Landeschef Saleh bei Wahl zur neuen Berliner SPD-Spitze gescheitert
Der Landes- und Fraktionschef der Berliner SPD, Raed Saleh, ist gemeinsam mit Luise Lehmann bei der Wahl zur neuen Parteispitze ausgeschieden. Es kommt nun zu einer Stichwahl zwischen den Duos Niroomand/Bertels und Hikel/Böcker-Giannini.
drei Kandidaten-Duos hatten sich Votum für neue Parteispitze gestellt
Raed Saleh und Luise Lehmann mit rund 15,7 Prozent ausgeschieden
Hikel/Böcker-Giannini und Niroomand/Bertels gehen in Stichwahl
endgültige Entscheidung über neues Berliner SPD-Führungsduo fällt am 25. Mai
Die Mitgliederbefragung der Berliner SPD zur künftigen Doppelspitze geht in eine zweite Runde. Im ersten Wahlgang kam keines der drei Bewerberduos auf eine absolute Mehrheit, wie die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey am Samstag nach der Auszählung mitteilte.
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Bei dem Mitgliederentscheid kamen Hikel/Böcker-Giannini auf rund 48,2 Prozent der Stimmen und das Duo Niroomand/Bertels auf rund 36,1 Prozent. Für Saleh/Lehmann stimmten rund 15,7 Prozent.
Konkurrenten: kein "Weiter so"
Saleh ist seit dreieinhalb Jahren Co-Vorsitzender der Berliner SPD, gemeinsam mit Wirtschaftssenatorin Giffey. Seit 2011 steht er an der Spitze der Abgeordnetenhausfraktion. Saleh hat die Politik der SPD in den vergangenen Jahren maßgeblich gestaltet und die Partei auch in das schwarz-rote Bündnis geführt.
Die SPD-Mitglieder hätten gegen eine "Weiter so" entschieden, kommentierte Hikel das Ergebnis am Samstag. Das Ergebnis sei ein Einschnitt und bringe die Partei in eine "neue Ära der Sozialdemokratie". Ähnlich äußerte sich seine Co-Bewerberin Böcker-Giannini, die an die Einigkeit der Partei appellierte.
Bertels vom zweiten Team erklärte, das Votum zeige den Wunsch vieler Sozialdemokraten nach einem Neustart der Partei. "Das wäre mit uns möglich". Bewerber Niroomand sagte, er wolle zeigen, dass die SPD "die Stadt wieder richtig zum Funktionieren bringen kann".
Beide Teams einte der Wille, gegen das Establishment an der Parteispitze vorzugehen und neue Wege einzuschlagen, um die seit Jahren bei Wahlen immer mehr schwächelnde SPD wieder nach vorn zu bringen. Programmatisch unterscheiden sie sich in einigen Punkten. So stellten Hikel und Böcker-Giannini etwa das kostenlose Kita-Essen für alle Kinder infrage, Niroomand und Bertels sprachen sich hier gegen Änderungen aus.
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Saleh und Lehmann enttäuscht
Saleh und Lehmann zeigten sich enttäuscht. "Unsere Mitglieder haben im ersten Wahlgang eine eindeutige Entscheidung getroffen, die wir voller Respekt und verantwortungsvoll annehmen", erklärten beide. "Selbstverständlich ist dieses eindeutige Ergebnis für uns persönlich enttäuschend, als Partei wird uns die baldige Klarheit aber insgesamt stärken und konzentriert zusammenführen und zusammenarbeiten lassen."
Ob Saleh nach der Wahlschlappe Fraktionschef bleibt, liege in dessen persönlicher Entscheidung, sagte Giffey. Sie betonte aber, die Wahl über den Landesvorsitz sei keine Entscheidung über den Fraktionsvorsitz.
Endgültige Entscheidung am 25. Mai
In der ersten Runde hatten die gut 18.000 Berliner Sozialdemokraten vom 6. bis 19. April etwa zwei Wochen lang die Möglichkeit, ihre Stimme für eines der Bewerberduos abzugeben. Die Abstimmung war online oder per Brief möglich. Nach Angaben Giffeys beteiligten sich 47,6 Prozent der Parteimitglieder.
Nach Ende des zweiten Wahlgangs der Mitgliederbefragung am 17. Mai wird das Ergebnis einen Tag später ausgezählt. Endgültig gewählt werden soll die neue Doppelspitze auf Basis dieses Ergebnisses dann bei einem Parteitag am 25. Mai. Das Votum der Mitglieder ist zwar für den Parteitag rechtlich nicht bindend, eine abweichende Abstimmung der Delegierten gilt aber als praktisch ausgeschlossen.
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SPD zuletzt mit historisch schlechtem Ergebnis
Bei der Berliner SPD herrscht Unruhe und Verunsicherung, weil es mit den Wahlergebnissen seit vielen Jahren stetig bergab ging. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung war die Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Februar 2023. Die einstige Volkspartei mit Giffey als Spitzenkandidatin fuhr ein historisch schlechtes Ergebnis von 18,4 Prozent ein und landete weit hinter der CDU und nur wenige Stimmen vor den Grünen.
Anschließend ging die Partei nach rund sechseinhalb Jahren Bündnis mit Grünen und Linken eine Koalition mit der CDU ein - als Juniorpartner. Giffey, die erst Ende 2021 als Regierende Bürgermeisterin ins Rote Rathaus eingezogen war, arbeitet seither als Wirtschaftssenatorin im schwarz-roten Senat ihres Nachfolgers Kai Wegner (CDU). Im vergangenen Januar hatte sie erklärt, nicht wieder als Landesvorsitzende zu kandidieren.