Mögliche Streichung von Fördermitteln
Nachdem ein pro-palästinensisches Protestcamp in der FU Berlin aufgelöst wurde und Hochschullehrende dies kritisierten, wurde im Bundesbildungsministerium die Streichung von Geldern diskutiert. Zurücktreten will die Ministerin deswegen aber nicht.
Nach der angekündigten Entlassung ihrer Staatssekretärin hat Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) an sie selbst gerichtete Rücktrittsforderungen zurückgewiesen. "Dazu sehe ich keine Veranlassung", sagte sie am Montag in Berlin vor Journalisten.
Hintergrund ist ein offener Brief von Hochschullehrern, die sich im Mai hinter pro-palästinensische Proteste an Universitäten gestellt hatten. Forschungsstaatssekretärin Sabine Döring hatte darauf eine Prüfung möglicher Konsequenzen veranlasst, die sich dann auch auf Fördermittel erstreckte.
Stark-Watzinger hatte am Sonntagabend erklärt, sie habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gebeten, Döring in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. "Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen finden nicht statt", betonte die Ministerin dabei. Die Verantwortung für die veranlasste Prüfung wies sie dabei ihrer Staatssekretärin zu.
Am Montag betonte die Ministerin nun erneut: "Ich habe den Auftrag nicht erteilt und nicht gewollt." Auf die Frage, warum sie Döring nicht bereits früher entlassen habe, sagte die FDP-Politikerin, dass ihr die Mail mit dem Prüfauftrag erst am 11. Juni "zur Kenntnis gekommen" sei. Anschließend habe sie die Aufarbeitung der Vorgänge veranlasst. "Man muss sich erst informieren, bevor man sich entscheidet", betonte Stark-Watzinger.
Die Affäre sorgte für scharfe Kritik. In einem offenen Brief forderten beispielsweise bis Montagnachmittag über 2.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Rücktritt der Ministerin. Aus der Union kamen solche Forderungen ebenfalls.
Nach der Räumung des pro-palästinensischen Camps hatten Hochschullehrende in einem offenen Brief den Polizeieinsatz gegen die Demonstrierenden als unverhältnismäßig kritisiert. Das ARD-Magazin Panorama hatte unter Berufung auf interne E-Mails berichtet, im Bildungsministerium sei daraufhin hausintern um eine Prüfung gebeten worden, inwieweit Aussagen im Protestbrief strafrechtlich relevant sind und ob als Konsequenz aus dem Brief Fördermittel gestrichen werden können.
Dieses Vorgehen habe den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit widersprochen, erklärte Stark-Watzinger zur Begründung für ihre Entscheidung, sich von Döring trennen zu wollen.
"Ebenfalls hat sie erklärt, dass sie sich bei ihrem Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe. Nichtsdestotrotz wurde der Eindruck erweckt, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erwogen werde.", so Stark-Watzinger.
Den offenen Brief hatte Stark-Watzinger zuvor auch kritisiert und ist nach eigener Aussage "bis heute fassungslos, wie einseitig in diesem Brief der Terror der Hamas ausgeblendet wurde. Und wie dort etwa pauschal gefordert wurde, Straftaten an den Universitäten nicht zu verfolgen, während gleichzeitig antisemitische Volksverhetzung und gewalttätige Übergriffe gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zu beobachten sind", wie sie am Sonntagabend schrieb.
Kritik am Vorgehen von Stark-Watzinger kommt aus der CDU. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und CDU-Vize Karin Prien schrieb bei X, Döring werde "zum Bauernopfer gemacht", damit zeige sich Politik von ihrer hässlichen Seite. "Bundesministerin Stark-Watzinger hat recht: Ein personeller Neuanfang im BMBF ist notwendig. Sie muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen", erklärte der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Jarzombek.
Der Koalitionspartner SPD begrüßte zunächst den Schritt der Ministerin: "Es ist gut, dass Bundesministerin Stark-Watzinger jetzt aufklärt und schwerwiegende Konsequenzen zieht. Nun muss verloren gegangenes Vertrauen zurückerkämpft und sichergestellt werden, dass sich solche Vorgänge nicht wiederholen und Förderentscheidungen so wie bisher ausschließlich wissenschaftsgeleitet sind", schrieb der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Oliver Kaczmarek bei X. Wissenschaftsfreiheit sei nicht verhandelbar und das Fundament auch für die Zusammenarbeit in der Ampel-Koalition.
Sendung: rbb radioeins, 17.06.2024, 12:00 Uhr
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