174 Millionen Euro weniger
Die Berliner Regierungskoalition hatte eigentlich gehofft, dass die neue Steuerschätzung den Spardruck verringern könnte. Doch nun wird deutlich, dass die Stadt mit noch weniger Steuern rechnen kann, als bislang prognostiziert.
Die Berliner Finanzverwaltung muss sich auf weniger Steuereinnahmen einstellen. Das ergibt sich aus den regionalisierten Ergebnissen der neuesten Steuerschätzung.
Nach den regionalisierten Ergebnissen für das Land Berlin belaufen sich die Einnahmen in diesem Jahr voraussichtlich auf rund 28,6 Milliarden Euro und auf rund 30,2 Milliarden im kommenden Jahr. Im Vergleich zum Berliner Doppelhaushalt 2024/2025 sind das 174 Millionen Euro weniger als erwartet im laufenden Jahr und 188 Millionen im Jahr 2025.
Finanzsenator Stefan Evers (CDU) sprach von einer "zusätzlichen Herausforderung" für den Berliner Haushalt. Für zusätzliche Ausgabenwünsche gebe es keinen Raum mehr. Deutschlands Wirtschaftsschwäche wirke sich nun auf die Steuereinnahmen auch in Berlin aus, nachdem noch im vergangenen Jahr die Berliner Zahlen etwas günstiger waren als im Bund.
Zwar spiegele sich die gute Berliner Entwicklung insbesondere bei den Lohnsteuer-Einnahmen immer noch wider, so der Finanzsenator. Auch stehe die Berliner Wirtschaft gut da. Diese könne aber nicht allein die Schwäche des Bundes kompensieren.
Die Ampel-Regierung müsse sich dringend um das deutsche Wirtschaftswachstum kümmern, forderte Evers. Die Staatsausgaben müssten schnellstmöglich "in den Normalmodus" zurückkehren. Die Bundesregierung hatte die aktuelle Frühjahrsprojektion Ende April nach unten korrigiert und rechnet in diesem Jahr nur noch mit 0,3 Prozent Wachstum statt 1,3 Prozent.
Evers verwies allerdings darauf, dass die Haushalte seit 2019 um Milliarden aufgewachsen seien. Das sei in Zeiten der Krise nötig gewesen, sagte er in der rbb24 Abendschau: "Wir hatten Inflation, wir hatten Corona, wir hatten den Wumms, den Doppelwumms." Jetzt sei die Zeit gekommen, in der man nicht auf jedes Problem mit Geld, das man nicht hat, reagieren könne. "Wir müssen die Haushalte auf ein normales Maß zurückführen."
Am Ende werde es nicht ohne unbequeme Entscheidungen gehen. Laut Evers erwartet die Hauptstadt ein strukturelles Defizit von zwei Milliarden Euro im nächsten Jahr und drei Milliarden im Jahr 2026.
Man werde aber darauf achten, dass die Stadt weiterhin gut funktioniert, so der CDU-Politiker. Gerade im sozialen Bereich habe es einen Aufwuchs von hunderten von Millionen Euro in den vergangenen Jahren gegeben. Durch kluges Vorgehen könne man sicherstellen, dass der soziale Frieden gewahrt bleibe.
Der Arbeitskreis Steuerschätzung kommt zweimal im Jahr zusammen, im Frühjahr und Herbst. In dem Gremium sitzen Experten der Bundesregierung, der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland sowie Vertreter der Länderfinanzministerien und der Kommunen. Die aktuelle Steuerschätzung für den Bund wurde bereits am Donnerstag vorgestellt. Auch im Bund sind deutliche Rückgänge bei den Steuereinnahmen zu erwarten.
In der Berliner Landespolitik dürften die Daten die Stimmung weiter trüben. Evers hatte sämtliche Senatsverwaltungen zuletzt aufgefordert, bis zu diesem Freitag Vorschläge einzureichen, wie sich in allen Ressorts zwei Prozent einsparen lassen. Anfang des Jahres hatte es im Streit um die Sparzwänge in der schwarz-roten Regierungskoalition noch die Hoffnung gegeben, nach der Steuerschätzung im Mai sei der Spardruck womöglich kleiner.
Nicht zuletzt Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatten scharfe Kritik an pauschalen Sparvorgaben geübt. Saleh warf Evers vor, er mache es sich mit seiner Rasenmähermethode sehr leicht. Evers hatte dagegen schon im Januar vor zu hohen Erwartungen an die Steuerschätzung gewarnt und darauf hingewiesen, es könnten sogar zusätzliche Sparanstrengungen erforderlich werden.
Sendung: Radioeins, 17.05.2024, 19:00 Uhr
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