Über Grenze gebracht
Deutsche Beamte sollen eine afghanische Familie ohne Absprache mit den dortigen Behörden nach Polen gebracht und dort abgesetzt haben. Die deutsche Seite räumt Fehler ein und entschuldigt sich. Der Fall soll "intensiv nachbereitet" werden.
Polens Grenzschutz hat der Bundespolizei vorgeworfen, eine Familie von Asylbewerbern aus Afghanistan ohne Rücksprache über die Grenze gebracht und auf der polnischen Seite abgesetzt zu haben. "Die Verbringung von Ausländern nach Polen (in das Dorf Osinow Dolny) durch die deutsche Polizei erfolgte unter Verstoß gegen die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen den beiden Dienststellen und gegen das Überstellungsgesetz", schrieb der Grenzschutz am Montag auf der Plattform X. "Die deutschen Behörden dürfen so eine Entscheidung nicht willkürlich treffen."
Mittlerweile sind klärende Gespräche erfolgt und die Bundespolizei hat sich für den Vorfall entschuldigt.
Demnach hat sich am Dienstag der Oberbefehlshaber des Grenzschutzes in Polen, Robert Bagan, mit dem Präsidenten der Bundespolizei, Dr. Dieter Romann, zu dem Thema ausgetauscht, wie es auf der Internetseite des polnischen Grenzschutzes heißt [www.gov.pl, polnisch]. Beide Seiten bestätigten demnach, dass das Vorgehen der deutschen Bundespolizisten nicht "den anerkannten Verfahren für die Aufnahme und Rückübernahme von Personen durch die Nachbarländer entsprach" und dass es sich um einen Einzelfall handele.
Laut der polnischen Mitteilung hätten die deutschen Beteiligten ihr Bedauern über den Vorfall zum Ausdruck gebracht und Schritte ergriffen, um ein solches Vorgehen für die Zukunft auszuschließen. "Die Angelegenheit wurde bereits geklärt. Wir freuen uns auf die Fortsetzung unserer hervorragenden Zusammenarbeit mit der deutschen Polizei, die bisher vorbildlich war", sagte Tadeusz Gruchalla-Wensierski, Pressesprecher des polnischen Grenzschutzes.
Auch das Innenministerium hat sich am Dienstag zu dem Vorfall geäußert: "Der zuständige Inspektionsleiter der Bundespolizei hat sich bereits bei den polnischen Behörden für die entstandenen Irritationen entschuldigt", teilte das Bundesinnenministerium am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP mit. Der Vorgang werde innerhalb der Bundespolizei und mit den polnischen Partnerbehörden "auf unterschiedlichen Ebenen nachbereitet".
Zuvor hatte auch Polens Ministerpräsident Donald Tusk (Koalicja Obywatelska, Bürgerkoalition) den Vorfall kritisiert. Auf dem Kurznachrichtendienst X schrieb er: "Ich werde gleich mit Bundeskanzler Scholz über einen inakzeptablen Vorfall zwischen der deutschen Polizei und einer Migrantenfamilie auf unserer Seite der Grenze sprechen. Der Sachverhalt muss ausführlich erläutert werden."
Zuvor hatten polnische Medien unter Berufung auf Augenzeugen berichtet, am Freitag sei in dem grenznahen Dorf Osinow Dolny ein deutsches Polizeiauto aufgetaucht und habe eine Migrantenfamilie dort zurückgelassen.
In einer Stellungnahme der Bundespolizei, die dem rbb vorliegt, hieß es noch am Montag dazu, im Rahmen der vorübergehend wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen hätten die Beamten am Freitagmorgen bei Altmädewitz (Märkisch-Oderland) eine fünfköpfige afghanische Familie gestoppt, die versucht habe, unerlaubt einzureisen. Die Familie habe polnische Asylbescheinigungen für die Erwachsenen und polnische Heimausweise für die Kinder dabeigehabt. Sie habe vor den deutschen Beamten kein Asylgesuch formuliert. Nach der Rechtslage sollte sie daher wieder nach Polen zurückgeführt werden.
Nach Angaben der Bundespolizei wurde der polnische Grenzschutz über das gemeinsame Zentrum in Swiecko informiert, dass man die Familie übergeben wolle. "Da eine Reaktion der polnischen Seite auch auf Nachfrage für mehrere Stunden ausblieb, entschieden sich die Beamten dafür, die Familie mit einer Streife an die deutsch-polnische Grenze bei Hohenwutzen zu fahren, um sie von dort nach Polen zu entlassen."
Unterwegs hätten die Kinder der Familie demnach über Unwohlsein geklagt, weshalb die Bundespolizisten in dem Ort Osinow Dolny eine Apotheke ansteuerten, um Erste Hilfe zu ermöglichen. Da die Mutter der Kinder ihr Handy auf der Dienststelle der Bundespolizei vergessen habe, sei sie mit einem Streifenwagen zurück nach Brandenburg und dann wieder nach Polen zu ihrer Familie gebracht worden.
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