Grundsteuerreform
Die Angst vieler Grundstücksbesitzer vor der neuen Grundsteuer war groß: Zu befürchten war, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Abgaben deutlich steigen würden. Dem will Berlin nun entgegenwirken. Von Sebastian Schöbel
Dass ein Finanzsenator in Berlin auf die Chance verzichtet, mehr Steuereinnahmen verbuchen zu können, kommt selten vor. Dass die Neuberechnung der Grundsteuer eine solche Gelegenheit wäre, will Stefan Evers am Mittwoch auch gar nicht bestreiten: Schließlich geht es um einen Posten, der allein in diesem Jahr 870 Millionen Euro in die Berliner Kassen spülen wird, und der durch die Anpassung der Berechnung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts drastisch steigen könnte. Doch trotz der angespannten Haushaltslage verspricht Evers: "Bei diesem Thema, das alle Berlinerinnen und Berliner betrifft, und das insbesondere auf das sensible Thema Wohnen abzielt, möchte ich ausdrücklich unterbinden, dass wir uns Mehreinnahmen bescheren."
Deswegen will der CDU-Politiker nun vor allem zwei Maßnahmen umsetzen, um die steuerliche Belastung von Grundstücksbesitzern ab 2025 abzumildern, wie er sagt. Die beiden Faktoren, die für Grundsteuerpflichtige zentral sind, werden angepasst - zum Teil drastisch.
Einerseits bleibt die Steuermesszahl für Wohngrundstücke bei 0,31 Promille. Für Grundstücke ohne Wohnbebauung soll der Wert auf 0,45 Promille steigen. Ohne diesen Schritt, so Evers, würde Wohnraum einen deutlich höheren Anteil der Grundsteuerlast tragen, was gerade in Berlin eine unzumutbare Ungerechtigkeit sei. Und andererseits wird der in Berlin besonders hohe Hebesatz von 810 Prozent auf 470 Prozent reduziert.
Bislang nahm Berlin in dieser Kategorie unter den deutschen Großstädten einen Spitzenplatz ein, weit vor München, Hamburg oder Köln, wo der Hebesatz zuletzt zwischen 500 und 540 Prozent lag. Zwar müsse am Ende jeder Steuerbetrag individuell ausgerechnet werden, weil kein Grundstück dem anderen gleiche, so Evers. Aber dass zum Beispiel zwei sehr ähnliche Einfamilienhäuser mit kleinem Garten, oder zwei etwa gleich große Wohnungen ähnlicher Bauart je nach Bezirk teils vollkommen unterschiedlich besteuert werden, sei damit vorbei. "Es wird auf jeden Fall gerechter", sagt Evers.
Ein Beispiel: Für eine 74 Quadratmeter große Wohnung in Friedrichshain-Kreuzberg wurden bislang rund 263 Euro Grundsteuer im Jahr fällig. In Zukunft wären es laut Finanzverwaltung 282 Euro. Bei einem Einfamilienhaus mit 120 Quadratmeter Wohnfläche in Treptow-Köpenick waren es bislang 427 Euro, künftig wären es rund 448 Euro.
Mehr als eine sehr grobe Orientierung sind die Beispiele aber nicht: Zu unterschiedlich hätten sich die Grundstückswerte in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt, sagt Evers. Dass es auch drastische Ausreißer geben kann, hat die Finanzverwaltung bei Stichproben bereits gemerkt: In Einzelfällen habe sich gezeigt, dass die Grundsteuer um ein Vielfaches steigen würde - allerdings vor allem bei Grundstücken, für die bislang fast gar keine Steuer gezahlt wurde.
Bauliche Veränderungen, etwa eine zusätzliche Garage oder einen neuen Wintergarten, seien oftmals von den Finanzämtern jahrelang gar nicht bedacht worden. Dazu kommt, dass die Bewertungen von Grundstücken in Ost und West zum Teil auf vollkommen veralteten Daten beruhten. Gerade in Berlin spüre man das besonders deutlich, so Evers. Auch deswegen sei gerade im Ostteil Berlins die Angst vor drastischen Steuererhöhungen groß gewesen.
Unbegründet war das nicht, räumt der Finanzsenator ein. Ohne die geplanten Maßnahmen des Senats würde die Grundsteuer der beispielhaften 74-Quadratmeter-Wohnung in Kreuzberg auf fast 490 Euro ansteigen. Für das Häuschen in Treptow-Köpenick wären es sogar mehr als 770 Euro geworden. Die Angst vieler Grundbesitzer im Vorfeld sei absolut berechtigt gewesen, sagt Evers, auch aufgrund der "nicht glücklichen Kommunikation und der verbesserungswürdigen Serviceleistung bei den Erklärungen". Und man werde nun das Informationsangebot verbessern, so Evers.
Der Finanzexperte der Linken, Steffen Zillich, zeigt sich zufrieden, dass Evers das Versprechen eingelöst hat, die neue Grundsteuer aufkommensneutral zu gestalten, also ohne Mehreinnahmen für das Land Berlin. Auch die Begünstigung von Wohneigentum sei sinnvoll, so Zillich. Trotzdem blieben Detailfragen offen, etwa ob die Härtefallregelung ausreicht, oder ob am Ende nicht doch Hausbesitzer und Mieter den Großteil der Steuerbelastung tragen. Zufrieden zeigte sich auch der Verband der Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN). Dass der Hebesatz sinken soll, sei eine gute Nachricht, sagt der VDGN-Präsident Jochen Brückmann. Dennoch werde es ortsabhängig zu Mehrbelastung kommen. "Wir haben festgestellt, dass es bis zu einer Verdopplung werden kann, also in sehr hochpreisigen Lagen." Allerdings sei das nicht überall und automatisch so, auch nicht im Osten Berlins.
Genau das Gegenteil befürchten Vertreter der Berliner Wirtschaft, wie sie sagen. Dass der Hebesatz sinkt, sei zwar zu begrüßen, sagt der IHK-Präsident Sebastian Stietzel. Die Bedenken der Unternehmen, bei der Grundsteuerreform am Ende doch draufzahlen zu müssen, seien nicht ausgeräumt. "Die vom Senat in Aussicht gestellte Entlastung für Wohnimmobilien darf künftig nicht zu einer überproportionalen Belastung für gewerbliche Nutzungen führen - und damit langfristig zu Lasten der Attraktivität des Standorts gehen." Die Neuregelung der Grundsteuer soll vom Senat noch vor der Sommerpause beschlossen und in das Abgeordnetenhaus eingebracht werden. Endgültig verabschiedet werden soll sie noch in diesem Jahr.
Sendung: rbb24 Abendschau, 21.02.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Sebastian Schöbel
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