Interview | Polnischer Regierungsvertreter Cebula
Zwei Jahre nach dem massenhaften Fischsterben in der Oder wurden wieder tote Fische im Grenzfluss gefunden. Im Interview erklärt der Vertreter der polnischen Regierung in der Grenzregion Lubuskie die Gründe.
Im Grenzfluss Oder sind wieder tote Fische, Muscheln und Schnecken gefunden worden. Im Sommer 2022 kam es zu einem massenhaften Fischsterben in der Oder. Laut Angaben des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei verendeten etwa 1.000 Tonnen Fisch in der Oder. Mitverantwortlich dafür war Experten zufolge die giftige Goldalge (Prymnesium parvum). Diese konnte sich dank hohen Temperaturen und in den Fluss eingeleitetem Salz ausbreiten. Laut dem Brandenburger Umweltministerium kommen fast alle Salzeinleitungen aus Polen.
Marek Cebula (Bürgerplattform, PO) ist der Vertreter der polnischen Zentralregierung im Verwaltungsbezirk (Woiwodschaft) Lubuskie an der Grenze zu Brandenburg. Die Oder fließt quer durch seine Woiwodschaft, bis der Fluss Ratzdorf in Ostbrandenburg erreicht.
rbb|24: Herr Cebula, wie ist die aktuelle Situation in Lubuskie, dem Lebuser Land?
Marek Cebula: Das Wasser fließt aus den Wojewodschaften Sląskie und Dolnosląskie (Schlesien und Niederschlesien) zu uns. Im Sommer beobachten wir ein vermehrtes Vorkommen der Goldalge, das mit dem Anstieg der Temperatur zusammenhängt. Aber in den vergangenen Tagen haben wir gesehen, dass die Goldalgen-Konzentration in der Oder wieder gesunken ist.
Trotzdem gibt es ab und zu Fälle von verendeten Exemplaren. Aber das liegt auch daran, dass in diesem Bereich der Oder in letzter Zeit auch Fischbesatz vorgenommen wurde: Die Angler im polnischen Angelverband pachten Gewässerabschnitte in Polen und setzen dort Fische ins Wasser. Die Überlebensquote dieser jungen Fische liegt bei circa fünf Prozent. Der Rest stirbt eines natürlichen Todes im Fluss, auch weil sie gefressen werden.
Außerdem ist der Sauerstoffgehalt im Fluss zu dieser Jahreszeit sehr hoch. Das steht im Zusammenhang mit dem gefallenen Wasserstand. An einigen Stellen beobachten wir einen Sauerstoffgehalt von fast 200 Prozent. Es ist unmöglich, dass Fische bei so hohem Sauerstoffgehalt überleben. [Anmerkung der Redaktion: Ein Sauerstoffgehalt im Wasser von mehr als 100 Prozent ist möglich und wird beispielsweise durch die Photosynthese von Pflanzen oder Phytoplankton verursacht. In diesem Fall spricht man von Übersättigung.]
Wie ist die Zusammenarbeit mit Schlesien, der Region, woher das Salz aus dem Bergbau über den Gleiwitzer Kanal in die Oder kommt? Werden Sie von Ihrem Amtskollegen in Sląskie informiert?
Wir tauschen täglich Informationen aus. Im Moment wird die Goldalge in Bereichen, wo das Wasser steht, wie zum Beispiel in Kanäle und Buchten, untersucht und wir versuchen sie aufzuhalten. Dort werden Netze installiert, die verhindern sollen, dass die Goldalge in den Hauptstrom gelangt. Allerdings hatte der erhöhte Wasserstand im Süden Polens zur Folge, dass ein Teil dieses zurückgehaltenen Wassers trotzdem zu uns in den Hauptstrom gelangt. Daher kommt auch die erhöhte Goldalgen-Konzentration. Diese verursacht bei einem Wert von etwa 200 Millionen Goldalgen-Zellen pro Liter den Tod der Fische.
Aktuell liegt bei uns in der Wojewodschaft Lubuskie dieser Wert an manchen Stellen bei etwa 60 bis 70, an anderen bei 130 bis 140 Millionen pro Liter. Das ist also unterhalb dieses Sterbewerts. Daher gehen wir davon aus, dass es kein massenhaftes Fischsterben wie 2022 geben wird. Aber die Goldalge kommt vor.
Beim Massenfischsterben vor zwei Jahren gab es das Problem, das die polnische Seite mit der deutschen nicht richtig oder zu spät kommuniziert hat. Hat sich daran etwas geändert?
Derzeit gibt es keine Situation, in der wir die deutsche Seite nicht informiert hätten. Wir halten keine Daten zurück. Alles ist bei uns einsehbar. Ich habe vorgestern mit Premierminister Donald Tusk gesprochen. Da hat er gesagt, er wolle in den nächsten zwei, drei Wochen ein Treffen zur Situation an der Oder in Polen einberufen, worüber wir auch die deutsche Seite informieren.
Die ehemalige Marschallin von Lubuskie, Elżbieta Anna Polak, sagte im Sommer vergangenen Jahres, dass die Region Lubuskie im Verbund mit einigen Städten wie Nowa Sól selbst tätig werden und beispielsweise Kläranlagen bauen müsse, wenn die Regierung in Warschau sich nicht um eine Verbesserung der Situation kümmere. Wie ist nach dem Regierungswechsel im Herbst nun der Stand der Dinge?
Nur zur Klarstellung: Ich repräsentiere als Woiwode die Regierung Polens. Die Marschallin repräsentierte die Ebene der Wojewodschaft Lubuskie. Natürlich arbeite ich eng mit dem inzwischen amtierenden Marschall Jabłonski zusammen.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Verschmutzung der Oder im Süden Polens passiert. Deshalb ist die Reinigung des Flusses oder Klärung des Oderwassers im Bereich der Wojewodschaft Lubuskie nicht von so großer Bedeutung wie im Süden Polens, wo die Verschmutzung entsteht.
Die Klärung des Wassers müsste also im Süden entstehen, in den Wojewodschaften Dolnosląskie und Sląskie. Mit beiden Regionen stehen wir in Kontakt, um diverse Projekte voranzubringen. Aktuell wurden Umweltgutachten erstellt und im nächsten Schritt planen wir Investitionen, die das Sammeln und Entsalzen dieses salzigen Wassers zum Ziel haben.
Wir sind offen für eine Zusammenarbeit mit der deutschen Seite. Ich nehme an jedem deutsch-polnischen Treffen teil, sowohl in Bezug auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit als auch die zwischen den Regierungen. Seit den polnischen Wahlen am 15. Oktober haben wir andere Rahmenbedingungen. Das ist ein neuer Wind.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das ist eine gekürzte und redigierte Fassung eines Gesprächs mit Marek Cebula. Die Fragen stellte Stefan Kunze für Antenne Brandenburg.
Sendung: Antenne Brandenburg, 13.06.2024, 15:40 Uhr
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