Urabstimmung in Berlin
Droht Kita-Kindern und deren Eltern ein ungemütlicher Herbst? Im festgefahrenen Streit mit dem Senat über einen Tarifvertrag erhöht die Gewerkschaft Verdi nochmals den Druck. In wenigen Wochen gibt es eine Urabstimmung über "Erzwingungsstreiks".
Die Gewerkschaft Verdi will ihre Mitglieder unter den Kita-Beschäftigten in Berlin zu einer Urabstimmung über unbefristete Streiks aufrufen. Das sei bereits am Donnerstag entschieden worden, teilte Verdi am Freitag mit.
Demnach soll die Urabstimmung Anfang September beginnen. Wenn hierbei über 75 Prozent für einen sogenannten Erzwingungsstreik stimmten, könne Verdi zum unbefristeten Streik in landeseigenen Kitas aufrufen, heißt es in der Mitteilung der Gewerkschaft weiter.
Der Senat habe immer noch nicht signalisiert, in Verhandlungen über die Forderungen der Gewerkschaft einzutreten, begründet Verdi diesen Schritt. Man sei "nicht länger bereit, dabei zuzusehen, wie die Kita-Krise durch den Senat ausgesessen wird", erklärt Ulrike Schulz, pädagogische Fachkraft in einem Kita-Eigenbetrieb.
In landeseigenen Kitas ist in den vergangenen Wochen mehrmals gestreikt worden, es kam immer wieder auch zu mehrtägigen Kita-Schließungen. In dieser Woche wurden von Verdi nur vereinzelte Fachkräfte zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen.
Äußerungen Verdis aus der Vorwoche waren von der Öffentlichkeit so verstanden worden, dass die Gewerkschaft in dieser Woche nicht erneut zum Warnstreik aufruft. Am Dienstag hieß es von Verdi, diese Aussage sei auf Schließungen bezogen gewesen. Auch im Sommer werde es keine streikbedingten Kita-Schließungen geben, fügte er hinzu. Die Möglichkeit kleinerer Arbeitsniederlegungen hält sich die Gewerkschaft damit offen.
Verdi fordert einen entsprechenden Tarifvertrag, in dem unter anderem Regelungen zu Gruppengrößen und zum Ausgleich von Belastungen verankert werden sollen. Der Senat lehnt das mit Verweis auf die Mitgliedschaft Berlins in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ab.
Der Landeselternausschuss Kita kritisiert das Vorgehen der Gewerkschaft. "Die Streiks gehen zulasten der Kinder und ihrer Eltern", sagte Vorstand Guido Lange der Deutschen Presse-Agentur. Es könne nicht sein, dass das nun jede Woche so weitergehe.
Die Forderungen der Gewerkschaft seien verständlich, aber unrealistisch, was eine schnelle Umsetzung betrifft. "Man kann den Personalschlüssel ändern, aber die nötigen Erzieherinnen und Erzieher sind schlicht nicht vorhanden", so Lange. Und Entlastungsmaßnahmen mit dem vorhandenen Personal hätten nach seiner Einschätzung eher eine Verschlechterung der Betreuungsqualität zur Folge, etwa durch kürzere Öffnungszeiten von Kitas.
Am Dienstag hatte bereits der Staatssekretär für Jugend und Familie, Falko Liecke, gefordert: "Diese Streiks müssen jetzt enden. Sie verschärfen die Stimmung in unserer Stadt und verhindern konstruktive Lösungen für eine bessere Kita-Qualität". Umgekehrt wirft Verdi dem Senat vor, eine Lösung im Sinne der Beschäftigten, Eltern und Kinder zu blockieren.
Knapp zehn Prozent der rund 2.900 Kitas in Berlin gehören zu sogenannten kommunalen Eigenbetrieben. Dort betreuen rund 7.000 Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere Beschäftigte etwa 35.000 Kinder. Die übrigen Einrichtungen werden von freien Trägern betrieben und aktuell nicht bestreikt. Insgesamt besuchen etwa 165.000 Kinder in der Hauptstadt Kitas.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.07.2024, 19:30 Uhr
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