Ein Jahr nach Brandbrief
Ein Jahr nach den rechtsextremistischen Vorfällen an einer Schule in Burg hat die Staatsanwaltschaft Cottbus fünf Verfahren eingestellt. Gleichzeitig wollen weitere Lehrkräfte die Schule verlassen. Der neue Schulleiter zeigt sich dennoch optimistisch. Von Sascha Adamek und Jo Goll
Die juristische Aufarbeitung der rechtsextremen Vorfälle an einer Schule in Burg (Spree-Neiße) ist weitgehend abgeschlossen. Auf Anfrage teilte die Staatsanwaltschaft dem rbb mit, dass es insgesamt sieben Ermittlungsverfahren gegeben habe. Fünf Verfahren seien eingestellt worden, in einem Fall wird nach Abschluss der Ermittlungen gegen einen Jugendlichen geprüft, was nun geschehen soll. Ein weiterer Fall sei bereits im September vergangenen Jahres an die Staatsanwaltschaft Chemnitz abgegeben worden.
In der Mehrheit der Fälle ging es um den Vorwurf, dass verfassungsfeindliche Symbole gezeigt worden waren: Es ging um das mehrfache Zeigen des Hitlergrußes und Hakenkreuz-Schmierereien. In Chats sollen auch rassistische oder homophobe Inhalte geteilt worden sein. Alle Verfahren richteten sich gegen Kinder oder Jugendliche.
In einem der Verfahren, bei dem mehrere Jugendliche den Hitlergruß gezeigt hatten, seien die Ermittlungen gegen zwei der Beschuldigten schon "aufgrund deren Strafunmündigkeit" eingestellt worden. Die anderen Beschuldigten seien zum Tatzeitpunkt zwischen 14 und 16 Jahre alt gewesen. Ihrer Tat habe "ein jugendtypisches, unreflektiertes und gruppendynamisches Verhalten zugrunde gelegen", begründete die Staatsanwaltschaft Cottbus die Einstellung des Verfahrens.
Im April 2023 hatten sich ein Lehrer und eine Lehrerin einer Schule in Burg mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt. Sie berichteten, dass es in der Einrichtung immer wieder zu rechtsextremistischen, rassistischen und homophoben Vorfällen komme, Beschwerden aber zu Nichts führen würden. Beide wurden in der Folge angefeindet und bedroht - am Ende wechselten sie die Schule.
Im August 2023 wurde auch ein neuer Schulleiter eingesetzt. Er sollte auch das gespaltene Kollegium in Burg wieder zusammenführen. Nach rbb-Recherchen versucht gegenwärtig nur eine kleine Gruppe von Lehrkräften, mehr demokratisches Bewusstsein an der Schule zu fördern. Die Lehrerinnen und Lehrer an der Schule sind insbesondere über die Frage zerstritten, ob die Vorfälle an der Schule als gravierend einzuschätzen sind oder nicht.
Der neue Schulleiter, Markus Mandel, sagte gegenüber dem rbb, er halte die Vorfälle nicht für so dramatisch, "dass sie beängstigend sind". Er glaube, dass viele Jugendliche bei den Vorfällen vor allem provozieren wollten und über kein verfestigtes rechtsextremistisches Gedankengut verfügten. Es seien insgesamt auch nur wenige Schüler, die zu rechtsextremen Anschauungen neigten, so Mandel.
Trotzdem sieht Markus Mandel Handlungsbedarf. Er nehme Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung oft sehr unterschwellig wahr, sagt er. Der Schulleiter erzählt von einer Episode über zwei kurdische Schüler, die gern im Fußballverein spielen würden und sich an ihn gewandt hätten. Markus Mandel wollte ihnen behilflich sein und fragte gleichaltrige Schüler - von denen er wusste, dass sie Fußball spielen - wann denn das Training stattfinde. Die, erzählt Mandel, hätten ihm die kalte Schulter gezeigt: "Was? Nö, nicht bei uns", hätten sie geantwortet. Auf seine Frage, warum sie sich ablehnend zeigten, hätten die Kinder geantwortet: "Ach, die können woanders spielen gehen." Am Ende habe er die Aussage herausgekitzelt, dass man die beiden ausländischen Schüler einfach nicht wolle. Da merke man doch bei einigen, dass ihnen Ausländer nicht passten, sagt Mandel. "Also das kann man nicht negieren."
Mit Hilfe eines Präventionsprojekts aus Dresden versucht Schulleiter Mandel, an der Schule gegenzusteuern. So wurde beispielweise ein früherer Rechtsextremist, der jetzt beim Aussteigerprojekt "ad acta" mitarbeitet, zu einem Gespräch mit Schülern eingeladen. Dieser berichtete, wie er bei Prügeleien von den eigenen Leuten im Stich gelassen wurde, wie er schwere Verletzungen davontrug und dass er noch heute Angst vor den Anhängern der rechtsextremen Szene habe. Die Hoffnung von Schulleiter Mandel ist, dass Schüler, die anfällig für extremistisches Gedankengut sind, sich von Erfahrungsberichten wie diesem abschrecken lassen.
Doch trotz aller Versuche, die Lage an der Schule wieder ins Lot zu bekommen, scheint die Lehrerschaft bis heute gespalten. Drei weitere Lehrkräfte, die sich in den vergangenen Monaten für ein friedliches und demokratisches Miteinander an der Schule stark gemacht hatten, möchten nun versetzt werden.
Schulleiter Mandel sagt dazu, es sei "immer schade", wenn Kolleginnen und Kollegen gingen, die engagiert seien und eine Schule voranbrächten: "Aber ihr Empfinden ist offensichtlich - so hat man es mir kommuniziert - dass sie mit der Situation nicht zufrieden sind, dass also das, was ich versucht habe anzuleiern, nicht ausreicht." Mandels Aufgabe dürfte nicht leichter werden.
Mehr dazu am Dienstag, 23.04.2024 bei rbb|24 Reportage: Der Brandbrief aus Burg - Ein Jahr nach dem rechtsextremen Eklat.
Zu sehen im rbb-Fernsehen um 20:15 Uhr oder bereits ab 17:00 Uhr online.
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Beitrag von Sascha Adamek und Jo Goll, rbb24 Recherche
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