Haushalt
"Berlin kann, muss und wird mit weniger Geld funktionieren, und das vielleicht sogar besser", so argumentiert Finanzsenator Evers in der Aktuellen Stunde zur Haushaltspolitik. Er kündigt teils empfindliche Einsparungen im Haushalt an.
Nach den von der Koalition vorgenommen Kürzungen hat das Berliner Abgeordnetenhaus in einer Aktuellen Stunde kontrovers über die Haushaltspolitik diskutiert. Redner der Opposition hielten der schwarz-roten Koalition am Donnerstag vor, Entscheidungen verschleppt, die Stadt verunsichert und keine Strategie für die Zukunft zu haben. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) sprach dagegen von einem "ersten Schritt", auf den nun noch deutlich härtere Entscheidungen folgen müssten.
Erst am Mittwoch waren zu den geplanten Kürzungen im Berliner Landeshaushalt neue Einzelheiten bekannt geworden. Dem rbb liegt eine Liste mit mehr als 600 Vorhaben vor, bei denen in diesem Jahr insgesamt knapp 570 Millionen Euro eingespart werden sollen.
Der im Vorjahr beschlossene Doppelhaushalt hat für 2024 ein Volumen von 39,3 Milliarden Euro, für 2025 sind es 40,5 Milliarden Euro. So hohe Ausgaben gab es noch nie. Erklärtes Ziel der Koalition ist es, das während der Corona-Pandemie stark gestiegene Haushaltsvolumen mittelfristig deutlich zu reduzieren. Deshalb sollen im Etat für das laufende Jahr 1,75 Milliarden Euro gestrichen werden.
Für die Linke hatte der haushaltspolitische Sprecher Steffen Zillich der Koalition vorgehalten, dass sie keine Strategie habe, um die Haushaltskrise zu meistern. Schwarz-Rot habe einen Haushalt der ungedeckten Schecks vorgelegt. Die nachträglichen Kürzungen hätten gezeigt, dass das Zahlenwerk nur Makulatur sei. Die Stadt habe in den vergangenen Wochen eine "lebenden Kakophonie von Kürzungsvorschlägen, von Hü und Hott, von klein und kleiner, von du schon, ich nicht" erlebt, so Zillich. Das Ergebnis sei eine große Verunsicherung in der Stadt.
Die Regierungskoalition wies die Vorwürfe zurück. Die Vorgängerregierung von SPD, Grünen und Linken habe "an keiner Stelle Vorsorge getroffen für die veränderte finanzpolitische Lage", sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU, Christian Goiny.
Dass jetzt die Reserven angezapft werden müssen, sei gerechtfertigt. "Rücklagen sind für Krisen da", so Goiny. Die bekannt gewordenen Kürzungen seien schmerzhaft, aber nötig – und auch nicht die letzten. Man werde sich in den kommenden Jahren auch "von Projekten verabschieden" müssen, sagte Goiny, ohne allerdings Details zu nennen. Die schwarz-rote Koalition werde nach weiterem Sparpotential suchen, etwa beim Raumbedarf. Gleichzeitig setze man weiter auf Digitalisierung, damit die Verwaltung künftig mit weniger Personal auskomme.
Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, André Schulze, hielt Goiny vor die "x-te Aufführung des Stücks 'Die Opposition hat Schuld an den Fehlern der Regierung und die Regierung möchte keine Verantwortung für ihre Arbeit tragen'" auf die politische Bühne zu bringen. Es sei vielmehr die schwarz-rote Koalition, die Beschäftige und Träger im Land seit einem halben Jahr im Unklaren lasse, welche Projekte gestrichen werden. Unternehmen könnten sich nicht auf Förderung verlassen und Träger müssten um Zuschüsse bangen. "Lieber Senat, das ist das Gegenteil von einfach mal machen. Das ist das Gegenteil von verantwortlicher Politik. Das ist ein schwarz-rotes Haushaltschaos mit Ansage."
Der Haushaltsexperte der SPD, Torsten Schneider, wies die Kritik der Opposition als unangemessen zurück. Es gehe darum, die Ausgaben des Landes Berlin auf ein Normalniveau zurückzuführen. "Haushalt hoch kann jeder, Haushalt runter - sozial gerecht - ist die Königsdisziplin." Seit Beginn der Corona-Krise seien einzelne Bereiche des Haushalts "überproportional gewachsen", etwa im Bildungsbereich, während im Etat der Verkehrsverwaltung noch "grüne Phantasiepolitik" stecke, die teuer sei. Dies zurückzudrehen sei richtig, so Schneider. Zudem hätten die Bezirke, die seit 2019 zwei Milliarden Euro zusätzlich bekommen hätten, bislang noch gar keine Einsparungen geliefert.
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker warnte in der Debatte vor "immensen Haushaltsrisken". Die Politik der Koalition bleibe die Antworten darauf schuldig und ignoriere die Realität. Deutschland habe die höchste Steuerlast und die höchsten Steuereinnahmen. Das Problem liege daher woanders, so Brinker in Richtung der mitregierenden SPD. "Ihr damaliger Finanzsenator Sarrazin hatte ein Mantra, das bis heute gilt: Wir haben kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem." In diesem Zusammenhang kritisierte die AfD-Fraktionschefin speziell das neue 29-Euro-Ticket als "Kostenlos-Sperenzien" und Kürzungen bei Feuerwehr und Polizei.
Finanzsenator Stefan Evers kündigte in der Aussprache weitere, teils empfindliche Einsparungen im Haushalt an. Ohne Gegenmaßnahmen müssten ab 2026 weitere fünf Milliarden Euro aus dem Etat gestrichen werden, so der CDU-Politiker. "Das wäre fast jeder achte Euro" im Haushalt. Zu schaffen sei das nur mit mehr Effizienz, um mit weniger Personal auszukommen. Gleichzeitig müsse sich das Land Berlin aber auch von Vorhaben verabschieden. Die schwarz-rote Koalition werde "alle Strukturen in Frage stellen", kündigte Evers an. "Berlin kann, muss und wird mit weniger Geld funktionieren, und das vielleicht sogar besser".
Bereits in diesem Jahr wollen CDU und SPD klären, wie im Haushalt für das Jahr 2025 weitere zwei Milliarden Euro eingespart werden können. Evers verwies auch auf die sinkenden Steuereinnahmen und das schwache Wirtschaftswachstum. Er kritisierte, dass die Ampel-Koalition im Bund keine Anreize für Unternehmen setze. "Der Bund löst keine Probleme, er ist Teil des Problems."
Sendung: rbb24 Abendschau, 06.06.2024, 19:40 Uhr
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