Berliner Verkehrsverwaltung
Gelder für geplante Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in mehreren Bezirken hat die Berliner Verkehrsverwaltung gekürzt. Die Stadträte aus vier Bezirken zeigen sich entsetzt über die Entscheidung. Von Jan Menzel
Zahlreiche Berliner Bezirke haben vom Senat Absagen für Projekte zur Verkehrsberuhigung und für mehr Verkehrssicherheit bekommen. Allein in Friedrichshain-Kreuzberg geht es um fast 300.000 Euro. In Tempelhof-Schöneberg ist ein Kiezblock betroffen, den sich Anwohner wünschen und den die Bezirksverordnetenversammlung beschlossen hat. Die Verkehrsverwaltung begründet ihre Entscheidung in einer Mail mit knappen Haushaltsmitteln.
"Jetzt schlägt voll durch, dass die schwarz-rote Koalition eben keinen belastbaren Haushalt beschlossen hat, sondern nachträglich kürzen muss", sagte die Verkehrsstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Saskia Ellenbeck (Grüne), dem rbb. Ihr Bezirk hatte den Antrag gestellt, einen Kiezblock rund um die Akazienstraße einzurichten. Damit sollen unter anderem Schulwege sicherer und der Abkürzungs-Verkehr durch das Viertel reduziert werden.
Für den Kiezblock hatten Anwohner:innen Unterschriften gesammelt. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschloss das Projekt daraufhin. Das Bezirksamt beantragte die Maßnahme Anfang des Jahres. 200.000 Euro werden für ein Gutachten, Planung und das Konzept gebraucht. Dieses Geld kommt nun nicht. "Hochproblematisch" nennt Stadträtin Ellenbeck das. Schließlich hätten Anwohner und BVV den "klaren demokratischen Willen" artikuliert.
Eine Absage-Mail der Verkehrsverwaltung hat auch der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bekommen. Dort wurden Mittel für Projekte nicht bewilligt, mit denen unter anderem in der südlichen Friedrichstadt Vorhaben geplant waren. Insgesamt geht es um 299.000 Euro, die der Bezirk nicht erhält. "Damit macht der Senat einmal mehr deutlich, dass Verkehrssicherheit für ihn ein reines Lippenbekenntnis ist", so Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne). Sie geht nach eigener Aussage davon aus, dass beschlossene und bereits gestartete Projekte und Maßnahmen abgebrochen werden müssen.
In Lichtenberg wiederum fiel von zwei beantragten Projekten eins hinten runter. Für den Kaskelkiez genehmigte die Senatsverwaltung 50.000 Euro. Dort sollen die Ampelschaltungen untersucht werden. Dagegen steht der Kiezblock rund um die Weitlingstraße auf der Kippe. Der Bezirk hatte hier 80.000 Euro beantragt. Verkehrsstadträtin Filiz Keküllüoglu (Grüne) will zwar prüfen, ob nicht doch noch kleinere Maßnahmen realisiert werden können. Doch auch sie spricht von einem "fatalen Signal".
Keküllüoglu kritisiert insbesondere, dass die Verkehrsverwaltung ihre Entscheidungen nicht nachvollziehbar begründet. Es würden keine Kriterien übermittelt, nach denen entschieden werde. Erst kürzlich hätten die Verkehrsstadträtinnen und -räte mit Mobilitätssenatorin Manja Schreiner (CDU) zusammengesessen, ohne dass die Kürzungen bei den Kiezblocks angesprochen worden wären. "Ich hätte mir da eine Kommunikation der Senatorin gewünscht", so Keküllüoglu.
Die Mobilitätsverwaltung hat in einer Mail, die dem rbb vorliegt, mitgeteilt, dass die Bezirke mehr Geld für Projekte beantragt hätten, als verfügbar sei. Deswegen könnten "nicht alle angemeldeten Maßnahmen berücksichtigt werden", heiß es weiter. Ein Sprecher der Verwaltung präzisierte auf Anfrage, dass im entsprechenden Haushaltstitel "Entwicklung von Verkehrskonzepten und Begleituntersuchungen in den Bezirken" für dieses Jahr 400.000 Euro veranschlagt seien. Davon sei aber rund die Hälfte durch laufende Projekte aus dem Vorjahr "vorbelastet"- das Geld ist also schon gebunden und kann nicht neu ausgegeben werden.
Hinzu kommt noch, dass der Titel im vergangenen Jahr mit 700.000 Euro noch deutlich besser ausgestattet war. Trotz der Absage von zehn Projekten können aber laut Verkehrsverwaltung neun Vorhaben in Angriff angenommen werden. Dazu zählen der Kiezblock an der Winsstraße in Prenzlauer Berg, der Kiezblock Kungerkiez in Treptow-Köpenick und die Verkehrsberuhigung am Bahnhofsvorplatz Lichterfelde West. Der Sprecher der Verkehrsverwaltung verwies auch darauf, dass die "Kiezblock-Offensive" in Mitte und die Umgestaltung des Bergmannkiezes vom Land gefördert werde.
Die große offene Frage bleibt aber für die Lichtenberger Verkehrsstadträtin Keküllüoglu, ob die Gelder für neue Verkehrskonzepte nur in diesem Jahr ausbleiben oder ob nun generell Vorhaben und Kiezblocks vor dem Aus stehen.
Diese Sorge treibt auch den Neuköllner Verkehrsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) um. Sein Bezirk muss zwar nur auf 20.000 Euro verzichten, mit denen Verkehrsmessungen untersucht und fertige Projekte evaluiert werden sollten.
Aber der Stadtrat weiß auch, dass im Landeshaushalt für das kommende Jahr erneut ein Milliardenloch klafft. Daher fragt er sich, wie es mit der Einrichtung des Kiezblocks im Schillerkiez und dem von der Neuköllner BVV beschlossenen Kiezblock für den Kranoldkiez weitergehen kann. "Große Sorgen" bereite ihm, dass schon in diesem Jahr "so gut wie keine" neuen Radverkehrsprojekte und Vorhaben für mehr Verkehrssicherheit bewilligt worden seien, sagt Biedermann.
Auch seine Kollegin aus Tempelhof-Schöneberg, Saskia Ellenbeck, beklagt, dass den Bezirken jegliche Planungssicherheit genommen werde: "Wir werden ausgebremst." Von einer "erneuten Hängepartie" spricht der Neuköllner Verkehrsstadtrat Biedermann. Schon die vorläufige Haushaltswirtschaft 2022 und der Regierungswechsel im vergangenen Jahr hätten zu massiven Verzögerungen und Verschiebungen geführt.
Sendung: rbb24 Abendschau, 15.03.2024, 19:30 Uhr
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Beitrag von Jan Menzel
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