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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 12.04.2024 | Carsten Krippahl | Quelle: dpa/Kappeler

Nach hitziger Debatte

Bundestag beschließt neues Namensrecht und Selbstbestimmungsgesetz

Wer Geschlecht und Vorname im Pass umtragen lassen will, kann dies künftig leichter tun als bisher. Und: Doppelnamen sind nun auch als gemeinsame Familiennamen möglich. Diese Reformen hat der Bundestag auf den Weg gebracht.

Der Bundestag hat am Freitag das Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Bei der namentlichen Abstimmung sprachen sich 374 Abgeordnete für den Entwurf aus, 251 dagegen, 11 enthielten sich.

Das Gesetz soll das seit 1980 existierende Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen. Trans- und intergeschlechtlichen Menschen soll laut Entwurf die Änderung von Namen und Geschlechtseintrag erleichtert werden. Statt wie bisher zwei psychiatrische Gutachten sowie ein Gerichtsbeschluss soll mit dem Selbstbestimmungsgesetz nur noch eine einfache Erklärung bei einem Standesamt notwendig sein. Der Bundesrat muss dem Gesetz nicht mehr zustimmen.

Fragen und Antworten | Selbstbestimmungsgesetz

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Queer-Beauftragter: "Gesetz ist überfällig"

Junge Menschen, die noch nicht volljährig sind, aber das 14. Lebensjahr vollendet haben, können die Erklärung ohne Beratungspflicht laut Entwurf selbst abgeben, brauchen aber die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Im Konfliktfall soll ein Familiengericht eingeschaltet werden. Bei jungen Menschen unter 14 Jahren können nur die Eltern oder andere gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen einreichen.

Vor und während der hitzigen Parlamentsdebatte rief Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau zur Sachlichkeit auf. Die Achtung der geschlechtlichen Identität jedes Abgeordneten müsse geachtet werde - ohne Beleidigung und Diffamierung, so Pau.

Von den Grünen sowie der SPD gab es viel Zustimmung. Unrecht werde abgeschafft und die Selbstbestimmung verbessert, hieß es. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), verwies darauf, dass auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sowie Vertreter der evangelischen Kirche das Gesetz unterstützten. Inzwischen hätten 15 Länder weltweit ein solches Gesetz und "gute Erfahrungen damit gemacht". Argentinien habe beispielsweise seit mehr als zehn Jahren ein Gesetz, das Transmenschen mehr Recht auf Selbstbestimmung einräume. "Ängste und Befürchtungen des Missbrauches, die bisweilen vorgebracht werden, sind dort nicht eingetreten", erklärte Lehmann.

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CSU: "Ampel-Fraktionen haben sich verrannt"

Von der Union kam laute Kritik am Gesetz. Auch wenn Änderungen am bisherigen Rechtsrahmen nötig seien, sollten sie nicht wie im Gesetz vorgesehen umgesetzt werden. Es drohe Missbrauch, besonders bei Kindern. Diesen Kritikpunkt teilte auch die AfD.

Union und AfD befürchten, dass Geschlechtseinträge künftig willkürlich geändert werden könnten. Die stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), sagte am Mittwoch in Berlin: "Die Ampel-Fraktionen haben sich mit diesem Gesetz verrannt und schießen über das Ziel hinaus." Nicht nur der Kinder- und Minderjährigenschutz werde sträflich missachtet: "Die Ampel schafft mit dem Selbstbestimmungsgesetz nun sogar ein echtes Sicherheitsrisiko."

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Neues Namensrecht: Doppelnamen sind als Familiennamen möglich

Der Bundestag beschloss am Freitag außerdem ein neues Namensrecht. Die Neuregelung soll Ehepaare und ihren Kindern mehr Freiheiten bei der Wahl ihres Nachnamens geben - unter anderem können Eheleute nun einen Doppelnamen als Familiennamen führen. Die Ampel-Fraktionen, die Unionsfraktion und die Linken-Gruppe stimmten für den Gesetzentwurf, die AfD votierte dagegen. "Ehepaare können ihre Verbundenheit künftig durch einen gemeinsamen Doppelnamen ausdrücken", erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).

Das neue Gesetz soll das aus Sicht der Bundesregierung "gerade im internationalen Vergleich sehr restriktive" deutsche Namensrecht liberalisieren. Zwei Eheleute können künftig auch einen Doppelnamen als Familiennahmen wählen und müssen sich nicht mehr für einen der beiden Nachnamen entscheiden. Der Name kann dann auch zum Geburtsnamen eines Kindes werden. Im Regelfall sollen die Namen durch einen Bindestrich verbunden werden.

Beauftragt vom Bildungsministerium

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Direkte Auswirkungen auf sorbische Nachnamen

In der Lausitz lässt das neue Namensrecht vor allem die sorbische/wendische Bevölkerung aufhorchen. Wie in anderen slawischen Sprachen gibt es im Sorbischen weibliche und männliche Formen von Nachnamen. Die weibliche Form mit der Endung -owa oder -ina darf aber bisher in amtlichen Dokumenten nicht geführt werden. Das soll nun möglich werden.

Auch bei anderen anerkannten Minderheiten gibt es namentliche Traditionen, die im neuen Namensgesetz berücksichtigt werden sollen. So sollen zum Beispiel Angehörige der friesischen Minderheit die Möglichkeit bekommen, abgeleitete Namen zu führen. Es soll beispielsweise der Nachname "Jansen" möglich werden, wenn der Vorname des Vaters "Jan" lautet.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.04.2024, 16 Uhr

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