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Das 29-Euro-Ticket ist zurück in Berlin - doch Begeisterung sieht anders aus. Kritik an dem Projekt kommen aus der Opposition und von Verkehrsexperten. Von Thorsten Gabriel
Es ist ein bisschen paradox: Da haben CDU und SPD ein neues Ticketangebot auf den Weg gebracht, doch die eigene Verkehrssenatorin zeigt sich wenig begeistert: "Es war eine politische Entscheidung und diese politische Entscheidung wird jetzt umgesetzt und wir schauen uns an, wie es läuft", so Ute Bonde (CDU), die den Posten seit Ende Mai bekleidet. "Dann wird weiter geguckt, ob wir es beibehalten oder nicht."
Bonde war bis vor kurzem aber noch Geschäftsführerin des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg – und in dieser Rolle eine Gegnerin des 29-Euro-Tickets. Durchgesetzt hatte sich gegen alle Widerstände seinerzeit: die SPD.
Das 29-Euro-Ticket war das zentrale Versprechen der Partei bei der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus im vergangenen Jahr. Für Franziska Giffey (SPD), damals noch Regierende Bürgermeisterin von Berlin, war das 29-Euro-Ticket "eine Frage von moderner Mobilität, von Klimaschutz und sozialer Teilhabe."
Doch anders als das Deutschlandticket ist das 29-Euro-Ticket nur in Berlin gültig und muss für mindestens ein Jahr gekauft werden. Erst danach ist es monatlich kündbar.
Verkauft wurde es laut Verkehrssenatorin Bonde bislang 165.000 Mal – verglichen mit den rund 900.000 verkauften Deutschlandtickets in der Hauptstadt kaum der Rede wert. Trotzdem bleibt es eine Konkurrenz zum bundesweiten Ticket.
Der verkehrspolitische Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, Kristian Ronneburg kritisierte Anfang Juni im Verkehrsausschuss des Parlaments den Berliner Sonderweg – besonders angesichts des Umstands, dass die Verkehrsminister der Länder derzeit mit dem Bund um die weitere Finanzierung des Deutschlandtickets ringen. "Das Agieren der Koalition ist jetzt nicht unbedingt geeignet dafür, solche Diskussionen über Preiserhöhungen fürs Deutschlandticket abzuwehren", so Ronneburg. Ganz im Gegenteil - jene Diskussionen seien "Wasser auf die Mühlen anderer Bundesländer und auch der Bundesregierung", so der Linkenpoltiker, denn man frage sich, warum Berlin sich eine "Extrawurst" leisten kann.
So wird das auch außerhalb der Politik gesehen – beim VDV, beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, unter dessen Dach mehr als 600 Bus- und Bahnanbieter zusammengeschlossen sind. VDV-Sprecher Lars Wagner argumentiert: "Man hat sich gemeinsam zwischen Bund und Ländern vereinbart, ein Deutschlandticket einzuführen. Man hat gesagt, man finanziert das gemeinsam. Wenn jetzt jeder wieder anfängt, Einzeltickets darunter zu finanzieren, zahlt man am Ende doppelt dafür." So zahle man sowohl den Ausgleich für das Deutschlandticket als auch für das 29-Euro-Ticket. Dadurch würde auch der Ausbau schwieriger.
Mittlerweile ist auch in der SPD die Ticket-Euphorie weitgehend verflogen. Angesichts leerer Haushaltskassen ist es da gut möglich, dass das 29-Euro-Ticket bei einer nächsten Sparrunde wieder einkassiert wird.
Das Bundesverkehrsministerium nannte das Ticket ein "regionales Konkurrenzprodukt", das das Ziel des im vergangenen Jahr eingeführten Deutschlandtickets für 49 Euro, "komplexe Tarifsysteme radikal zu vereinfachen und Strukturen in den Verkehrsbünden zu verschlanken" konterkariere.
Sendung: rbb24 Inforadio, 01.07.2024, 6:00 Uhr
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