Fall Lahav Shapira
Der Angriff auf einen jüdischen Studenten der FU in Berlin beschäftigt nun auch die Staatsanwaltschaft. Wegner fordert eine schnelle und harte Bestrafung des Täters. Für Donnerstag ist eine Pro-Palästina-Demo in der Nähe der Uni angekündigt.
Nach dem Angriff auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin (FU) ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung. Die Tat sei "derzeit sowohl als antisemitisch als auch mit dem Nahost-Konflikt in Zusammenhang stehend eingestuft", teilte die Behörde am Mittwoch mit.
Die Ermittlungen richten sich demnach gegen einen 23-Jährigen, bei dem zuvor am Samstag bereits Durchsuchungsmaßnahmen stattfanden. Eine Festnahme sei nicht erfolgt, weil keine Anhaltspunkte ersichtlich gewesen seien, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entziehen würde. Der Fall liege der Staatsanwaltschaft seit Montag vor, wann eine Abschlussentscheidung getroffen werde, sei noch nicht absehbar, hieß es.
Der 30-jährige jüdische Student Lahav Shapira war am Wochenende mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen. Ein 23-jähriger propalästinensischer Kommilitone soll ihn im Ausgehviertel in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben.
Unterdessen wird an der Freien Universität und seitens der Politik weiter über mögliche Konsequenzen diskutiert. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) forderte am Mittwoch, dass der Täter schnell und hart bestraft wird. Die Hochschulleitung müsse Konsequenzen ergreifen, damit sich jüdische Studentinnen und Studenten wieder sicher fühlten, schrieb Wegner am Mittwoch auf X, vormals Twitter. Wenn dazu das Hochschulgesetz geändert werden müsse, werde man in der Koalition darüber sprechen.
Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) sprach sich für ein Hausverbot für den mutmaßlichen Täter aus. Eine Exmatrikulation lehnte sie aber weiter ab.
Berlins Wissenschaftssenatorin Czyborra mahnte, die Hochschulleitung müsse ein Hausverbot gegen den mutmaßlichen Täter umgehend durchsetzen: "Das ist dringend erforderlich, um Opfer vor Gewalttätern zu schützen und auf dem Universitätsgelände einen sicheren Raum für die Studierenden zu schaffen." Bei den Konsequenzen müsse aber grundsätzlich unterschieden werden zwischen Gewalttaten, Antisemitismus und Volksverhetzung auf der einen und politischen Meinungsäußerungen auf der anderen Seite.
Der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Adrian Grasse, will sich für eine Einsetzung des Ordnungsrechts starkmachen. Es brauche das Instrument der Exmatrikulation, um jüdische Studentinnen und Studenten zu schützen und deutlich zu machen, dass Antisemitismus an unseren Hochschulen keinen Platz habe.
Auch aus der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus gab es Kritik an der FU-Leitung. Nach Ansicht der wissenschaftspolitischen Sprecherin Laura Neugebauer zeigt der tätliche Angriff "einmal mehr, dass an der Freien Universität ein Problem mit Antisemitismus besteht und dazu bisher keine richtige Strategie für dessen Bekämpfung gefunden wurde".
Auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) forderte die Hochschulen zu konsequentem Einschreiten auf. "Hochschulen sind Orte maximaler Freiheit, aber sie sind keine rechtsfreien Räume", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, attestierte der FU eine Mitschuld an der Bedrohung jüdischer Studentinnen und Studenten: "Sie haben sicher nicht Antisemitismus begünstigt, aber sie sind nicht eingeschritten, da wo es geboten gewesen wäre, wenn Hass und Hetze verbreitet werden", sagte er am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin. Er rief die Leitung der FU Berlin auf, mit Mitteln des Ordnungsrechts und des Hausrechts gegen derartige Vorfälle vorzugehen.
Klein bekräftigte seinen Vorschlag, an allen deutschen Universitäten Antisemitismusbeauftragte einzusetzen. Der Vorfall in Berlin habe ihn schockiert, aber nicht überrascht, sagte der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus. Seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober habe sich an deutschen Hochschulen eine Atmosphäre verbreitet, die Hass und Hetze möglich gemacht habe, betonte Klein.
Wie die FU mitgeteilt hatte, ist nach derzeitiger Rechtslage in Berlin eine Exmatrikulation von Studierenden aus Ordnungsgründen nicht möglich. FU-Präsident Günter Ziegler sagte: "Ich habe den Eindruck, dass wir nachschärfen müssen, zumindest in den Hilfsmitteln, die wir haben. Und dass das, was im Moment besteht, eben ein Hausverbot begrenzt auf drei Monate, möglicherweise für die Situationen, die wir haben, nicht reichen wird."
Inmitten der Debatte um den Vorfall habe nun eine Privatperson für Donnerstag eine Kundgebung unter dem Titel "Solidarität mit Palästina" mit 100 Teilnehmern angemeldet. Das teilte eine Polizeisprecherin am Mittwoch auf Anfrage mit. Laut Polizei richte sich die Veranstaltung "gegen die selektive Solidarität der Universitätsleitung und Einschränkung demokratischer Rechte". In sozialen Medien kursiert zum gleichen Termin ein Demoaufruf von einem "Palästinakommitee FU Berlin", unter anderem mit der Aufschrift "Freiheit für Palästina!". Die FU teilte Mittwochabend per Pressemitteilung mit, dass sie die Veranstaltung nicht genehmigt habe, dafür keine Räumlichkeiten zur Verfügung stelle und sie nicht unterstütze. "Die Veranstaltung findet jedoch, von der Polizei genehmigt, im Straßenland statt."
Die Universität hat laut eigenen Angaben Strafanzeige "aufgrund von Inhalten von Plakaten mit dem Aufruf zur Kundgebung am 8. Februar" gestellt.
Sendung: rbb24 Abendschau, 07.02.2024, 19:30 Uhr
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