Drogenpolitik
Der Bundesrat hat am Freitag das umstrittene Gesetz zur Freigabe von Cannabis passieren lassen. Der Vermittlungsausschuss wurde nicht angerufen. Damit wird der Konsum und der Besitz von Cannabis in begrenzter Menge zum 1. April legal.
Der Weg für die teilweise Legalisierung von Cannabis in Deutschland ist nach jahrzehntelangen Diskussionen frei. Der Bundesrat ließ am Freitag ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz passieren, mit dem zum 1. April Besitz und Anbau der Droge für Volljährige mit zahlreichen Vorgaben für den Eigenkonsum erlaubt werden.
Trotz vieler Kritikpunkte gab es keine Mehrheit dafür, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss mit dem Parlament zu schicken und so vorerst auszubremsen. Um ein Scheitern abzuwenden, hatte die Bundesregierung zuletzt noch zugesichert, einige Regelungen nachträglich zu ändern.
Die Zäsur in der Drogenpolitik kann damit in wenigen Tagen am Ostermontag in Kraft treten. Das Gesetz muss zuvor noch amtlich verkündet werden, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier es unterzeichnet hat.
Brandenburg stimmte für die Aufrufung des Vermittlungsausschusses.
Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) äußerte während der Debatte Kritik am Gesetz: "Jetzt treiben mich Wut und Enttäuschung an dieses Rednerpult", so Hoffmann. Es gehe ihr nicht um das 'ob', sondern um das 'wie', sagte Hoffmann. "Wenn, dann bitte nicht so!".
Das Ziel, den Schwarzmarkt auszutrocknen, werde das Gesetz nicht erreichen. "Das Gegenteil wird der Fall sein", sagte Hoffmann. Es sei "völlig realitätsfern", dass die geplanten Cannabis-Clubs "auch nur annähernd" den Bedarf an Cannabis decken könnten. Denn diese würden starken Restriktionen unterliegen. So würde die steigende Nachfrage nach Cannabis vor allem dem Schwarzmarkt zugute kommen.
Auch die geplante Amnestieregelung von Altfällen kritisierte Hoffmann. Das Gesetz sieht vor, dass noch nicht vollständig vollstreckte Strafen wegen Cannabisdelikten, die künftig nicht mehr strafbar wären, erlassen werden müssen. Bundesweit müssten nun "etwa 100.000 Verfahren" neu den Richterinnen und Richtern vorgelegt werden, so Hoffmann.
Auch die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) zeigte sich kritisch. "Wenn die Amnestiefälle abgearbeitet sind, wird es auch nicht besser", hieß es. Die geplanten Abstandsregeln zu Kitas und Sportplätze nannte Badenberg "kurios" und fragte, ob die Staatsanwaltschaft die Polizei demnächst "mit Maßbändern losschicken" solle - um die Abstandsregheln zu kontrollieren.
Man habe sich in Berlin das Ziel gesetzt, die organisierte Kriminalität besser zu bekämpfen und dafür auch die Staatsanwaltschaft verstärkt. Nun müssen man schauen, ob man diese Verstärkung zur Vermessung von Cannabis-Sperrzonen einsetzen müsse.
Dennoch enthielt sich Berlin bei der Frage, ob ein Vermittlungsausschuss angerufen werden soll. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte gehofft, den Koalitionspartner SPD noch auf seine Seite zu ziehen, wie er sate. Er kritisierte die Legalisierung von Cannabis in Deutschland scharf.
Wegner bezeichnete das entsprechende Gesetz am Freitag als "Bürokratiemonster". Er hätte für das Land Berlin deshalb gerne den Vermittlungsausschuss angerufen, sagte er. Berlin werde nun alles dafür tun, Kinder und Jugendliche zu schützen sowie zu verhindern, dass Polizei und Justiz durch "unsinnige Regeln" lahmgelegt werden.
Neben Berlin und Brandenburg äußerten auch zahlreiche andere Bundesländer teils deutliche Kritik. Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) nannte das Gesetz einen Irrweg. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, diese Frage sei so zentral und so persönlich, "dass für mich klar war, ich werde einer Legalisierung von Drogen unter keinen Umständen zustimmen, auch wenn das Ärger in meiner sächsischen Koalition gibt."
Der sächsische Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) äußerte sich gegen eine Anrufung des Vermittlungsausschusses. Bei der Abstimmung votierte Sachsen dann uneinheitlich, die Stimme wurde daher als ungültig erklärt.
Dass das Gesetz die letzte Hürde nimmt, war bis kurz vor der Sitzung ungewiss gewesen. Drei Ausschüsse der Länderkammer hatten die Anrufung des Vermittlungsausschusses empfohlen. Der federführende Gesundheitsausschuss schlug vor, das Inkrafttreten des auf den 1. Oktober zu verschieben.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warb vor der Abstimmung für das Gesetz, das eine Chance sei, durch Entkriminalisierung und bessere Aufklärung besonders die junge Generation vor Konsum und dem Schwarzmarkt zu schützen. Zudem machte er den Ländern vor der Abstimmung weitere Zugeständnisse.
So werde sich das Bundesgesundheitsministerium dafür einsetzen, dass über 2024 hinaus zusätzliche Mittel zum Ausbau der Cannabisprävention in Höhe von sechs Millionen Euro bestehen bleiben. Auch ein Zentrum für Präventionsarbeit will der Bund nun mit 20 Millionen Euro fördern. Auch bei den Regeln für Cannabis-Clubs sei die Bundesregierung bereit, die Bedenken der Länder aufzugreifen. So solle die Kontrolle der Vereine nicht mehr jährlich erfolgen müssen, sondern nur noch in "regelmäßigen" Abständen.
Dafür sollen nun noch vor dem 1. Juli einige nachträgliche Änderungen am Gesetz umgesetzt werden.
Legal sein soll für Erwachsene ab 18 Jahren grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen erlaubt sein und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Kiffen im öffentlichen Raum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingang.
Erlaubt werden mit dem Gesetz auch nicht-kommerzielle "Anbauvereinigungen" für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben - im Monat höchstens 50 Gramm je Mitglied. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll eine erste Bewertung auch dazu vorgelegt werden, wie es sich auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 22.03.2024, 6 Uhr
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