei dadurch zum Ziel von Anfeindungen geworden, so Steinitz. Das gehe nun weiter. "Direkt nach dem Angriff wird das hervorgeholt und er als Provokateur, als Feind markiert", sagt er. "Aus unserer Sicht wird hier im Sinne einer Täter-Opfer-Umkehr nahegelegt, dass die Gewalt gegen ihn von ihm selbst verschuldet sei."
Sendung: Abendschau, 06.02.2024, 19:30 Uhr
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