Berliner Senat
Auch vier Monate nach der Teil-Legalisierung von Cannabis herrscht in Berlin noch Unklarheit in einem wichtigen Punkt: Wer genehmigt und kontrolliert den Anbau in Vereinen - das Land oder die Bezirke? Von Kirsten Buchmann
Zwischen der Senatskanzlei und der Gesundheitsverwaltung gibt es einen Dissens, was die Umsetzung der Teil-Legalisierung von Cannabis in Berlin angeht. Wie der rbb aus Senatskreisen erfuhr, will die Senatskanzlei, dass künftig das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Berlin dafür zuständig ist, den Cannabis-Anbau zu genehmigen und zu kontrollieren. Nach der Sommerpause solle eine entsprechende Vorlage im Senat beraten werden.
Die Gesundheitsverwaltung sieht dagegen noch keine Entscheidung für das Lageso. Staatssekretärin Ellen Haußdörfer erklärte per Pressemitteilung am Donnerstag, dass weiterhin eine Zuständigkeit der Bezirke diskutiert werde. Gegen das Lageso spreche, dass dafür eine Gesetzesänderung nötig wäre, die Zeit koste.
Die Senatskanzlei ist nach rbb-Informationen wiederum davon überzeugt, dass die Zuständigkeit beim Lageso per Rechtsverordnung angesiedelt werden kann. Das geht deutlich schneller als eine Gesetzesänderung. Sie verweist auf eine rechtliche Einschätzung der Justizverwaltung. Der Konflikt nimmt also regierungsintern an Schärfe zu.
In Berlin liegen bereits mehrere Anträge von Menschen vor, die in Cannabis-Vereinen die Pflanze anbauen wollen. Berlinweit gebe es 19 Anträge, erfuhr der rbb von Bezirksseite, darunter einen, der alles für den Antrag Nötige zusammen habe. Bisher ist aber offen, wer im Land Berlin diese Anträge überhaupt bearbeitet.
Die Senatsgesundheitsverwaltung sah dies als Aufgabe der Bezirke, was diese aber ablehnten und argumentierten, sie hätten zu wenig Personal. Dazu kommt, sagt der Bezirksbürgermeister von Spandau, Frank Bewig (CDU): "Es ist viel effizienter, wenn man das berlineinheitlich macht."
Der Anbau von Cannabis ist seit Anfang April in Deutschland teillegalisiert. Theoretisch dürfen auch in Berlin seit Juli Anbauvereinigungen Cannabis pflanzen und an ihre Mitglieder abgeben. Dafür müssen sie allerdings eine Erlaubnis beantragen. Weil in Berlin noch nicht geregelt ist, wer zuständig ist, bleiben die Anträge bisher liegen. Alle anderen Bundesländer haben das bereits geklärt.
Christian Zander, der CDU-Gesundheitspolitiker im Berliner Abgeordnetenhaus, findet es richtig, die Aufgabe auf Landesebene anzusiedeln, "anstatt in jedem Bezirk jeweils eine Anlaufstelle zu schaffen". Zugleich sagt er, das Lageso "dürfte aber nicht in der Lage sein, ohne personelle Verstärkung diese Aufgabe mal ebenso mit zu erledigen."
Denn schon jetzt sei die Personaldecke dort in vielen Bereichen zu dünn, wie etwa, um ausländische Abschlüsse in Gesundheitsberufen anzuerkennen. Die Cannabis-Anbauvereine zu genehmigen und zu kontrollieren dürfe "nicht zu Lasten anderer Bereiche erfolgen."
Die Diskussion, ob das Lagoso überhaupt die richtige Genehmigungs- und Kontroll-Stelle für die Cannabis-Anbau-Vereine ist, geht allerdings weiter.
Der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel (SPD), findet es zwar richtig, die Aufgabe zentral bearbeiten zu lassen. Er würde sich allerdings wünschen, sie durch einen einzelnen Bezirk erledigen zu lassen, weil sie ohne Gesetzesänderung arbeiten könnten: "Es gibt sehr viele leidenschaftliche Unterstützer dieses Gesetzes in den Bezirken. Jetzt sollte sich ein Bezirk bereiterklären, die Aufgabe zu übernehmen."
Die Lageso-Variante sieht Igel skeptisch, weil auch er die Rechtsauffassung vertritt, dass dafür Gesetze geändert werden müssen. Weil das dauert, rechnet er mit einer langen Hängepartie, in der die Bezirke einzeln über die Anträge entscheiden müssten, bis die Lageso-Zuständigkeit greift. "Es ist die ungünstigste Lösung, jetzt das Lageso damit beauftragen zu wollen", sagt Igel.
Die Bezirksbürgermeisterin von Steglitz-Zehlendorf, Maren Schellenberg (Grüne), hält ein einheitliches Vorgehen, beim Lageso oder durch einen einzelnen Bezirk, sinnvoll. Aus ihrer Sicht blieben allerdings Fragen offen: "Wir haben zum Beispiel in Steglitz-Zehlendorf zwei Anträge, wo die Anbaugebiete in Brandenburg liegen. Wir stellen uns ernsthaft die Frage: Wie sollen wir da als Bezirksämter irgendwas kontrollieren?" Die Bezirke bräuchten klarere Informationen.
Der SPD-Innenpolitiker Martin Matz wiederum drängt darauf, die Frage nach zusätzlichem Personal zu beantworten. Ob es dafür mehr Geld gibt, müsse mit der Finanzverwaltung besprochen werden.
Berlin ist damit immer noch weit entfernt, das Cannabis-Anbauproblem zu lösen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 15.08.2024, 19:30 Uhr
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Beitrag von Kirsten Buchmann
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