Berliner Umweltausschuss
Berlin braucht weitere Unterkünfte für Geflüchtete, deswegen soll das Containerdorf auf dem Tempelhofer Feld erweitert werden. Das haben CDU und SPD nun durchgesetzt. Die Opposition wittert aber noch andere Motive. Von Sebastian Schöbel
Es geht um etwas mehr als 14 Hektar Tempelhofer Feld, im Schatten des alten Radarturms am Eingang Columbiadamm: Hier will der schwarz-rote Berliner Senat weitere Wohncontainer für Geflüchtete aufstellen. Dafür soll erneut das Gesetz geändert werden, das die Bebauung des Tempelhofer Feldes verbietet.
"Es geht um eine befristete Unterbringung", betont Staatssekretärin Britta Behrendt (CDU) am Donnerstag im Umweltausschuss, der nun final über die Pläne zu entscheiden hatte. Bis Ende 2028 sollen die Container dort stehen dürfen. "Danach besteht die Pflicht zum Rückbau dieser temporären Unterbringung." Die bereits aufgebauten Tempohomes haben nur noch eine Duldung bis Ende 2025.
Die zusätzlichen Kapazitäten, so Behrendt, brauche Berlin dringend. Jeden Monat kämen 1.500 bis 1.800 Geflüchtete und Asylbewerber nach Berlin. Schon jetzt sei klar, dass "wir spätestens im Juni, Juli an unsere Kapazitätsgrenzen stoßen".
Ein kleines Stück weniger Freifläche zur Naherholung, um Menschen in Not unterzubringen: So stellt sich der Kompromiss für CDU und SPD dar. Es gehe darum, "Menschen zu helfen", sagt Danny Freymark (CDU), "nicht darum, weitere Fakten zu schaffen, um eine weitere Bebauung möglich zu machen".
Für die SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill verbietet sich ein Nein zu den Erweiterungsplänen regelrecht. Sie verweist auf rechtspopulistische Versuche, mit Migrationspolitik die Gesellschaft zu spalten. "Gerade sie als Grüne und Linke sind eingeladen, hier gemeinsam zu zeigen: Berlin hilft Menschen, die Schutz brauchen."
Was die Angesprochenen sichtlich verärgert: Beide Parteien weisen im Umweltausschuss den Vorwurf zurück, ein freies Tempelhofer Feld sei ihnen wichtiger als ein Dach über dem Kopf für Menschen in Not. Dass Berlin mehr Unterkünfte braucht, stelle niemand außer der AfD infrage, sagt Julian Schwarze (Grüne). Ihm gehe es auch nicht um das Ob, sondern das Wie bei der Erweiterung des Containerdorfes. Denn die 14 Hektar am Eingang Columbiadamm seien schon durch Sportanlagen belegt.
Die sollen laut den Plänen der Regierungskoalition erst ersetzt werden, und zwar auf dem Tempelhofer Feld, bevor weitere Tempohomes aufgestellt werden können. Betroffen sein können neben einem Basketball- und einem Tennisplatz auch eine Baseball-Anlage. Die anderswo auf dem Feld zu ersetzen sei bereits ein Widerspruch zum geltenden Gesetz, betont Schwarze. Vor allem aber wäre es keine schnelle Lösung für das Kapazitätsproblem.
"Das bedeutet, dass sie von dieser Fläche in den kommenden Jahren erstmal gar nichts nutzen können, weil sie erstmal Bauanträge stellen und bauen müssen, zum Beispiel Sportanlagen", so Schwarze. Einfacher wäre eine andere Lösung: "Wenn es also um Geschwindigkeit geht, nutzen Sie das Vorfeld."
Denn das ehemalige Rollfeld vor den Tempelhofer Hangars ist schon betoniert, so Schwarze, außerdem greife dort das Bebauungsverbot des Tempelhofer-Feld-Gesetzes nicht. Zudem liegen auf der geplanten Erweiterungsfläche am Columbiadamm Reste eines NS-Zwangsarbeiterlagers unter der Erdoberfläche, die bewahrt werden müssten.
Das Rollfeld wird allerdings für Großveranstaltungen vermietet. Die Berliner Band Die Ärzte spielt dort zum Beispiel im Sommer vier Konzerte, auch die Formel-E ist regelmäßig zu Gast. Die zuständige Tempelhof Projekt GmbH teilte auf rbb-Nachfrage mit, man halte mit Veranstaltungen bereits Abstand zum Containerdorf. Eine Ausweitung der Tempohomes auf das Rollfeld könnte die Vermarktung der Fläche also möglicherweise einschränken.
Auch die Linken lehnen die Erweiterung ab - allerdings auch den Gegenvorschlag der Grünen. Denn sie befürchten, dass sich hinter den Plänen von CDU und SPD noch etwas anderes verbirgt: die schleichende Aufweichung des Tempelhofer-Feld-Gesetzes, um eine spätere Randbebauung möglich zu machen.
Katalin Gennburg (Linke) wirft der schwarz-roten Koalition vor, die Flüchtlingssituation lediglich auszunutzen, um moralisch Druck aufzubauen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass allen Menschen, die dafür demonstrieren, dass Volksgesetze respektiert werden, gesagt wird: Wenn ihr dagegen seid, seid ihr gegen die Unterbringung von Geflüchteten." Berlin habe "genug Platz", so Gennburg. "Der Raum ist nur hochgradig unsozial verteilt."
Alexander Bertram (AfD) kritisiert ganz grundsätzlich, dass zu viele Migranten nach Deutschland kämen. Dass nun die Großunterkunft in Tempelhof, wo inzwischen schon die Nutzung eines weiteren Hangars im Gespräch ist, geplant werde, untergrabe zudem den Volksentscheid von 2014. "Für uns ist klar, dass eine Änderung des Tempelhofer-Feld-Gesetzes nur über einen neuen Volksentscheid machbar ist."
Am Ende bringen die beiden Koalitionsfraktionen im Umweltausschuss die Erweiterung der Containersiedlung mit ihrer Mehrheit durch, gegen die Stimmen der gesamten Opposition. Ähnlich wird es wohl bald auch im Plenum passieren. Bis die ersten neuen Tempohomes auf dem Tempelhofer Feld stehen, wird es allerdings noch deutlich länger dauern.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.03.2024, 11:42 Uhr
Beitrag von Sebastian Schöbel
Artikel im mobilen Angebot lesen