Cannabis-Social-Clubs
Nach der Cannabis-Legalisierung können Erwachsene drei Pflanzen zuhause anbauen. Oder man tritt in einem Anbauverein ein. Das dort gezogene Gras darf ab Juli an die Mitglieder abgegeben werden, doch vorher müssen noch Hürden genommen werden. Von V. Heib und W. Siebert
Wie viele "Cannabis Social Clubs" es in Berlin bereits gibt, lässt sich nicht genau ermitteln. Eins ist aber klar: Nach dem "Go" im Bundesrat zur Teil-Legalisierung von Cannabis gibt es in der Szene Aufbruchstimmung.
Nicht alle, mit denen wir gesprochen haben, drängt es an die Öffentlichkeit. Ein Club aus dem Ostteil Berlins, der anonym bleiben möchte, hat schon eine Anbaufläche. Und eigenen Angaben zufolge auch Räume angemietet, in denen bis zu 500 Mitglieder mit unterschiedlichen Sorten Cannabis versorgt werden sollen. "Bei der Suche nach Räumen haben wir oft Ängste der Vermieter erlebt: Wie viele Leute kommen denn da so? Und wie häufig?", sagt einer der Initiatoren. Als sie aber gehört hätten, dass Club-Mitglieder nicht permanent auf der Matte stehen würden und im Club auch nicht konsumiert werden darf, seien die Vermieter beruhigt gewesen.
Beim Anbauverein "High Ground" war das anders: "Wir haben erst mal abgewartet, bis die politische Entscheidung gefallen war", erzählt der Club-Vorstand Oliver Waack-Jürgensen. "Denn das Anmieten von Räumen ist ja teuer. Aber jetzt werden wir loslegen", sagt er, ein groß gewachsener 60-Jähriger mit einem markanten Backenbart.
Eine Anbaufläche hat der Verein auch schon. Der Verein hat laut Waack-Jürgensen 100 Mitglieder, ein Viertel davon seien Frauen. "Wir wollen langsam wachsen", sagt der Vorstand. Maximal 150 Mitglieder peile man an. Und die Mitglieder entschieden dann auch, welche Sorten angebaut und ausgegeben werden. "Mindestens eine Sorte kann dann auch für medizinische Zwecke verwendet werden", erzählt Waack-Jürgensen. Er ist selbst Schmerzpatient und konsumiert Cannabis-Blüten und -konzentrat.
Die Bundesregierung hat den Cannabis-Anbau legalisiert - unter Auflagen: Jeder Social-Club muss für seine Anbaufläche eine Lizenz beantragen. Die Club-Verantwortlichen müssen Führungszeugnisse vorlegen, voll geschäftsfähig sein und dürfen in den vergangenen fünf Jahren nicht wegen einschlägiger Delikte verurteilt worden sein. Die Zahl der Clubmitglieder ist auf 500 begrenzt. Jeder Club muss genau dokumentieren, was er angebaut hat. Cannabis darf nur an Mitglieder ausgegeben werden, der Handel ist verboten.
Dokumentiert werden muss auch, wieviel Gras die Mitglieder abnehmen. Bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 21 Jahren darf der Anteil des psychoaktiven Wirkstoffs THC (Tetrahydrocannabinol) maximal 10 Prozent betragen. Jeder Club muss einen Präventionsbeauftragten und ein entsprechendes Jugendschutzkonzept vorweisen. Die Anbaufläche muss einbruchssicher sein und darf nur von Clubmitgliedern betreten werden. Die Behörden können die Clubs auch unangemeldet kontrollieren.
Die Bundesregierung will mit diesen Auflagen einen kontrollierten Anbau sicherstellen, wie sie sagt. Anders, als oft auf dem Schwarzmarkt, soll das Cannabis frei von Streckmitteln sein. Die Konsumenten sollen auch wissen, wie stark das Produkt ist, das sie bekommen. Steffen Geyer hingegen nennt das Gesetz ein "bürokratisches Monster": "Mindestens 100 Stellen im Gesetz sind überbürokratisch. Manches ist wahrscheinlich auch nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung zu vereinbaren", kritisiert Geyer, der sich seit mehr als 20 Jahren für die Legalisierung von Cannabis eingesetzt hat. Und er ist Vorstand im "Dachverband der deutschen Cannabis Social Clubs" und leitet das Berliner "Hanf Museum".
Auch Oliver Waack-Jürgensen von "High Ground" sieht das Cannabisgesetz kritisch, wie er sagt: "Wir nennen uns Social Club, aber das Gesetz degradiert uns zu reinen Cannabis-Abgabestellen." Er kommt gerade von einem Branchentreffen aus Barcelona, dort sei das anders geregelt. Dort könne man auch gemeinsam konsumieren.
Ein zweiter Punkt ist die geforderte Dokumentation der Cannabis-Abgaben: "Es ist völlig ausgeschlossen, dass wir die Klarnamen unserer Mitglieder angeben, ihr Konsumverhalten und anderes", sagt Waack-Jürgensen. Er wolle diese Daten nur anonymisiert weitergeben. "Es wird mutige Clubs geben, die die Regeln brechen. Und dann wird es Klagen geben. Denn wir wollen für viele Bestimmungen des Gesetzes eine Begründung bekommen."
Bis zur ersten Cannabis-Abgabe in einem Anbauverein wird es wohl noch eine Weile dauern. Erst ab dem 1. Juli können die Clubs einen Antrag stellen, um eine Lizenz zu bekommen. Bislang ist aber noch nicht einmal geklärt, bei welcher Behörde diese Anträge eingereicht werden müssen. Die Innenverwaltung des Senats bestätigte auf Anfrage des rbb, dass man sich damit erst nach der politischen Entscheidung im Bundesrat beschäftigen wird - die nun allerdings gefallen ist.
Waack-Jürgensen rechnet deshalb damit, dass sein Club "High Ground" den Mitgliedern erst Anfang 2025 Cannabis aus eigenem Anbau anbieten kann, sagt er. Für drei bis acht Euro pro Gramm, manche Sorten auch für zehn Euro. Das ist mehr als auf dem Schwarzmarkt. "Wir sind für den Schwarzmarkt und die Organisierte Kriminalität keine Konkurrenz", sagt Waack-Jürgensen. Gelegenheitskiffer und Touristen würden sich ihren Stoff auch weiterhin an Orten wie dem Görlitzer Park holen. "Wenn die Politik den Schwarzmarkt austrocknen will, dann muss sie lizenzierte Cannabis-Fachgeschäfte zulassen", sagt er. (Anmerkung der Redaktion: Staatlich lizensierte Verkaufsstellen, wie sie die Bundesregierung ursprünglich einführen wollte, verstießen gegen EU-Recht. Nur wissenschaftlich begleitete Modellprojekte wären nach Ansicht von Rechtsexperten möglich. Diese plant die Bundesregierung auch, allerdings nur an wenigen Orten.)
So wird Cannabis in Deutschland zumindest ein Stückweit legalisiert, Konsumenten werden entkriminalisiert. Welche Auswirkungen das neue Gesetz hat, will die Bundesregierung schließlich nach vier Jahren auswerten. Und damit auch die Arbeit der Cannabis-Social-Clubs.
- Im öffentlichen Raum ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum für Erwachsene künftig legal
- In der privaten Wohnung können bis zu 50 Gramm aufbewahrt werden, für Heranwachsende (18-21 Jahre) gilt eine Obergrenze von 30 Gramm
- Der private Anbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum ist für Erwachsene mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland erlaubt; die Anzahl von drei Pflanzen gilt je volljähriger Person eines Haushalts
- Cannabis aus privatem Eigenanbau darf nicht an Dritte weitergegeben werden. Der Handel mit Cannabis bleibt kategorisch verboten
- Bars, Clubs und Kneipen dürfen den Umgang mit Cannabis-Konsum in ihren Räumen selber regeln. In öffentlichen Sportstätten wie beispielsweise Freibädern ist der Konsum verboten (siehe auch Jugendschutz).
- Der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen (sog. "Cannabis Social Clubs") mit maximal 500 Mitgliedern ist ab 1. Juli 2024 erlaubt; die Mitglieder müssen volljährig sein und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben
- Für Anbau und Weitergabe von Cannabis an die Mitglieder zum Eigenkonsum wird eine behördliche Erlaubnis benötigt
- Die Weitergabe von Cannabis darf nur in Reinform erfolgen und soll für Mitglieder auf 25 Gramm pro Tag und 50 Gramm pro Monat beschränkt werden; die Abgabe an Heranwachsende zw. 18 und 21 Jahren wird auf 30 Gramm pro Monat begrenzt, der THC-Gehalt darf hier maximal 10 Prozent betragen
- Der Konsum in Vereinsräumen ist verboten
- Es dürfen maximal sieben Cannabissamen oder fünf Stecklinge pro Monat für den Eigenanbau an ein Mitglied abgegeben werden
- Die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Vereinigungen ist verboten
- Die Zahl der Vereinigungen kann durch die Landesregierungen auf eine je 6.000 Einwohner pro Kreis oder kreisfreier Stadt begrenzt werden
- Offizielle Verkaufsstellen wie die in den Niederlanden geduldeten, aber formal illegalen "Coffeeshops" wird es nicht geben, sie sind mit EU-Recht nicht vereinbar
- Erwerb, Besitz und Konsum von Cannabis bleibt für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren verboten
- Privat angebautes Cannabis muss vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche sowie Dritte geschützt werden
- Werbung und Sponsoring für den Cannabiskonsum sowie für Anbauvereinigungen sind verboten
- Der Konsum von Cannabis ist in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr verboten, sowie in und in Sichtweite vom Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten wie Schwimmbädern
- Für die Definition von Sichtweite gilt ein Abstand von 100 Metern, darüberhinaus ist der Konsum sicher gestattet
- Die Prävention soll gestärkt werden, u.a. durch Präventionsmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie in den Anbauvereinigungen
- Eine im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums eingesetzte Expertenkommission schlägt einen Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum hinterm Steuer vor. Dieser sei in etwa vergleichbar mit einem Blutalkoholwert von 0,2 Promille
- Mischkonsum von Alkohol und Cannabis soll für Verkehrsteilnehmer grundsätzlich verboten sein: wer also gekifft hat, für den gelten 0,0 Promille
- Diese Regelung muss erst noch im Gesetz festgeschrieben werden
- Begangene Cannabis-Delikte, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes strafbar waren, aber seit dem 1. April erlaubt sind, müssen von der Justiz überprüft werden. Sind diese Delikte es nach neuer Regelung nicht mehr, gilt in den meisten Fällen eine Amnestieregelung. Die Justiz muss diese Urteile dann so behandeln, als sei das Cannabis-Delikt nicht begangen worden
- Der Besitz größerer Mengen Cannabis als 50 Gramm zuhause oder 25 Gramm in der Öffentlichkeit sowie der Handel mit Cannabis sind von dieser Amnestieregelung nicht betroffen - und bleibt strafbar
Sendung: rbb24 Inforadio, 28.03.2024, 8 Uhr
Beitrag von Valentin Heib und Wolf Siebert
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