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Audio: Fritz | 04.04.2024 | Nachrichten | Quelle: imago images/Kremming

Für 50 Euro im Internet

Kommerzielle Anbieter handeln mit Terminen beim Berliner Einwanderungsamt

Zu wenig Personal, tausende unbeantwortete E-Mails und kein einziger freier Termin – die Probleme der Berliner Ausländerbehörde sind bekannt. Nun aber kommt noch eins dazu: Kommerzielle Webseiten greifen die wenigen Termine ab und verkaufen sie im Netz. Von Efthymis Angeloudis

Ein Bild der Berliner Innenstadt, samt Dom und Fernsehturm, das Logo mit dem Brandenburger Tor und die Landesfarben in rot-weiß: Auf den ersten Blick sieht die Homepage des Anbieters Appointments Berlin den Seiten der Senatsverwaltung zum Verwechseln ähnlich - wohl bewusst. Nur wenn man oben rechts den Reiter "NOW only for 50€ - Book it now" sieht, wird man stutzig.

Denn auf der Webseite appointmentsberlin.com werden Termine verkauft - Termine beim Landesamt für Einwanderung. Und die sind Mangelware.

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"Wichtigste Behörde" nur über Schwarzmarkt erreichbar

Denn das Geschäft des dubiosen Anbieters fundiert auf den Defiziten der Landesbehörde und die sind all zu bekannt: Zehntausend unbeantwortete E-Mails und kein einziger Termin im nächsten halben Jahr – die Berliner Ausländerbehörde ist überlastet und kommt ihren Aufgaben nur noch schwer nach. Und das, obwohl das LEA laut dem Grünen-Abgeordneten Jian Omar für viele Menschen die "wichtigste Behörde in ihrem Leben" ist. Immerhin entscheidet das Amt, wer hier leben kann oder ausreisen muss.

Über Menschen, die hier arbeiten und mit ihrer Familie ansässig sind, deren Aufenthaltstitel ohne weiteres verlängert werden würden, die aber keinen Termin bekommen und wochen- wenn nicht monatelang in der Schwebe hängen. Menschen, die auch bei beim CDU-Abgeordneten Dennis Haustein aufschlagen. "Es kommen immer Menschen in mein Bürgerbüro und wissen nicht mehr weiter, weil ihre Aufenthaltsgenehmigung formell ausläuft, sie aber keinen Termin beim Landesamt erhalten", sagt Haustein rbb|24.

In ihrer Not wenden sich viele an den "Markt" - an Seiten wie appointmentsberlin.com, Facebook- und Telegram-Gruppen. "Genau diese Not nutzen diese Terminhändler, diese Verbrecher aus", attestiert der CDU-Mann.

Wie kommen Webseiten an die raren Termine?

Die Webseite appointmentsberlin.com verspricht, Termine beim LEA innerhalb von einer bis maximal drei Wochen zu organisieren – und das für "nur 50 Euro". "Nachdem wir Ihren Termin gebucht haben, erhalten Sie eine E-Mail, in der Ihnen mitgeteilt wird, dass Ihr Termin gebucht und bereit ist. Nach der Zahlung erhalten Sie Ihren Termin im PDF-Format per E-Mail", heißt es dazu auf der Seite. Wer genau hinter dem Anbieter steckt - unklar. Ein Impressum gibt es auf jeden Fall nicht.

Doch wie kommen solche Seiten überhaupt an die raren Termine?

Aus der Antwort auf eine schriftlichen Anfrage von Haustein an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport geht hervor, dass diese Anbieter offenbar sogenannte Bots - automatisierte Programme - zum Anzeigen freier Termine im Terminvereinbarungssystem des LEA einsetzen und abgreifen.

Aus Sicht des Senats seien diese kommerziellen Angebote unerwünscht, heißt es weiter. "Die Möglichkeit, einen zeitnahen Termin zu buchen und zu erhalten, sollte kostenlos bestehen und nicht die Zahlung eines Entgelts an einen kommerziellen Dienstleister erfordern."

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Neues System verspricht Besserung

Für die Terminvereinbarung beim LEA wird, wie von den meisten Berliner Behörden, das gleiche Zeitmanagementsystem benutzt. "Dieses System ist eine Eigenentwicklung des Landes Berlin und bereits seit über 10 Jahren im Land Berlin etabliert, also eine gemeinsame standardisierte Software."

Nach Angaben der Senatsverwaltung für Inneres enthält das System keine besonderen Schwachstellen, die eine kommerzielle Nutzung mit maschineller Unterstützung ermöglichen oder erleichtern. "Jedoch schöpft das aktuelle Terminvereinbarungssystem noch nicht sämtliche Abwehrmöglichkeiten, die technisch umsetzbar sind und dabei die Nutzungsmöglichkeit in eigener Sache ohne inakzeptable Erschwernisse aufrechterhalten, aus."

Mit dem im zweiten Quartal 2024 anstehenden Wechsel des Terminbuchungsverfahrens werde aber die Grundlage dafür gelegt, den Terminhandel stärker als bisher technisch zu unterbinden oder zumindest zu erschweren.

Keine Strafe ohne Gesetz

Etwas gegen den Handel mit den Terminen tun kann die Senatsverwaltung momentan nicht. Nach derzeitiger Bewertung bestehe keine rechtliche Grundlage, um gegen derartige Angebote und Terminbuchungen vorzugehen. Es gebe keine Regelungen, die eine Terminbuchung für eine beauftragende Person verbieten. Nach dem Motto: Wo kein Gesetz, da keine Strafe.

"Grundlegend dürfen kostenlose Termine von staatlichen Behörden nicht durch Dritte kostenpflichtig gemacht werden", meint Haustein. "Ich prüfe deshalb auch eine mögliche gesetzliche Anpassung."

Darüber hinaus sollen mit dem Haushalt 2024 der ausländerbehördliche Bereich des LEA um 88 zusätzliche Stellen sowie 20 hinzukommende und 80 verlängerte Beschäftigungspositionen verstärkt werden. Mit mehr Personal gibt es dann, so zumindest der Plan, auch mehr Termine.

Sendung: Fritz, 04.04.2024, 01:30 Uhr

Beitrag von Efthymis Angeloudis

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