Schutz vor häuslicher Gewalt
Bundesweit steigt die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt. Die Innenminister der Länder beraten, wie sie Betroffene besser schützen können. Zur Debatte stehen einheitliche Regeln für elektronische Fußfesseln - und verpflichtende Beratungen für Tatverdächtige
Die Innenminister der Bundesländer streben auf ihrer Konferenz in Potsdam (IMK) einen besseren Schutz von Frauen vor Gewalt an. Zur Debatte stehen etwa bundesweit einheitliche Regeln für das Tragen elektronischer Fußfesseln. Gewalttäter kann das Tragen solcher Sensoren bei Kontaktverboten auferlegt werden. Die Fußfessel soll Alarm schlagen, wenn der Träger das Verbot missachtet. Umstritten ist diese Maßnahme, weil sie nicht von Gerichten angeordnet wird, sondern von den Polizeien der Länder.
Der Konferenzvorsitzende, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), sagte der Deutschen Presse-Agentur, unterschiedliche gesetzliche Regelungen bei den Landespolizeien führten zu Problemen. Ein Beispiel: Bei einem Kontakt- und Näherungsverbot für einen Gewalttäter in Brandenburg, der mehrfach seine Frau geschlagen habe und ihr dann in Berlin auflaure, sei nicht klar, welches Recht gelte.
Die Innenressortchefs wollten im Zuge der Konferenz, die von Mittwoch bis Freitag stattfindet, den Bund zu Änderungen auffordern, damit der Gewaltschutz für Frauen einheitlicher und klarer geregelt werde. "Daran muss man intensiv arbeiten, aber ich halte es für notwendig, dass wir da auch vorankommen", sagte Stübgen. Aus seiner Sicht sollte der Bund etwa regeln, dass die Fußfessel deutschlandweit einheitlich zur Anwendung komme.
Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt stieg im vergangenen Jahr erneut. Wie aus einem aktuellen Bericht zur Polizeilichen Kriminalstatistik hervorgeht, waren 2023 insgesamt 256.276 Menschen offiziell von häuslicher Gewalt betroffen - 6,5 Prozent mehr als 2022.
Brandenburg sieht sich bundesweit als Vorreiter beim Gewaltschutzgesetz. In dem Bundesland kann der Aufenthalt von Tätern bereits mit einer Fußfessel überwacht werden. Zudem müssen sie eine Beratung zur Gewaltprävention wahrnehmen. Im vergangenen Jahr zählte die Polizei in Brandenburg nach Angaben des Innenministeriums 6.325 Fälle häuslicher Gewalt, das war ein Plus von rund acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Um die meist weiblichen Opfer von Gewalt durch Ehemänner und Partner besser zu schützen soll es in Berlin künftig eine Stelle geben, in der Täter früher und besser beraten werden. Dazu beginnt an zwei Polizeiabschnitten im Norden Berlins und in Köpenick im Südosten ein Pilotprojekt einer "Servicestelle Wegweiser". Die Täter hätten oft Hemmungen, "sich selbstständig an eine Beratungseinrichtung für Anti-Gewalt-Arbeit zu wenden", hieß es in einer Erklärung der Senatsverwaltung für Justiz und der Berliner Polizei.
Potenzielle Gewalttäter können nun frühzeitig ihre Einwilligung zur Kontaktaufnahme durch die neue Servicestelle erteilen. Die Berater könnten dann bei Gewaltvorfällen, die der Polizei gemeldet würden, aktiv werden. "Das hilft Tätern, sich mit den Folgen ihrer Tat auseinanderzusetzen und schützt gleichzeitig als Präventionsmaßnahme auch Opfer häuslicher Gewalt."
Friederike Strack von Lara, einer Berliner Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen begrüßt diese Idee. "Diese Anti-Gewalt-Kurse, die Täter regelmäßig besuchen sollten, halte ich für sehr sinnvoll. Die Finanzierung sollte aber nicht aus der Finanzierung der Frauenhäuser und Beratungsstellen kommen, sondern aus einer anderen Stelle."
Mehr niedrigschwellige Beratungsangebote, mehr Plätze in Frauenhäusern: Diese Forderungen stellen die Frauenrechtsorganisationen immer wieder, sagt Strack. "Leider mit oft geringer Resonanz. Viel Augenmerk sollte aber auch auf Prävention gelegt werden", so Friederike Strack. "Häusliche und sexualisierte Gewalt muss ein Thema sein über das gesprochen und aufgeklärt wird in der Gesellschaft, in Firmen und Schulen."
In diesem Sinne befürwortet Strack auch das Vorhaben des Bundesinnenministeriums, dass vielleicht noch in diesem Jahr umgesetzt werden und Betroffenen denn einen Rechtsanspruch auf eine gewaltfreie Unterbringung und auf Beratung geben soll. Das Recht auf eine Unterkunft sei wichtig, so Strack. "Wenn das durch käme, wäre vielen sehr geholfen."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Rande der Konferenz, die Signale der Länder, zum Schutz vor häuslicher Gewalt stärker gemeinsam handeln zu wollen, seien positiv. "Wir müssen die Gewaltspirale stoppen", sagte Faeser. "Wir brauchen verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings, damit die Täter ihr aggressives Verhalten beenden und sich tatsächlich verändern." Eine Überwachung der Täter mit elektronischen Fußfesseln halte sie ebenfalls für sinnvoll, so Faeser. Diese ermöglichten der Polizei im Ernstfall schneller einschreiten zu können.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.06.2024, 06:00 Uhr
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