Schulgesetz in Berlin
Die Berliner Koalition will das Aufnahmeverfahren für das Gymnasium ändern. So sollen Kinder mit einem Notendurchschnitt unter 2,3 in Kernfächern ihre Eignung für das Gymnasium nachweisen müssen. Eltern sehen das kritisch. Von Kirsten Buchmann
Antje Dietrich hat zwei Töchter im Grundschulalter. Sie ist froh, dass sich die Ältere noch nach dem bisherigen Verfahren für einen Platz am Gymnasium bewerben konnte. Denn laut einem Entwurf der Bildungsverwaltung sollen die für die Aufnahme am Gymnasium relevanten Zeugnisnoten künftig nur noch die Fächer Deutsch, Mathe und erste Fremdsprache umfassen.
Antje Dietrich fürchtet, dass das einen Teil der Kinder benachteiligen wird: "Es gibt Kinder, die in Mathe und Physik begabt sind, denen fällt es manchmal gerade in Englisch etwas schwerer." Zudem gebe es in Berlin einen höheren Anteil Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
Für Kinder mit Sprachdefiziten müsse es einen Ausgleich geben, fordert deshalb die Mutter und Elternvertreterin aus Marzahn-Hellersdorf. In dem bisherigen Verfahren zählen für die sogenannte Förderprognose für die Aufnahme an der Oberschule alle Noten, wobei die Fächer außer Kunst, Musik und Sport doppelt gewichtet werden. Insgesamt ergebe sich dadurch ein breiteres Bild, sagt Antje Dietrich.
Die Verengung auf drei Fächer "erhöht den Druck", fürchtet die Grünen-Politikerin im Berliner Abgeordnetenhaus Marianne Burkert-Eulitz. Ähnlich sieht das Franziska Brychcy von der Linken. Sie sei besorgt, "ob die Schülerinnen und Schüler in der sechsjährigen Grundschule unter noch stärkeren Leistungsdruck geraten."
Aus Sicht von Arnd Niedermöller von der Vereinigung der Berliner Oberstudiendirektorinnen und -direktoren ist dagegen der Fokus auf die Kernfächer sinnvoll. Denn wenn jemand zum Beispiel in Deutsch Schwierigkeiten habe, "hat er es mit der Lesekompetenz in anderen Fächern auch nicht leicht."
Vor rund zwei Wochen war ein Referentenentwurf der Berliner Bildungsverwaltung für die geplante Schulgesetzänderung bekannt geworden. Die Details darin zu dem künftigen Aufnahmeverfahren für das Gymnasium: Schülerinnen und Schüler mit einem Notendurchschnitt niedriger als 2,3 in Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache im zweiten Halbjahr der fünften und im ersten Halbjahr der sechsten Klasse sollen für das Gymnasium ihre Eignung nachweisen müssen. Das soll durch einen erfolgreichen Probeunterricht am Gymnasium geschehen.
Dass neue Aufnahmeregeln für das Gymnasium nötig seien, hatte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) gegenüber dem rbb Anfang März damit begründet, dass rund 50 Prozent der Kinder ohne Gymnasialempfehlung das Probejahr in der siebten Klasse nicht schafften.
Sie müssten deshalb auf die Sekundarschule wechseln. Eine Zahl, die die Bildungsverwaltung inzwischen auf 34 Prozent korrigierte für das Schuljahr 2022/23. Das heißt auch: Rund zwei Drittel der Kinder, die eigentlich keine Gymnasialempfehlung hatten, haben das Probejahr geschafft.
Der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise, argumentiert denn auch, die Zahlen gäben es nicht her, das Übergangsverfahren zu ändern. Sie gäben "keinen Aufschluss" darüber, welchen Schulabschluss Schülerinnen und Schüler später erreichen.
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch dagegen verteidigt das geplante neue Aufnahmeverfahren. Ihr gehe es darum, damit Kindern die bestmögliche Schulform zuzuweisen: "Wir setzen den NC bei 2,3 fest und ermöglichen zusätzlich auf Antrag noch einen Probeunterricht."
Laut den Plänen der Bildungsverwaltung soll ein eintägiger Probeunterricht vor der Anmeldung für das Gymnasium künftig zeigen, ob ein Kind mit einem Notendurchschnitt schlechter als 2,3 in den Kernfächern für das Gymnasium geeignet ist.
Elternvertreterin Antje Dietrich kann sich allerdings noch nicht vorstellen, dass ein eintägiger Probeunterricht tatsächlich spiegelt, wie ein Kind, das aufs Gymnasium möchte, tickt: "Ich habe sehr ruhige Kinder, die in der Schule nicht so aus sich rausgehen." Sie wisse nicht, "ob das jemand von außen an einem Tag beurteilen kann." Wie genau der eintägige Probeunterricht aussehen soll, ist noch nicht bekannt. Das will die Bildungsverwaltung durch eine Verordnung regeln.
Bereits enthalten ist im Entwurf für die geplante Schulgesetzänderung, dass das Probejahr in Klasse sieben am Gymnasium wegfallen soll. Wer es nicht besteht, muss bisher auf eine Sekundarschule wechseln. Dass das Probejahr in Jahrgangsstufe sieben in Zukunft entfallen soll, stößt auch bei Eltern auf Zustimmung.
Sendung: rbb24 Abendschau, 14.03.24, 19:30 Uhr
Beitrag von Kirsten Buchmann
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