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Video: rbb24 | 13.02.2024 | Markus Reher | Quelle: dpa/Westend61

Neue Studie

Hass in den sozialen Medien hat stark zugenommen

Hass hat in den sozialen Medien zugenommen. Dabei ist er unterschiedlich ausgeprägt, wie Betroffene berichten. Hass verändert zudem unseren demokratischen Diskurs: Betroffene äußern sich nicht mehr frei oder ziehen sich gänzlich zurück.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat am Dienstag die aktuelle Studie "Lauter Hass – leiser Rückzug" des Kompetenzwerks gegen Hass im Netz vorgestellt. Das Ausmaß an Anfeindungen in sozialen Medien ist so gewaltig wie nie. Das geht aus der neuen Studie hervor.

Im Verlauf der Corona-Pandemie nahm der Hass gegenüber Politikern, Wissenschaftlern, Medienschaffenden und Ärzten stark zu. Im Kampf für Klimaschutz sind junge Aktivisten, besonders Frauen, auf der Straße und im Netz Gewalt(-fantasien) ausgesetzt.

Gezielte Falsch- und Desinformation haben seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 ein neues Ausmaß angenommen. Auch antisemitische Übergriffe haben seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 deutlich zugenommen. Gleichzeitig häufen sich Fälle von antimuslimischem Rassismus und Hetze gegen Geflüchtete.

Schulz und Böhmermann

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Mit der repräsentativen Studie "Lauter Hass – Leiser Rückzug" gibt es erstmals seit 2019 umfangreiche Ergebnisse zur Wahrnehmung, Betroffenheit und den Folgen von Hass im Netz in Deutschland. Die Studie wurde von Das NETTZ, der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, HateAid und den Neuen deutschen Medienmacher*innen im Rahmen des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz in Zusammenarbeit mit der Forschungs- und Beratungsagentur pollytix strategic research gmbh durchgeführt.

Freie Meinungsäußerung im Netz nimmt durch Hass ab

Befragt wurden bundesweit mehr als 3.000 Internetnutzer ab 16 Jahren im Zeitraum zwischen dem 23. Oktober und dem 3. November 2023. Die Befragung zeigt: Hass im Netz hat weiter zugenommen. Vor allem bei jungen Menschen sowie Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund und Menschen mit homo- und bisexueller Orientierung ist Hass zum Alltag geworden. Und Hass im Netz hat weitreichende gesellschaftliche Folgen: Eine Mehrheit der befragten Internetnutzer, darunter vor allem Betroffene, äußern ihre Meinung aus Angst nicht mehr frei oder ziehen sich ganz aus dem Netz zurück.

89 Prozent der Internetnutzer stimmen der Aussage zu, dass Hass im Netz in den letzten Jahren zugenommen hat. Lediglich neun Prozent stimmen nicht zu. Das Internet wird als zunehmend hasserfüllt empfunden.

Der Hass, den Betroffene erleben, äußert sich dabei sehr unterschiedlich. Am häufigsten bezieht sich Hass auf die politischen Ansichten (41 Prozent) oder das Aussehen (37 Prozent). Die körperliche und psychische Gesundheit war in etwa jedem vierten Fall Bezugspunkt (24 Prozent), der Migrationshintergrund oder die sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidentität wurden von 17 bzw. 16 Prozent genannt.

Gesetz gegen digitale Gewalt

Gleichzeitig verbreitet eine Minderheit ihren Hass laut und oft unkommentiert. Der Hass ist laut, der Rückzug hingegen ist leise. Die Studie sieht den demokratischen Diskurs und die Meinungsvielfalt im öffentlichen Raum durch Hass im Netz gefährdet.

Seitens der Politik besteht dringender Handlungsbedarf. Im April 2023 legte das Bundesministerium der Justiz sein Eckpunktepapier für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vor. Seit dem 25. August 2023 gilt der Digital Services Act (DSA, Digitale-Dienste-Gesetz) zur Haftung von sehr großen Online-Plattformen, ab dem 17. Februar 2024 auch für kleinere Online-Dienste. Mit dem Gesetz gegen digitale Gewalt soll vor allem die individuelle Rechtsdurchsetzung gestärkt werden: Lücken bei den Auskunftsrechten sollen geschlossen werden und Betroffene sollen nach mehrmaligen Angriffen vor Gericht die Sperrung von Accounts erwirken können.

2019 veröffentlichte das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft die erste große bundesweit repräsentative Studie zu Hass im Netz in Deutschland. Die Verfasser nahmen darin Bezug auf die Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke, der im Netz Morddrohungen und extremer Hetze ausgesetzt war.

Rechtsextreme bei TikTok

Mit einem Swipe in den Köpfen der Jugendlichen

Rechtsextreme erreichen auf Social-Media-Plattformen wie TikTok Millionen Kinder und Jugendliche. Vor allem die AfD verpackt ihre Inhalte sehr erfolgreich, damit junge Menschen sie als normale politische Thesen wahrnehmen. Von E. Neumeier, K. Breinig und T. Garus

Begriffsklärung

Es gibt zahlreiche Begriffe, um Hass und Gewalt im Netz zu beschreiben. Die vorliegende Studie versteht Hass im Netz als einen Oberbegriff, der viele verschiedene Phänomene umfasst. Manche sind strafrechtlich relevant, wie Beleidigung, Bedrohung oder Volksverhetzung.

Hass im Netz bezieht anders als der Begriff Hatespeech nicht nur sprachliche Äußerungen mit ein, sondern beinhaltet beispielsweise auch Bilder, etwa in Form rassistischer Memes oder des ungewollten Zusendens von Dickpics (Bilder eines männlichen Genitals), das Stalken in sozialen Netzwerken oder anhand von Überwachungssoftware, oder das Veröffentlichen von persönlichen Daten wie Name und Wohnadresse (Doxing).

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.02.2024, 10:05 Uhr

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