Weitere Standorte geplant
Wie weiter mit Geflüchteten-Unterkünfte in der Stadt? Der Senat will in Lichtenberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg neue Immobilien anmieten, um weitere Geflüchtete dort unterzubringen. Bei den Bezirken stößt dies auf Skepsis. Von Sabine Müller
Neue Pläne des Berliner Senats für Geflüchteten-Unterkünfte stoßen in den Bezirken teilweise auf Skepsis. Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) machte gegenüber dem rbb deutlich, dass er im Gegenzug Zugeständnisse an anderer Stelle erwartet.
Es geht um eine neue Unterkunft, die an der Landsberger Allee im bisherigen "City Hotel Berlin East" entstehen soll. Dort könnten rund 1.200 Menschen untergebracht werden, heißt es in einem vertraulichen Senatspapier, das dem rbb vorliegt.
"Hohenschönhausen ist einfach nicht der richtige Ort für eine weitere starke Belastung", kritisiert Schaefer, es könnten nicht 1.200 Plätze "on top" kommen. Seiner Ansicht nach sollte die Unterkunft auf die bisher geplanten Plätze für Geflüchtete im Bezirk angerechnet werden. Unter anderem sollen vier der 16 neuen Containerdörfer, die ab nächstem Jahr entstehen, in Lichtenberg angesiedelt sein.
Darüber hinaus weitere 1.200 Menschen aufzunehmen, sei für den Bezirk nicht zu stemmen, betont Schaefer. "Das schaffen wir nicht hier in Lichtenberg, das sagen auch die vielen freien Träger, mit denen wir zusammenarbeiten". Als weiteres Zugeständnis des Senats erwartet Bezirksbürgermeister Schaefer, dass freie Träger, die am neuen Großstandort Angebote für die Geflüchteten machen, dort keine Raummiete zahlen. In der kommenden Woche will er mit Berlins Flüchtlingskoordinator Albrecht Broemme über die Angelegenheit sprechen.
Der Senat will nicht nur in Lichtenberg, sondern auch in Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg Immobilien für größere neue Standorte anmieten. Dabei handelt es sich um Bürogebäude. In der Soorstraße im Charlottenburger Westend könnten nach Umbauten bis zu 1.500 Plätze entstehen, in einem Objekt an der Hasenheide gut 1.000.
Die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, betont im Interview mit dem rbb, man wolle den "sehr großen Standort" an der Hasenheide zu einem Erfolg "für alle vor Ort" machen. Dafür brauche es aber bestimmte Rahmenbedingungen. Herrmann nennt unter anderem Schulplätze, medizinische Versorgung sowie Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche. Außerdem setzt sie darauf, dass auch die Volkshochschule Räume in dem Gebäude nutzen kann, um dort Angebote für Geflüchtete, aber auch für die Nachbarschaft zu machen.
Charlottenburg-Wilmersdorfs Bezirksbürgermeisterin Kristin Bauch (Grüne) wollte sich auf rbb-Anfrage noch nicht zu den Plänen in ihrem Bezirk äußern. Es fehlten noch konkrete Informationen, man wolle zunächst einen Termin mit dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) abwarten.
Der schwarz-rote Senat hatte sich am Mittwoch im Parlament die Erlaubnis geholt, für die Geflüchteten-Unterbringung über den laufenden Haushalt hinaus finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Der Hauptausschuss stimmte sogenannten Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von mehr als 1,32 Milliarden Euro zu. Dabei geht es um die Finanzierung der drei neuen Standorte und der 16 Containerdörfer, aber vor allem auch der großen Notunterkünfte in Tegel und Tempelhof. Neben den Regierungsfraktionen CDU und SPD stimmten auch die
Oppositionsfraktionen Grüne und Linke zu, die AfD nicht. AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker kritisierte die Kosten als "extrem hoch" und forderte detaillierte Zahlen ein. "Zu den Betriebs- und Nebenkosten sowie Herrichtung und Nebenanlagenbetrieb würde ich gerne eine genauere Aufstellung haben, wie die sich konkret zusammensetzen", so Brinker im Ausschuss.
Aber auch Grüne und Linke haben noch Fragen. Der Haushaltsexperte der Linksfraktion, Steffen Zillich, wollte unter anderem wissen, ob beim Hotelkomplex an der Landsberger Allee statt einer Anmietung auch ein Kauf geprüft worden sei. Antworten werden in der nächsten Sitzung des Hauptausschusses am 26. Juni erwartet.
Die Unterbringungslage für Geflüchtete in Berlin ist extrem angespannt. In den Notunterkünften sind aktuell nur etwa 2.600 Plätze frei. Bis zum Jahresende rechnet die Sozialverwaltung nach eigenen Angaben aber mit 6.700 Asylbewerbern und Ukraine-Kriegsflüchtlingen, die untergebracht werden müssen.
Sozialstaatssekretär Aziz Bozkurt sagte im Ausschuss, in den Regelunterkünften des LAF seien zurzeit nur 350 Plätze frei. Im vertraulichen Papier der Verwaltung heißt es, "rund 80 % der Mietverträge des LAF" hätten eine verbliebene Laufzeit von drei Jahren und weniger, deshalb müsse man sich auf Verluste an Unterkunftsplätzen einstellen. Die Sozialverwaltung geht davon aus, dass bis 2026 mindestens 17.000 neue Plätze geschaffen werden müssen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.06.2024, 19:20 Uhr
Beitrag von Sabine Müller
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