Neues Gesetz in Kraft
Seit Montag ist Cannabis in Deutschland teilweise legal und vergiftet schon jetzt potenzielle Koalitionsgespräche in Brandenburg. Ministerpräsident Woidke setzt sich für eine Nachschärfung des Gesetzes ein und verärgert die Grünen.
Für den Brandenburger Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) ist die weitgehende Freigabe des Cannabiskonsums am 1. April für nicht tragbar. "Ich halte Änderungen für dringend notwendig", sagte er der Nachrichtenagentur DPA.
"Mir geht es um Gesundheitsschutz und viele weiterhin ungeklärte Fragen besonders im Bereich von Polizei und Justiz", so Woidke weiter. Deshalb habe er für die Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag gestimmt. "Für die Anrufung des Vermittlungsausschusses gab es leider keine Mehrheit im Bundesrat."
Der Bundesrat hatte am 22. März den Weg für eine Teil-Legalisierung von Cannabis in Deutschland freigemacht. Die Länderkammer ließ das vom Bundestag beschlossene Gesetz passieren, mit dem der Besitz und der Anbau der Droge zum 1. April für Volljährige mit Vorgaben erlaubt werden.
Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke reagierte verärgert über das Abstimmverhalten Brandenburgs und sprach von einem großen Vertrauensverlust, der auch Sondierungen und Koalitionsgespräche im September nach der Landtagswahl belasten könnte. Woidke (SPD) regiert bislang in einer Koalition mit CDU und Grünen.
Der Regierungschef begründete sein Vorgehen mit der Richtlinienkompetenz als Ministerpräsident. Anders als von der Koalition in Streitfällen vorgesehen, hatte sich Woidke nicht enthalten, sondern sich für ein Nachschärfen der Gesetzespläne eingesetzt.
Woidke verteidigte sein Vorgehen und sieht keinen Schaden für die rot-schwarz-grüne Koalition. "Ich habe aus meiner Verantwortung als Ministerpräsident für die Menschen meines Landes gehandelt", sagte er. "Selbstverständlich arbeiten wir in der Koalition weiterhin gut zusammen. Wir wollen und werden gemeinsam das Beste für Brandenburg erreichen."
Unterdessen feierten in Berlin zahlreiche Menschen in der Nacht zum Ostermontag die Legalisierung von Cannabis vor dem Brandenburger Tor. Kurz vor Mitternacht versammelten sich rund 1.500 Teilnehmer und hüllten das Wahrzeichen in Rauchschwaden, wie die Polizei dem rbb am Montag mitteilte.
Menschen über 18 Jahren dürfen bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis straffrei bei sich tragen. Zu Hause dürfen sie bis zu 50 Gramm aufbewahren und bis zu drei Cannabis-Pflanzen für den Eigenkonsum anbauen.
Cannabis kann ab April frei in der Öffentlichkeit konsumiert werden. Allerdings gibt es Ausnahmen. Im Umkreis von 100 Metern zu Kinder- und Jugendeinrichtungen wie etwa Schulen ist das Rauchen nicht erlaubt. Auch in der direkten Nähe von Minderjährigen darf nicht gekifft werden. In öffentlichen Gebäuden oder Gaststätten ist das Hausrecht zu beachten. Der freie Verkauf, wie es etwa in vielen Bundesstaaten der USA der Fall ist, bleibt weiterhin verboten.
[Alle Details zum neuen Gesetz und seinen Auswirkungen können Sie hier in unserem FAQ nachlesen.]
- Im öffentlichen Raum ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum für Erwachsene künftig legal
- In der privaten Wohnung können bis zu 50 Gramm aufbewahrt werden, für Heranwachsende (18-21 Jahre) gilt eine Obergrenze von 30 Gramm
- Der private Anbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum ist für Erwachsene mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland erlaubt; die Anzahl von drei Pflanzen gilt je volljähriger Person eines Haushalts
- Cannabis aus privatem Eigenanbau darf nicht an Dritte weitergegeben werden. Der Handel mit Cannabis bleibt kategorisch verboten
- Bars, Clubs und Kneipen dürfen den Umgang mit Cannabis-Konsum in ihren Räumen selber regeln. In öffentlichen Sportstätten wie beispielsweise Freibädern ist der Konsum verboten (siehe auch Jugendschutz).
- Der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen (sog. "Cannabis Social Clubs") mit maximal 500 Mitgliedern ist ab 1. Juli 2024 erlaubt; die Mitglieder müssen volljährig sein und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben
- Für Anbau und Weitergabe von Cannabis an die Mitglieder zum Eigenkonsum wird eine behördliche Erlaubnis benötigt
- Die Weitergabe von Cannabis darf nur in Reinform erfolgen und soll für Mitglieder auf 25 Gramm pro Tag und 50 Gramm pro Monat beschränkt werden; die Abgabe an Heranwachsende zw. 18 und 21 Jahren wird auf 30 Gramm pro Monat begrenzt, der THC-Gehalt darf hier maximal 10 Prozent betragen
- Der Konsum in Vereinsräumen ist verboten
- Es dürfen maximal sieben Cannabissamen oder fünf Stecklinge pro Monat für den Eigenanbau an ein Mitglied abgegeben werden
- Die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Vereinigungen ist verboten
- Die Zahl der Vereinigungen kann durch die Landesregierungen auf eine je 6.000 Einwohner pro Kreis oder kreisfreier Stadt begrenzt werden
- Offizielle Verkaufsstellen wie die in den Niederlanden geduldeten, aber formal illegalen "Coffeeshops" wird es nicht geben, sie sind mit EU-Recht nicht vereinbar
- Erwerb, Besitz und Konsum von Cannabis bleibt für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren verboten
- Privat angebautes Cannabis muss vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche sowie Dritte geschützt werden
- Werbung und Sponsoring für den Cannabiskonsum sowie für Anbauvereinigungen sind verboten
- Der Konsum von Cannabis ist in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr verboten, sowie in und in Sichtweite vom Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten wie Schwimmbädern
- Für die Definition von Sichtweite gilt ein Abstand von 100 Metern, darüberhinaus ist der Konsum sicher gestattet
- Die Prävention soll gestärkt werden, u.a. durch Präventionsmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie in den Anbauvereinigungen
- Eine im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums eingesetzte Expertenkommission schlägt einen Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum hinterm Steuer vor. Dieser sei in etwa vergleichbar mit einem Blutalkoholwert von 0,2 Promille
- Mischkonsum von Alkohol und Cannabis soll für Verkehrsteilnehmer grundsätzlich verboten sein: wer also gekifft hat, für den gelten 0,0 Promille
- Diese Regelung muss erst noch im Gesetz festgeschrieben werden
- Begangene Cannabis-Delikte, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes strafbar waren, aber seit dem 1. April erlaubt sind, müssen von der Justiz überprüft werden. Sind diese Delikte es nach neuer Regelung nicht mehr, gilt in den meisten Fällen eine Amnestieregelung. Die Justiz muss diese Urteile dann so behandeln, als sei das Cannabis-Delikt nicht begangen worden
- Der Besitz größerer Mengen Cannabis als 50 Gramm zuhause oder 25 Gramm in der Öffentlichkeit sowie der Handel mit Cannabis sind von dieser Amnestieregelung nicht betroffen - und bleibt strafbar
Sendung: Antenne Brandenburg , 31.03.2024, 13:30 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen