Tierschutz
Waschbären sind niedlich - und eine Plage: Die invasive Art ist eine Bedrohung für die heimische Tierwelt - und menschliche Besitztümer. Ein Berliner Pilotprojekt sollte die Population eindämmen. Doch die Behörden haben Zweifel. Von Sebastian Schöbel
Ein geplantes Pilotprojekt zur Kontrolle der Berliner Waschbärenpopulation wird nun doch nicht umgesetzt. Wie die zuständige Senatsverwaltung für Umwelt auf rbb-Nachfrage bestätigte, wurde der Antrag der Steglitzer Tierärztin Mathilde Laininger abgelehnt.
Laininger, die seit mehreren Jahren mit einem eigenen Verein eine Auffang- und Pflegestation für Waschbären betreibt, hatte vorgeschlagen, die Tiere im Stadtgebiet mit speziellen Fallen lebend zu fangen, in ihrer Station aufzunehmen und zu kastrieren oder zu sterilisieren. Das sei "ethisch vertretbar, ökologisch und nachhaltig", weil verhindert wird, dass die Tiere massenhaft getötet werden müssen. Für ihre Arbeit wurde Laininger 2023 bereits mit dem Berliner Tierschutzpreis ausgezeichnet.
Die Umweltverwaltung aber meldete nach fast zweijähriger Prüfung der Unterlagen nun Bedenken an. So fehle beim Projekt unter anderem die Begleitung durch eine wissenschaftlich anerkannte Forschungseinrichtung. Was die Tiermedizinierin zurückweist: Sie habe mehrere Jahre Erfahrung mit den Tieren und bereits in einem Forschungsinstitut zu Waschbären gearbeitet, zudem sollte das Projekt durchaus wissenschaftlich unterstützt werden. "Es ist nirgends festgelegt, dass ein wissenschaftliches Institut für die Korrektheit und den Erfolg einer wissenschaftlichen Arbeit unabdingbar oder notwendig wäre", so die Medizinerin. Doch die Umweltverwaltung traut Laininger ein so großes Vorhaben offenbar trotzdem nicht zu. "So steht für die Betreuung der 50 Fallen auf größeren und räumlich getrennten Untersuchungsgebieten für eine Dauer von fünf Jahren, mit denen 400 Waschbären mehrfach gefangen werden sollen, nur eine Person zur Verfügung", teilt die Umweltverwaltung dem rbb mit. Experten schätzen, dass rund 1.000 Tiere in der Metropole zu Hause sind.
Vor allem aber könne Laininger nicht die notwendigen Genehmigungen vorweisen. Das betrifft besonders die Erlaubnis zur Waschbärenhaltung durch den Bezirk Steglitz-Zehlendorf, wo Laininger ihre tierärztliche Praxis betreibt. Aktuell habe die Tierärztin nur eine Genehmigung für die Haltung von fünf Waschbären. Ein Antrag, weitere Tiere zu halten, sei kürzlich versagt worden, "da Waschbären gemäß der Unionsliste als invasive, gebietsfremde Art gelten und nach einer EU-Verordnung in Verbindung mit dem Bundesnaturschutzgesetz nur für ein Forschungsvorhaben gehalten werden können", teilte das Bezirksamt auf rbb-Nachfrage mit. Man setze stattdessen darauf, die Tiere "zu vergrämen, zum Beispiel durch das Aufstellen von elektrischen Zäunen".
Laut Laininger läuft die bestehende Genehmigung im November aus. Wird sie nicht verlängert, steht wohl auch die bestehende Aufnahmestation für Waschbären vor dem Aus. "Der Senat will uns weder hören noch eine Chance geben." Dabei habe ihr Team im vergangenen Jahr bereits rund 180 Waschbären tierärztlich versorgt und fast 500 Beratungen durchgeführt. Unter dem Vorgängersenat sei ihre Arbeit noch unterstützt worden, vor allem durch eine Förderung über 55.000 Euro der Landestierschutzbeauftragten. Deren Einfluss und Budget wurde vom neuen schwarz-roten Senat zuletzt aber stark beschnitten. Der setze bei der Eindämmung der Waschbärenpopulation damit weiterhin darauf, die Tiere zu töten. "Es ist sowohl tierschutzwidrig als auch einer so hochentwickelten Gesellschaft wie der unseren, nicht angemessen, derartig mit einem so sensiblen, hochintelligenten und sehr sozialen Tier umzugehen", so Laininger.
Was den Vorwurf, Lainingers Projekt sei nicht wissenschaftlich genug, bemerkenswert macht: Denn in der Wissenschaft gilt die Tötung von Waschbären als wenig taugliche Maßnahme, um Populationen zu kontrollieren. Im Gegenteil: "Waschbären können nämlich hohe Verlustraten durch eine vermehrte Fortpflanzung ausgleichen", hatte die Waschbärenexpertin Carolin Weh bereits im März im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses erklärt. Diese sogenannte "kompensatorische Fertilität" sei in zahlreichen Studien und Untersuchungen auch in Deutschland bereits nachgewiesen worden. Sinnvoller seien andere Maßnahmen, etwa Zäune, wildtiersichere Mülleimer, Manschetten an Bäumen um das Erklettern zu verhindern, sowie abgesicherte Nistkästen für Vögel. Vor allem aber müsse dem Tier die Nahrung entzogen werden - also vor allem Hausmüll.
Berlin könne dabei zum Vorbild werden und ein Wildtiermanagement einführen. Dazu gehöre auch zu untersuchen, welche Erfolge mit der Kastration von Waschbären erzielt werden können - genau das also, was Tierärztin Laininger in Berlin durchführen wollte. "Das ist eine Studie von EU-weiter Bedeutung", sagte Weh im März dieses Jahres im Abgeordnetenhaus. Zumal Lainingers Beratung für Menschen, die mit Waschbären in Berührung kommen, bereits "bundesweit als vorbildlich angesehen" werde. "Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Unterstützung der Kastrationsstudie sicherlich auch auf EU-Ebene Zuspruch finden würde", so Weh, die als wissenschaftliche Beraterin für das Projekt fungieren sollte.
Nun aber wird es die wohl nicht geben. Die Senatsverwaltung für Umwelt verweist auf rbb-Nachfrage stattdessen auf das geplante Wildtierkompetenznetzwerk. Das ist schon seit einigen Jahren im Gespräch. Wann es starten kann, ist allerdings unklar.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.07.2024, 09:05 Uhr
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Beitrag von Sebastian Schöbel
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