Leider gibt es ein Problem beim Abspielen des Videos.
Deutsch-russischer Dialog nach dem Angriffskrieg
Der deutsch-russische Dialog ist seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine auf einem Tiefpunkt. Einige zivilgesellschaftliche Initiativen aus Berlin versuchen dennoch, Gespräche aufrechtzuerhalten. Von Wolf Siebert
Ob Städtepartnerschaften, wie die zwischen Berlin und Moskau, oder der Austausch von Schülern und Lehrern: Seitdem Russland Krieg gegen die Ukraine führt, wirkt der deutsch-russische Dialog wie eingefroren. Auch die deutschen politiknahen Stiftungen mussten ihre Arbeit in Russland einstellen.
Dennoch bemühen sich Berliner Initiativen weiterhin um den Austausch mit Russland. Für ihre Gesprächspartner dort ist das gefährlich - denn Russen, die für Organisationen arbeiten, die in Russland als "unerwünscht" oder als "feindliche Agenten" gebrandmarkt sind, machen sich strafbar.
Der Verein "Cisr" in Berlin beispielsweise ist Teil eines breiten Netzwerks von Initiativen, die die demokratische Zivilgesellschaft in Russland unterstützen. Elena Stein, Politikwissenschaftlerin mit russischen Wurzeln, hat "Cisr" 2015 gegründet. Die Verständigung und die Zusammenarbeit mit Russland und früheren Republiken der Sowjetunion ist eines der Ziele. Das gefällt offenbar nicht jedem, der Verein ist mehrfach attackiert worden. "Die letzten drei Überfälle waren politisch motiviert. Das hat uns zumindest die Polizei gesagt und hat uns für die nächsten acht Monate unter Schutz genommen", sagt Stein.
Nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte, richtete der Verein seine Arbeit neu aus. Die Antikriegsarbeit rückte in den Mittelpunkt. Der Verein gehörte 2022 zu den Initiatoren eines Antikriegskongresses in Berlin. Daraus ist inzwischen ein breites europäisches Bündnis von Initiativen entstanden, die sich auch für ein demokratisches Russland einsetzen. Für Elena Stein wäre eine Reise nach Russland inzwischen zu gefährlich, wie sie sagt, aber die Kooperation mit russischen Initiativen will sie unbedingt fortsetzen. "Wir agieren in Russland, wir wissen also, was dort passiert. Wir wissen es besser als Politiker und andere Akteure, die nicht mehr ihre offices dort haben, die nicht mehr Journalisten dorthin schicken können", sagt sie.
An einem Abend in einer Kneipe irgendwo in Berlin. Hier treffen sich Menschen, die sich für ein demokratisches Russland einsetzen, für Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit. Ihre Arbeit wird von Partnern aus Deutschland und der EU unterstützt. Weitere Details wollen die Teilnehmenden nicht preisgeben, um ihre Partner in Russland nicht in Gefahr zu bringen. Die Angst vor dem russischen Sicherheitsapparat ist groß.
Wenige Tage später ein Treffen mit Elena Shakhova in einem schlichten Büro in Berlin, wo sie gerade zu Besuch ist. Sie arbeitet für die NGO "Citizens Watch" aus Sankt Petersburg - eine NGO, die in Russland schon vor vielen Jahren den Stempel "ausländischer Agent" bekommen hat. Putins Regime, sagt die Bürgerrechtlerin, ruhe auf zwei Säulen, Gewalt und Furcht. Dennoch lasse sich die Bürgerrechtsbewegung nicht entmutigen. "Citizens Watch" setzt sich zum Beispiel für faire Gerichtsverfahren ein.
Eigentlich hat Elena Shakhova Ökonomie studiert, aber schon früh sei ihr klar geworden, dass eine Gesellschaft ohne Rechtsstaat nicht funktionieren könne. "Seit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine ist Russland eine Blackbox. Niemand weiß, was darin passiert, deshalb ist es ganz wichtig, Informationen auszutauschen, um ein realistisches Bild zu vermitteln", erzählt sie.
Direkte Kontakte nach Berlin und in die EU sind deshalb auch für Elena Shakhova von großer Bedeutung. Die russische Regierung hat deutsche, politische Stiftungen und viele Organisationen aus dem Land geworfen. Der Vertreter einer dieser Stiftungen erzählt, dass 85 Prozent seiner Gesprächspartner inzwischen nicht mehr aktiv sind oder Russland verlassen haben.
Das Kulturzentrum "Panda Platforma" in Prenzlauer Berg ist ein Ort der Kultur mit Konzerten, Performances und Lesungen. Seit der Gründung 2009 ist man aber auch politisch engagiert und will über russische Propaganda aufklären.
An diesem Abend diskutiert der Autor Olaf Kühl über sein Buch "Z. Kurze Geschichte Russlands von seinem Ende her gesehen", das es nun auch in einer russischen Übersetzung gibt. Kühl war von 1996 bis 2021 Jahre Osteuropa-Referent mehrerer Regierender Bürgermeister von Berlin. In seinem Buch begründet er seine Sorge, dass die völkisch-nationalistische Außenpolitik Putins zum Zerfall Russlands führen könnte, mit unvorhersehbaren Folgen für Europa.
Svetlana Müller, die Geschäftsführerin des Kulturzentrums, sagt, sie hoffe, dass Kühls Buch auch in Berlin russischsprachige Menschen und "Putin-Versteher" erreiche. "Sie können natürlich auch Deutsch, aber sie lesen auch gerne russischsprachige Ausgaben." Deshalb sei es gut, dass es dieses Buch in den beiden Sprachen gebe. Müller hofft ihren Worten zufolge, dass der eine oder andere seine Haltung überdenke.
Als letztes eine Fahrt in den Südosten der Stadt. Seit 30 Jahren gibt es das Museum Berlin-Karlshorst , das intensiven Austausch mit Moskau, Kiew und Minsk hatte, darunter mit dem Außenministerium der Russischen Föderation und mit dem staatlichen Historischen Museum Moskau.
Nach dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine legte aber das deutsche Staatsministerium für Kultur der Museumsleitung nahe, den Kontakt zu staatlichen russischen Stellen einzufrieren. Seit zwei Jahren nun ist der deutsch-russische Dialog auf einem Tiefpunkt. Der Museumsleiter und Historiker Jörg Morré will das aber nicht mehr akzeptieren. Selbst im Kalten Krieg habe es Kontakte und Gespräche gegeben. "Ich habe auch seitens meines Arbeitgebers, das ist der Trägerverein des Museums Berlin-Karlshorst, den Auftrag, die Völkerverständigung hier zu fördern, am Leben zu erhalten." Was er bereits jetzt tut, darüber will Morré nicht öffentlich sprechen, um seine Gesprächspartner nicht zu gefährden.
Er würde auch gerne Kontakte zu regionalen Museen, Archiven und zu zivilgesellschaftlichen Organisationen in Russland aufbauen. Auch mit den 15 ehemaligen Sowjetrepubliken im Kaukasus und in Zentralasien will der Leiter des Museums ausloten, ob sie Interesse an einem Dialog haben. "Dieses Generalverbot 'sprich nicht mit denen' bringt uns nicht weiter."
Dieses Weitersprechen aber ist riskanter geworden. Häufig sind es Russen im Exil, die mit russischen Bürgerinnen und Bürgern reden: in Telegram-Gruppen, via Youtube-Videos, bei persönlichen Treffen in Deutschland oder in Nachbarländern Russlands.
Die Kommentarfunktion wurde am 16.07.2024 um 10:39 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.
Beitrag von Wolf Siebert
Artikel im mobilen Angebot lesen