Zwei Mordermittlungen
Im Neukölln-Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus streiten Regierung und Opposition darüber, wie gut die Ermittlungsbehörden gearbeitet haben.
Während der CDU-Abgeordnete Stephan Lenz am Freitag im Ausschuss sagte, bei zwei Morden sei mit "großem Engagement und Verve" ermittelt worden, kritisierte Niklas Schrader von der Linken in diesen wie auch in anderen Fällen "Lücken, Mängel und Widersprüche". Er bezog sich dabei auf die Fälle Burak Bektaş und Luke Holland.
Der Ausschuss hatte in den letzten Wochen untersucht, ob es einen Zusammenhang gab zwischen den Morden an den beiden Männern und der Serie von rechtsextremen Anschlägen ab 2009 in Neukölln. Der Ausschuss-Vorsitzende Vasili Franco (Grüne) betonte nun, die beiden Fälle könnten "nicht direkt der Straftatenserie Neukölln zugerechnet werden". Allerdings fanden in diesem Bezirk statt und es besteht der Verdacht, dass sie einen rassistischen Hintergrund haben. Deshalb hatten Vertreter der Zivilgesellschaft darauf gedrungen, die Taten im Ausschuss zu behandeln.
Mit Blick auf den bis heute nicht aufgeklärten Mord an Burak Bektaş, der 2012 ohne erkennbares Motiv auf offener Straße erschossen wurde, kritisierte der Grünen-Abgeordnete André Schulze, jahrelang seien Ermittlungsstränge "nicht konsequent zu Ende verfolgt worden". Das gelte für die Suche nach der möglichen Mordwaffe ebenso wie für die Überprüfung von Verdächtigen oder die Befragungen von Nachbarn.
Auch beim Mord am Briten Luke Holland, der 2015 erschossen wurde, sehen Grüne und Linke Versäumnisse. Zum Beispiel seien Hinweise zum späteren Täter lange liegengeblieben, beklagte der Abgeordnete Niklas Schrader. Außerdem hätten die Ermittler wenig Interesse gezeigt, herauszufinden, ob der Täter aus rechtsextremen Motiven handelte.
Lenz räumte ein, es seien Fehler gemacht worden. Der CDU-Politiker betonte aber, nicht jeder Fehler sei vermeidbar. Er warnte davor, die Behörden durch Kritik zu "diskreditieren". Im Gegenzug wies der Linken-Abgeordnete Schrader den Vorwurf zurück, Behörden würden vorverurteilt.
Für die SPD-Abgeordnete Wiebke Neumann hat die Untersuchung der beiden Morde im Ausschuss gezeigt, dass es beim Umgang der Behörden mit Opferangehörigen "deutlichen Verbesserungsbedarf" gibt. Oft hätten ihre Hinweise keinen Eingang in die Ermittlungen gefunden und sie seien schlecht informiert worden.
Mit der Sitzung am Freitag hat der Neukölln-Untersuchungsausschuss damit begonnen, Vertreter des Berliner Verfassungsschusses zu vernehmen. Der erste Zeuge sorgte dabei für Frust bei den Abgeordneten von Grünen und Linken. Der Mann, der von 2013 bis 2015 das für Rechtsextremismus zuständige Referat leitete, lieferte keinerlei konkrete Informationen zur rechtsextremen Szene in Neukölln. Laut seiner Darstellung spielte die Anschlagsserie beim Verfassungsschutz - wenn überhaupt - auf der Sacharbeiter-Ebene eine Rolle.
Er erinnere sich nicht, so der Zeuge, dass seine Behörde Hinweise zu den Straftaten an die Polizei geliefert habe. Der Verfassungsschutz "scheint ein Stück weit blind gewesen sein", analysierte André Schulze von den Grünen. Für den Linken-Abgeordnete Schrader war der Auftritt "bezeichnend" für "Ahnungslosigkeit und Gleichgültigkeit bei Ermittlungen in der rechten Szene".
Der Untersuchungsausschuss will seit 2022 klären, ob Polizei und Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen zu der Serie rechtsextremer Brandanschläge und Schmierereien in Neukölln ab 2012 bis 2019 Fehler machten. Mehr als 70 dieser Taten zählte die Polizei seit 2013 in Neukölln. Die Ermittlungen zogen sich jahrelang hin. Erst im Sommer 2021 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Anklage.
Sendung: rbb24 Inforadio, 28.06.2024, 16:00 Uhr
Beitrag von Sabine Müller
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