Internationaler Frauentag
Frauen arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Jobs und sind stärker von Armut betroffen. Gegen Frauenarmut anzugehen, haben CDU und SPD in Berlin im Koalitionsvertrag verabredet. Die Opposition vermisst allerdings wirksame Strategien. Von Kirsten Buchmann
Frauen, die obdachlos sind, Frauen, die bei der Tafel für Essen anstehen, Frauen, die beim Einkaufen jeden Cent umdrehen müssen - Frauenarmut in Berlin hat viele Gesichter. "Das Geschlecht erhöht das Risiko für Armut", sagt Susanne Maier, Vorstandsmitglied des Deutschen Frauenrats.
Besonders betroffen sind ihr zufolge weiterhin Alleinerziehende, Frauen mit Migrationsgeschichte, Frauen mit Behinderungen - sowie ältere Frauen. "Das liegt natürlich daran, dass die Rente unser Erwerbsleben spiegelt und Frauen ganz andere Erwerbsbiografien mitbringen als Männer."
Gerade ab dem Alter von 30 Jahren machen sich laut Susanne Maier Unterschiede zwischen den Geschlechtern bemerkbar, besonders mit der Geburt des ersten Kindes. Viele Frauen gingen danach in Elternzeit und leisten unbezahlte Arbeit, "die Männer arbeiten nach der Geburt sogar mehr als vorher."
Nach der Elternzeit kehrten Frauen oft erst mal in Teilzeit in den Beruf zurück – und blieben lange in Teilzeit, sagt Maier. Später, wenn die Kinder größer seien, müssten Frauen oft Angehörige pflegen. Die Folge sei eine "sehr zerstückelte Erwerbsbiografie mit vielen Teilzeit- und einigen Erwerbslosenphasen." Das bemerke man "ganz drastisch am Ende des Lebens bei der Rente".
Bei Frauen über 65 Jahren ist das Armutsrisiko deutschlandweit besonders hoch. 20,3 Prozent der Frauen sind davon betroffen. Bei Männern sind es in dieser Altersgruppe 15,9 Prozent. Insgesamt über alle Altersgruppen hinweg liegt das Armutsrisiko bei Frauen bei 15,4 Prozent. Bei Männern sind es 13,9 Prozent.
Berlins Gleichstellungs- und Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) sagt, das Wichtigste, um Frauenarmut zu verhindern, sei eine existenzsichernde, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: "Wir fördern zahlreiche Beratungs- und Bildungsangebote in Berlin, die sich darum kümmern, dass Frauen eine gute Ausbildung oder Weiterbildung machen". Ihr gehe es darum, dass sie auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen oder sich weiterentwickeln.
CDU und SPD in Berlin wollen "Frauenarmut konsequent bekämpfen", so steht es in ihrem Koalitionsvertrag auf Landesebene, den sie im April vergangenen Jahres unterzeichneten. Ein Ziel darin lautet: "Flexiblere Arbeitszeitmodelle und Möglichkeiten zum flexiblen, mobilen Arbeiten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden ausgebaut." Ein weiters zentrales Ziel ist gleiches Entgelt "bei gleicher und gleichwertiger Arbeit".
Die Fakten lauten: Im Jahr 2023 bekamen Männer in Berlin für ihre Arbeit pro Stunde durchschnittlich 25,91 Euro brutto, Frauen dagegen 22,97 Euro – fast drei Euro oder elf Prozent weniger, laut Zahlen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg. In Berlin gingen Männer im vergangenen Jahr durchschnittlich 147 Stunden im Monat einer bezahlten Arbeit nach, Frauen nur 135 Stunden. Frauen verbrachten also acht Prozent weniger Zeit mit bezahlter Arbeit.
Die frauenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Aldona Niemczyk, will mehr Chancengleichheit und Flexibilität für Frauen erreichen. Ein Ansatz: Insbesondere durch neue Modelle für Führungskräfte im öffentlichen Dienst will sie sicherstellen, "dass talentierte Fachkräfte unabhängig von ihren individuellen Lebensumständen Zugang zu Führungspositionen haben".
In einem gemeinsamen Antrag fordert die schwarz-rote Koalition den Senat konkret auf, Jobsharing-Modelle für Führungskräfte zu entwickeln. Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Mirjam Golm will, dass der öffentliche Dienst Vorreiter ist, was familienfreundlichere Arbeitsbedingungen angeht, auch durch "Führen in Teilzeit." Das heißt, etwa einen Führungsposten zu teilen, sodass ihn zwei Personen ausfüllen können, die dort "entsprechend ihrer Qualifikation arbeiten können". Bis Ende des Jahres soll ein Plan vorliegen, wie der Senat das umsetzen will.
Bahar Haghanipour, die frauenpolitische Sprecherin der oppositionellen Grünen, wirft der Koalition dagegen vor, keine wirksamen Strategien gegen Frauenarmut zu haben, "beispielsweise bräuchten wir hier in Berlin einen Mindestlohn von über 14 Euro". Das sei nötig, damit Frauen von ihrem Lohn leben könnten.
Die Linken-Abgeordnete Ines Schmidt pocht ebenfalls darauf, den Mindestlohn anzuheben. Dass Frauen besser bezahlt würden, sei schließlich auch für ihre Zukunft wichtig, rechnet sie mit Bezug auf eine Anfrage der Linken im Bundestag vor: "Fast 40 Prozent der Frauen, die in Vollzeit arbeiten, werden eine Rente von unter 1.000 Euro bekommen."
Gleichstellungssenatorin Cansel Kiziltepe hat angekündigt, den Mindestlohn "schon bald" substanziell anzuheben. Weil Frauen häufig in "prekären, niedrig entlohnten Beschäftigungsverhältnissen" arbeiteten, so die Senatorin, kämen gesetzliche wie auch Branchen-Mindestlöhne "überproportional Frauen zugute". Wie hoch der neue Mindestlohn ausfallen soll, beziffert sie zunächst nicht.
Susanne Maier vom Deutschen Frauenrat mahnt, in den letzten Jahren sei die Situation von Frauen nicht bedeutend besser geworden, wenn man auf einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren schaue, "sogar eher schlimmer".
Sie spielt dabei auf Rahmenbedingungen wie die Wirtschafts- und Energiekrise, die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine an: "Gerade alleinerziehende Frauen, Migrantinnen oder ältere Frauen leiden unter den gestiegenen Lebensmittelpreisen oder den schlicht nicht mehr bezahlbaren Mieten." Bei einem kleinen Gehalt bleibe am Ende des Monats noch viel weniger übrig.
Sendung: rbb24 Inforadio, 08.03.2024, 10:20 Uhr
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