Protest gegen deutsche Klimapolitik
Aus Protest gegen die deutsche Klimapolitik sind drei Menschen in Berlin-Mitte in den Hungerstreik getreten. Mit der Kampagne "Hungern bis ihr ehrlich seid" fordern sie eine Regierungserklärung zur Klimakrise. Von Julia Vismann
Seit 41 Tagen hat Wolfgang Metzeler-Kick keine feste Nahrung mehr zu sich genommen. Der 49-Jährige ist im unbefristeten Hungerstreik der Initiative "Hungern bis ihr ehrlich seid". Er ist groß und schlaksig, seit Beginn des Hungerstreiks habe er 18 Kilogramm Gewicht verloren sagt der Ingenieur für technischen Umweltschutz auf der Pressekonferenz im Camp der Initiative nahe dem Kanzleramt. Er sei sehr sportlich, doch jetzt fühle er sich schwach. Beim Spazierengehen müsse er sich auf einer Parkbank ausruhen.
Richard Cluse befindet sich seit über drei Wochen im Hungerstreik. Der 57-jährige Ingenieur und Energieberater aus Potsdam hat mittlerweile eingefallene Wangen: "Mein Kreislauf ist wackelig, meine Kondition ist schlecht." Seine Stimmung bezeichnet er als grimmige Entschlossenheit.
In diesen Tagen ist noch ein weiterer Aktivist in den Hungerstreik getreten. Michael Winter, ein 61-jähriger Biologe aus Garching bei München will auf die wissenschafltichen Fakten hinter der Klimakrise aufmerksam machen. Zum Unterstützerkreis der Kampagne gehört auch die Aktivistengruppe Scientist Rebellion.
Es ist ein unbefristeter Hungerstreik, die Aktivisten trinken Saft und nehmen Elektrolyte und Vitamine zu sich. Ein Team von medizinisch tätigen Menschen begleitet sie beim Hungerstreik.
Wolfgang Metzeler-Kick kündigt bei der Pressekonferenz der Initiative an, am Donnerstag für einen Tag in den trockenen Hungerstreik zu gehen, also an diesem Tag auch nichts zu trinken. Anlass ist ein Prozess in Passau, bei dem er sich für eine Blockadeaktion als Mitglied der "Letzten Generation" verantworten muss: "Ich bin mir bewusst, dass ein Hungerstreik immer den Tod beinhalten muss, um von der Öffentlichkeit und daraufhin von der Politik beachtet zu werden", sagt Wolfgang Metzeler-Kick mit entschlossenem Blick. Zusammen mit Richard Cluse befand sich Wolfgang Metzeler-Kick im Jahr 2022 schon einmal im Hungerstreik. Damals waren es 18 Tage, als er Bayern in Präventivhaft saß.
Mit ihrem Hungerstreik fordern die Aktivisten von Bundeskanzler Olaf Scholz, dass er die wissenschaftlichen Fakten anerkennt und seine Klimapolitik danach ausrichtet. "Wir fordern eine Regierungserklärung, in der Bundeskanzler Scholz die Wahrheit über die Klimakatastrophe aussprechen soll und sagen soll, dass wir dafür jetzt radikal umsteuern müssen", sagt der Energieberater Richard Cluse.
Den Hungerstreik sieht Metzeler-Kick als letztes Mittel, um gegen "die Ohnmacht und die Verdrängung" anzugehen. Er wolle deutlich machen, dass die Menschheit direkt auf die Selbstzerstörung zusteuere, wie er sagt. Der Fortbestand der menschlichen Zivilisation sei durch die Klimakatastrophe extrem gefährdet. Er zitiert den UN-Weltklimarat, der sagt, dass der CO2-Gehalt in der Luft mit 0,42 Promille viel zu hoch sei.
Der Weltklimarat zeige mit dem 1,5-Grad-Pfad einen Weg auf, mit dem die Menschheit die beste Überlebenschance habe. Der Pfad hat einen CO2-Zielwert von 0,35 Promille bis zum Jahr 2150. Aktuell werden jedoch weltweit pro Jahr 40 Gigatonnen CO2 emittiert. Das bedeutet, es sind bereits jetzt hunderte Gigatonnen zu viel CO2 in der Luft, rechnet der Aktivist vor.
"Wir müssten jetzt, wenn auch mit Jahren Verspätung, radikal umsteuern und die Emission von Treibhausgasen wie CO2 schnellstmöglich beenden und darüber hinaus CO2 mit technischen und landbaulichen Methoden wieder aus der Luft herausholen", warnt der Ingenieur Metzeler-Kick.
Bisher hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz noch nicht geäußert. Dafür habe er jetzt einen Tik Tok Account, in seinem ersten Video gibt es einen Blick aus dem Fenster des Bundeskanzleramts auf die Zelte des Camps der Hungerstreikenden, bemerkte die Sprecherinnen der Initiative Linda Doblinger auf der Pressekonferenz. Aber er habe kein Wort dazu verloren und auch nicht auf den Brief reagiert, den sie zu Beginn der Aktion im Bundeskanzleramt abgeben haben mit einer Einladung zum Gespräch.
In der Regierungs-Pressekonferenz vom 8. April sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf die Frage nach den Hungerstreikenden, dass die Bundesregierung mit ihrer Klimapolitik auf einem guten Weg sei und diese fortsetzen werde. Aber der Bundeskanzler werde konkrete einzelne Forderungen - und werden diese auch noch so nachdrücklich an ihn herangetragen - nicht erfüllen, erklärte der Regierungssprecher. Mit anderen Worten: Der Bundeskanzler lasse sich nicht erpressen.
Die Sprecherin der Initiative, Linda Doblinger, aber erklärt: Erst wenn Scholz auf die Forderung nach einer Regierungserklärung zur Klimakrise eingehe, wollten die Aktivisten ihren Hungerstreik beenden.
Sendung: Radioeins, 17.04.2024, 17:22 Uhr
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Beitrag von Julia Vismann
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