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Audio: rbb24 | 15.08.2024 | Kristina von Keyserling & Anja Herr | Quelle: dpa/Thomas Imo

Wohnungsmarkt in Berlin

Möblierte Wohnungen zu exorbitanten Preisen – Bezirke drängen Bund zu Regulierung

50 Euro pro Quadratmeter - die Vermietung von möblierten Wohnungen auf Zeit floriert in Berlin. Eine Regelung auf Bundesebene lässt auf sich warten. Ein Berliner Bezirk will schon jetzt aktiv werden. Von Anja Herr und Helena Daehler

Es sind wütende Mails, die Neuköllns Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Bündnis90/Die Grünen) zunehmend in seinem Eingang findet. "Wie kann das sein", wollen die Absender wissen, "dass hier in einer Wohnungs-Annonce 35 Euro pro Quadratmeter verlangt werden – in einem Milieuschutzgebiet?!"

Rechtlich ist das derzeit möglich. Das möblierte Wohnen auf Zeit, also die vorübergehende Vermietung von Wohnraum für einige Monate, ermöglicht es Vermietern, sehr hohe Preise zu verlangen. Der Grund: das Bürgerliche Gesetzbuch enthält eine Ausnahmevorschrift, die besagt, dass Mietverhältnisse zum vorübergehenden Gebrauch nicht unter die Mietpreisbremse fallen. Dazu kommt, dass die Preise für die Möblierung derzeit nicht transparent ausgewiesen werden müssen. Die Folge: Vermieter können unkontrollierbar hohe Preise veranschlagen.

Wohnungsnot in Berlin

Mieterverein warnt vor Handel mit Meldeadressen für Untermieter

Der Berliner Mieterverein warnt vor Angeboten auf Kleinanzeigen, bei denen Meldeadressen ohne die dazugehörige Wohnung angeboten werden. Die Krise auf dem Wohnungsmarkt müsse politisch gelöst werden. Von Roberto Jurkschat

Berliner Mieterverein: "Not der Mieter wird ausgenutzt"

Der Berliner Mieterverein beobachtet, dass Vermieter das möblierte Wohnen auf Zeit zunehmend zum Geschäftsmodell machen: "Sie umgehen auf diese Weise die Mietpreisbremse", sagt Geschäftsführerin Wibke Werner. Immer wieder wenden sich Mieter an den Verein, die eigentlich ein langfristiges Mietverhältnis suchen. "Sie nehmen solche überteuerten Angebote dann aus der Not heraus an, weil sie keine andere Wohnung finden." Die Not der Mieter werde ausgenutzt.

Dass das Geschäftsmodell in Berlin und anderen Großstädten floriert, zeigt sich auch an den Zahlen. Auf dem Portal Immoscout24 gibt es mittlerweile eine extra Kategorie "Wohnen auf Zeit". Sucht man hier nach einer Unterkunft, erhält man bedeutend mehr Angebote als für gewöhnliche Mietverhältnisse. In Friedrichshain-Kreuzberg beziehen sich laut Zahlen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mittlerweile 70 Prozent der Inserate auf möbliertes Wohnen auf Zeit, in Mitte 65 Prozent und in Charlottenburg-Wilmersdorf 64 Prozent. Das sind dreimal so viel wie noch zehn Jahre zuvor.

Gesetzentwurf des Bundesrats liegt in der Schublade

Der Mieterverein sieht den Bund in der Pflicht. "Da es um Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch geht, ist der Bundesgesetzgeber zuständig", so Werner. Berlin könne hier nur durch Bundesratsinitiativen etwas bewirken. Allerdings gab es diese bereits: Im Juni 2023 reichte der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Stärkung des Mieterschutzes bei der Vermietung von möbliertem Wohnraum ein.

"Der liegt derzeit in der Schublade des Bundesjustizministeriums und es sind leider keinerlei Aktivitäten erkennbar", sagt Wibke Werner. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Vermieter verpflichtet werden, sowohl die Nettokaltmiete als auch den Möblierungszuschlag transparent auszuweisen. Die zulässige Höhe des Zuschlags soll ebenso geregelt werden.

Auch Bezirksstadtrat Jochen Biedermann drängt auf eine schnelle Lösung auf Bundesebene: "Wir brauchen eine Klarstellung, dass in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt dieses Wohnen auf Zeit in regulären Wohnungen nicht zulässig ist", fordert er.

Mietwohnungen in Berlin

Charlottenburg-Wilmersdorf wehrt sich gegen möbliertes Wohnen auf Zeit

Die Mieten bei möblierten Wohnungen auf Zeit liegen deutlich über dem Schnitt, die Zahl der Inserate steigt. Dagegen will ein Bezirk jetzt zumindest in Milieuschutzgebieten vorgehen. Denn der Wechsel von Dauerwohnung zum Zeitmodell ändere die Nutzung.

Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf will jetzt schon handeln

Doch mit der Umsetzung des Gesetzentwurfs wird es wohl noch länger dauern. Die Regierung werde Handlungsbedarf prüfen, warte aber noch den Schlussbericht zu einer Untersuchung des möblierten Mietwohnungsmarktes ab, teilt das Bundesbauministerium mit. Zuständig für eine Änderung im Mietrecht wäre allerdings das Bundesjustizministerium.

Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf will aber nicht länger warten: Er sieht Möglichkeiten, in Milieuschutzgebieten das möblierte Wohnen auf Zeit bereits jetzt einzuschränken. Ein Rechtsgutachten komme zu dem Ergebnis, dass es in Milieuschutzgebieten genehmigungspflichtig sei, wenn regulärer Mietraum möbliert und auf Zeit vermietet werden soll. Antragsteller sollen künftig zusichern, dass sie die betreffenden Wohnungen ausschließlich in Form von unbefristeten, regulären Mietverhältnissen und ohne Möblierung vermieten werden. Sonst könne die Genehmigung verweigert werden.

Die Antragsformulare werden derzeit entsprechend angepasst. Zudem werden bereits Fälle untersucht, bei denen Wohnungen ohne Genehmigung nur befristet oder möbliert vermietet werden. In diesen Fällen sollen gezielt Nutzungsuntersagungen ausgesprochen werden. Das Bezirksamt hofft, noch in diesem Jahr solche Untersagungen aussprechen zu können – rechnet allerdings mit langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen, da eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene fehlt.

Sendung: rbb24, 15.08.2024, 13:00 Uhr

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Beitrag von Anja Herr und Helena Daehler

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