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Audio: rbb24 radioeins | 10.05.2024 | Volker Wieprecht / Katja Schulz | Quelle: KRP Architektur

Geplante Tangentiale Verbindung Ost

Der Kampf um die TVO: Auto gegen Schiene in Berlin

Schon die DDR wollte die Tangentiale Verbindung Ost bauen. Nach der Wende wuchs der Druck: Immer mehr Autos brachten immer mehr Verkehrslärm in Wohngebiete. Nun ist die TVO in der entscheidenden Planungsphase. Aber passt sie noch in die Zeit? Von Jan Menzel

Sich Unterhalten im Vorgarten? Klaus Jürgen Velke winkt nur ab. "Da müssen Sie schon brüllen", sagt der 72-Jährige. Velke wohnt in Biesdorf, mitten im Siedlungsgebiet. Über die Köpenicker Straße direkt vor seinem Haus donnert der Durchgangsverkehr. Auch große Lastwagen sind darunter und viele Transporter. Wenn viel los ist, kann Velke die Vibrationen bis in sein Wohnzimmer spüren. Für den Eigenheimbesitzer war daher schon vor Jahren klar: "Da muss was getan werden. Die TVO muss kommen, auf jeden Fall!" Durch sie würde es voraussichtlich viel weniger Verkehr durch sein Siedlungsgebiet geben.

Erste Überlegungen für die Tangentialverbindung gehen ins Jahr 1969 zurück. Eine Schnellstraße wurde seinerzeit in den Generalverkehrsplan der Hauptstadt der DDR aufgenommen. Nach jahrzehntelangen Diskussionen, immer neuen Vorschlägen und Trassenplänen ist das größte Straßenbauprojekt im Ostteil der Stadt inzwischen im Stadium der Planfeststellung angekommen.

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Mittelstück der TVO fehlt noch

Wie komplex das Vorhaben ist, zeigt die schiere Menge der Unterlagen. 45 Aktenordner wurden von der Verkehrs- in die Stadtentwicklungsverwaltung befördert und konnten dort eingesehen werden. Noch bis Anfang Juli können Betroffene Stellung dazu nehmen. Verbände und Behörden haben noch einen Monat länger Zeit für Einwendungen.

Worum es bei diesem Bauabschnitt geht, ist ein Lückenschluss. Im Norden und Süden ist die Tangentiale Verbindung längst fertig. Was noch fehlt, ist das 7,2 Kilometer lange Mittelstück. Der Abschnitt liegt zwischen der Märkischen Allee im Bezirk Marzahn-Hellersdorf und der Spindlersfelder Straße im Bezirk Treptow-Köpenick. Hier soll die TVO als vierspurige Straße realisiert werden. Neben der Fahrbahn für die Autos ist auch ein vier Meter breiter Zweirichtungsradweg vorgesehen.

Eine Karte der geplanten Tangentialverbindung Ost | Quelle: rbb24/Rossel

"Beste Variante"

Auf die jetzt verfolgte Planungsvariante hatten sich die Bezirke Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick schon 2012 verständigt. Die TVO soll demnach zunächst auf der östlichen Seite des dortigen Bahndamms der Güterbahn verlaufen und danach westlich des Damms weiterführen. Dieses Verschwenken macht es nötig, dass auch Unterführungen gebaut werden, um die Bahnstrecke zu unterqueren. Das hat das Projekt teurer und die Strecke ein paar hundert Meter länger gemacht.

Lokale und regionale Wirtschaftsverbände, Anwohner und der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) gehören zu den Fürsprechern dieser Planung. "Ich bin überzeugt, dass die absolut beste Variante aufs Papier gebracht wurde", sagt Peter Ohm, Vizepräsident des VDGN. Umwelt- und Verkehrsverbände sowie die Bürgerinitiative Wuhlheide sehen das vollkommen anders. Sie haben sich kürzlich zum Bündnis "Schiene vor TVO" zusammengeschlossen.

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Das Bündnis will vor allem darauf aufmerksam machen, dass es da noch eine zweite Tangente gibt, die ebenfalls eine jahrzehntelange Vorgeschichte hat: die Nahverkehrstangente NVT. Sie ist als geplante Bahnstrecke quasi die Schwester der TVO. Doch mit der ausgelegten Planung einer Straße dieser Dimension bleibe für die Schiene kein Platz mehr, sagt Martin Pogatzki vom Fahrgastverband Pro Bahn. "Die TVO wird die Bahn an der Stelle quasi begraben."

Die nun gewählte Trasse der TVO soll nämlich über eine Fläche führen, die lange schon für eine neue S- oder Regionalbahnlinie reserviert ist. Sollte die TVO dort gebaut werden, gehe das "voll und ganz" zu Lasten des ÖPNV, sagt Pogatzki. Denn die Schienenverbindung müsste ganz neu geplant werden, was so viel Zeit und Geld kosten würde, dass das einem Aus für das Projekt gleichkäme.

Dabei geht das Bündnis "Schiene vor TVO" davon aus, dass beides möglich wäre: Auto- und Schienenverbindung. Dafür müsste aber straßenseitig abgespeckt werden. Wenn die TVO nur zwei- statt vierspurig gebaut werde, reiche der Platz auch für die Bahnstrecke. "Die Pläne dafür gibt es schon", wirbt Pogatzki für diese Variante.

Umweltaktivisten protestieren 2023 am Kurt-Schumacher-Haus der SPD. Foto: dpa/Philipp Znidar | Quelle: dpa/Philipp Znidar

Abholzung in der Wuhlheide

Allerdings wären auch bei einer kombinierten Auto-ÖPNV-Tangente die ökologischen Eingriffe beträchtlich. In der Wuhlheide müssen ausweislich der Planungsunterlagen mindestens elf Hektar Wald abgeholzt werden. Zwar würde es überwiegend die ökologisch weniger wertvollen Kiefernbestände treffen. Doch auch Eichen müssten der Straße weichen.

Julian Smaluhn, dessen Sohn die Waldkita in der Wuhlheide besucht hat, hält die Auswirkungen auf Mensch und Natur im Naherholungsgebiet Wuhlheide auch aus anderen Gründen für nicht vertretbar. Anders als geplant werde die Straße nicht zu weniger sondern zu mehr Verkehr führen, ist der Umweltschützer von Robin Wood überzeugt.

Eine in voller Länge und Breite ausgebaute TVO sei eine willkommene Abkürzung für LKW, die sich den langen und mautpflichtigen Weg über den Berliner Autobahnring sparen wollen. Die Berliner Klimaschutzziele ließen sich so jedenfalls nicht einhalten, sagt Smaluhn. "Die TVO ist einfach in jeder Hinsicht aus der Zeit gefallen."

Senat hält an TVO fest

Seitens des Senats gibt es aber kein Vertun, auch nicht angesichts der Haushaltskrise des Landes. Mindestens 400 Millionen Euro soll die Tangente schätzungsweise kosten. Für die neue Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) steht dennoch fest: "Nach wie vor ist der Bau der TVO wichtig und gut für Berlin." Zum einen werde die Straße Wohngebiete entlasten. Zum anderen bekämen Industrie- und Gewerbeflächen im Osten der Stadt eine deutlich bessere Anbindung.

Herausfordernd bleibt in jedem Fall das weitere Verfahren. Üblicherweise sei bei Vorhaben dieser Größenordnung mit mehr als 200 Einwendungen allein von privaten Betroffenen zu rechnen, teilt die Verkehrsverwaltung mit. Mindestens zwei Jahre dürfte es dauern, bis ein Planfeststellungsbeschluss ergeht. Die ehemalige Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) hatte sich sogar mal vorgewagt und von einem Baubeginn 2025 oder 2026 gesprochen.

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Klagen erwartet

Dafür müsste dann aber auch wirklich alles glatt gehen - was bei einem derart umstrittenen Projekt nicht zu erwarten ist. Martin Pogatzki von Pro Bahn bezweifelt etwa, dass ein reines Straßenprojekt mit den Vorgaben des Berliner Mobilitätsgesetzes vereinbar ist. Dort werde umweltfreundlichen Verkehrsmitteln schließlich Vorrang vor dem Auto eingeräumt. Ihm sei auch nicht bekannt, dass das Eisenbahnbundesamt und die Bahn schon zugestimmt hätten, die betroffenen Freihalteflächen für die Schiene zugunsten des Autos umzuwidmen.

Peter Ohm vom Eigentümerverband VDGN geht ebenfalls davon aus, dass es "Klagen hageln wird". Dass diese aber das Projekt noch verhindern könnten, sieht er nicht: "Die TVO steht auf stahlharten Füßen." Klaus Jürgen Velke aus Biesdorf sieht das ähnlich. Als ehemaliger Beamter, der zu aktiven Zeiten auch mit Planungsrecht zu tun hatte, kennt er aber die Fallstricke. Der 72-Jährige bleibt dennoch optimistisch: "Ich glaube, dass ich die Eröffnung der TVO noch erleben werde." Bis dahin wird es in seinem Vorgarten aber laut bleiben.

 


Sendung: rbb24 radioeins, 10.05.2024, 15:10 Uhr.

 

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Beitrag von Jan Menzel

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